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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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ist Dein, ich sterbe Dir treu, so sehr der
Schein auch gegen mich sprechen mag; mit
Dir verlohr ich alles, was mich an das Le¬
ben fesselte. Ich sterbe zufrieden, da man
mir versichert, das Kind sey gesund und
werde leben. Höre die alte Barbara, verzeih
ihr, leb wohl und vergiß mich nicht."

Welch ein schmerzlicher und noch zu sei¬
nem Troste halb räzelhafter Brief! dessen
Inhalt ihm erst recht fühlbar ward, da ihn
die Kinder stockend und stammelnd vortru¬
gen und wiederholten.

Da haben Sie es nun! rief die Alte,
ohne abzuwarten, bis er sich erholt hatte;
danken Sie dem Himmel, daß, nach dem
Verluste eines so guten Mädchens, Ihnen
noch ein so vortreffliches Kind übrig bleibt.
Nichts wird Ihrem Schmerze gleichen, wenn
Sie vernehmen, wie das gute Mädchen Ih¬
nen bis ans Ende treu geblieben, wie un¬

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iſt Dein, ich ſterbe Dir treu, ſo ſehr der
Schein auch gegen mich ſprechen mag; mit
Dir verlohr ich alles, was mich an das Le¬
ben feſſelte. Ich ſterbe zufrieden, da man
mir verſichert, das Kind ſey geſund und
werde leben. Höre die alte Barbara, verzeih
ihr, leb wohl und vergiß mich nicht.«

Welch ein ſchmerzlicher und noch zu ſei¬
nem Troſte halb räzelhafter Brief! deſſen
Inhalt ihm erſt recht fühlbar ward, da ihn
die Kinder ſtockend und ſtammelnd vortru¬
gen und wiederholten.

Da haben Sie es nun! rief die Alte,
ohne abzuwarten, bis er ſich erholt hatte;
danken Sie dem Himmel, daß, nach dem
Verluſte eines ſo guten Mädchens, Ihnen
noch ein ſo vortreffliches Kind übrig bleibt.
Nichts wird Ihrem Schmerze gleichen, wenn
Sie vernehmen, wie das gute Mädchen Ih¬
nen bis ans Ende treu geblieben, wie un¬

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[145/0149] iſt Dein, ich ſterbe Dir treu, ſo ſehr der Schein auch gegen mich ſprechen mag; mit Dir verlohr ich alles, was mich an das Le¬ ben feſſelte. Ich ſterbe zufrieden, da man mir verſichert, das Kind ſey geſund und werde leben. Höre die alte Barbara, verzeih ihr, leb wohl und vergiß mich nicht.« Welch ein ſchmerzlicher und noch zu ſei¬ nem Troſte halb räzelhafter Brief! deſſen Inhalt ihm erſt recht fühlbar ward, da ihn die Kinder ſtockend und ſtammelnd vortru¬ gen und wiederholten. Da haben Sie es nun! rief die Alte, ohne abzuwarten, bis er ſich erholt hatte; danken Sie dem Himmel, daß, nach dem Verluſte eines ſo guten Mädchens, Ihnen noch ein ſo vortreffliches Kind übrig bleibt. Nichts wird Ihrem Schmerze gleichen, wenn Sie vernehmen, wie das gute Mädchen Ih¬ nen bis ans Ende treu geblieben, wie un¬ K

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/149>, abgerufen am 21.11.2024.