Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

etwas thun und hervorbringen soll; wenn es
aber gethan oder vollendet ist, so darf man
mit Aufmerksamkeit nur viele hören, und
man kann sich mit einiger Übung aus diesen
vielen Stimmen gar bald ein ganzes Urtheil
zusammen setzen, denn diejenigen, die uns
diese Mühe ersparen könnten, halten sich
meist stille genug.

Das sollten sie eben nicht, sagte Wil¬
helm, ich habe so oft gehört, daß Menschen,
die selbst über gute Werke schwiegen, doch
beklagten und bedauerten, daß geschwiegen
wird.

So wollen wir heute laut werden, rief
ein junger Mann, Sie müssen mit uns spei¬
sen, und wir wollen alles einholen, was wir
Ihnen und manchmal der guten Aurelie schul¬
dig geblieben sind.

Wilhelm lehnte die Einladung ab, und
begab sich zu Madame Melina, die er we¬

etwas thun und hervorbringen ſoll; wenn es
aber gethan oder vollendet iſt, ſo darf man
mit Aufmerkſamkeit nur viele hören, und
man kann ſich mit einiger Übung aus dieſen
vielen Stimmen gar bald ein ganzes Urtheil
zuſammen ſetzen, denn diejenigen, die uns
dieſe Mühe erſparen könnten, halten ſich
meiſt ſtille genug.

Das ſollten ſie eben nicht, ſagte Wil¬
helm, ich habe ſo oft gehört, daß Menſchen,
die ſelbſt über gute Werke ſchwiegen, doch
beklagten und bedauerten, daß geſchwiegen
wird.

So wollen wir heute laut werden, rief
ein junger Mann, Sie müſſen mit uns ſpei¬
ſen, und wir wollen alles einholen, was wir
Ihnen und manchmal der guten Aurelie ſchul¬
dig geblieben ſind.

Wilhelm lehnte die Einladung ab, und
begab ſich zu Madame Melina, die er we¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0179" n="175"/>
etwas thun und hervorbringen &#x017F;oll; wenn es<lb/>
aber gethan oder vollendet i&#x017F;t, &#x017F;o darf man<lb/>
mit Aufmerk&#x017F;amkeit nur viele hören, und<lb/>
man kann &#x017F;ich mit einiger Übung aus die&#x017F;en<lb/>
vielen Stimmen gar bald ein ganzes Urtheil<lb/>
zu&#x017F;ammen &#x017F;etzen, denn diejenigen, die uns<lb/>
die&#x017F;e Mühe er&#x017F;paren könnten, halten &#x017F;ich<lb/>
mei&#x017F;t &#x017F;tille genug.</p><lb/>
            <p>Das &#x017F;ollten &#x017F;ie eben nicht, &#x017F;agte Wil¬<lb/>
helm, ich habe &#x017F;o oft gehört, daß Men&#x017F;chen,<lb/>
die &#x017F;elb&#x017F;t über gute Werke &#x017F;chwiegen, doch<lb/>
beklagten und bedauerten, daß ge&#x017F;chwiegen<lb/>
wird.</p><lb/>
            <p>So wollen wir heute laut werden, rief<lb/>
ein junger Mann, Sie mü&#x017F;&#x017F;en mit uns &#x017F;pei¬<lb/>
&#x017F;en, und wir wollen alles einholen, was wir<lb/>
Ihnen und manchmal der guten Aurelie &#x017F;chul¬<lb/>
dig geblieben &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>Wilhelm lehnte die Einladung ab, und<lb/>
begab &#x017F;ich zu Madame Melina, die er we¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0179] etwas thun und hervorbringen ſoll; wenn es aber gethan oder vollendet iſt, ſo darf man mit Aufmerkſamkeit nur viele hören, und man kann ſich mit einiger Übung aus dieſen vielen Stimmen gar bald ein ganzes Urtheil zuſammen ſetzen, denn diejenigen, die uns dieſe Mühe erſparen könnten, halten ſich meiſt ſtille genug. Das ſollten ſie eben nicht, ſagte Wil¬ helm, ich habe ſo oft gehört, daß Menſchen, die ſelbſt über gute Werke ſchwiegen, doch beklagten und bedauerten, daß geſchwiegen wird. So wollen wir heute laut werden, rief ein junger Mann, Sie müſſen mit uns ſpei¬ ſen, und wir wollen alles einholen, was wir Ihnen und manchmal der guten Aurelie ſchul¬ dig geblieben ſind. Wilhelm lehnte die Einladung ab, und begab ſich zu Madame Melina, die er we¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/179
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/179>, abgerufen am 23.11.2024.