Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

und mich einer Entwicklung entgegenstürzen?
Du bist auf dem Wege zu ihr, und kannst
zaudern? Diesen Abend sollst du sie sehen,
und willst dich freywillig ins Gefängniß ein¬
sperren? Es ist ihre Hand, ja sie ists! diese
Hand beruft dich, ihr Wagen ist angespannt,
dich zu ihr zu führen, nun lößt sich das
Rätzel: Lothario hat zwey Schwestern. Er
weiß mein Verhältniß zu der einen; wie
viel ich der andern schuldig bin, ist ihm un¬
bekannt. Auch sie weiß nicht, daß der ver¬
wundete Vagabund, der ihr, wo nicht sein
Leben, doch seine Gesundheit verdankt, in
dem Hause ihres Bruders so unverdient gü¬
tig aufgenommen worden ist.

Felix, der sich unten im Wagen schau¬
kelte, rief: Vater komm! o komm! sieh die
schönen Wolken, die schönen Farben! ja ich
komme, rief Wilhelm, indem er die Treppe
hinunter sprang, und alle Erscheinungen des

und mich einer Entwicklung entgegenſtürzen?
Du biſt auf dem Wege zu ihr, und kannſt
zaudern? Dieſen Abend ſollſt du ſie ſehen,
und willſt dich freywillig ins Gefängniß ein¬
ſperren? Es iſt ihre Hand, ja ſie iſts! dieſe
Hand beruft dich, ihr Wagen iſt angeſpannt,
dich zu ihr zu führen, nun lößt ſich das
Rätzel: Lothario hat zwey Schweſtern. Er
weiß mein Verhältniß zu der einen; wie
viel ich der andern ſchuldig bin, iſt ihm un¬
bekannt. Auch ſie weiß nicht, daß der ver¬
wundete Vagabund, der ihr, wo nicht ſein
Leben, doch ſeine Geſundheit verdankt, in
dem Hauſe ihres Bruders ſo unverdient gü¬
tig aufgenommen worden iſt.

Felix, der ſich unten im Wagen ſchau¬
kelte, rief: Vater komm! o komm! ſieh die
ſchönen Wolken, die ſchönen Farben! ja ich
komme, rief Wilhelm, indem er die Treppe
hinunter ſprang, und alle Erſcheinungen des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0252" n="248"/>
            <p>und mich einer Entwicklung entgegen&#x017F;türzen?<lb/>
Du bi&#x017F;t auf dem Wege zu ihr, und kann&#x017F;t<lb/>
zaudern? Die&#x017F;en Abend &#x017F;oll&#x017F;t du &#x017F;ie &#x017F;ehen,<lb/>
und will&#x017F;t dich freywillig ins Gefängniß ein¬<lb/>
&#x017F;perren? Es i&#x017F;t ihre Hand, ja &#x017F;ie i&#x017F;ts! die&#x017F;e<lb/>
Hand beruft dich, ihr Wagen i&#x017F;t ange&#x017F;pannt,<lb/>
dich zu ihr zu führen, nun lößt &#x017F;ich das<lb/>
Rätzel: Lothario hat zwey Schwe&#x017F;tern. Er<lb/>
weiß mein Verhältniß zu der einen; wie<lb/>
viel ich der andern &#x017F;chuldig bin, i&#x017F;t ihm un¬<lb/>
bekannt. Auch &#x017F;ie weiß nicht, daß der ver¬<lb/>
wundete Vagabund, der ihr, wo nicht &#x017F;ein<lb/>
Leben, doch &#x017F;eine Ge&#x017F;undheit verdankt, in<lb/>
dem Hau&#x017F;e ihres Bruders &#x017F;o unverdient gü¬<lb/>
tig aufgenommen worden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Felix, der &#x017F;ich unten im Wagen &#x017F;chau¬<lb/>
kelte, rief: Vater komm! o komm! &#x017F;ieh die<lb/>
&#x017F;chönen Wolken, die &#x017F;chönen Farben! ja ich<lb/>
komme, rief Wilhelm, indem er die Treppe<lb/>
hinunter &#x017F;prang, und alle Er&#x017F;cheinungen des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0252] und mich einer Entwicklung entgegenſtürzen? Du biſt auf dem Wege zu ihr, und kannſt zaudern? Dieſen Abend ſollſt du ſie ſehen, und willſt dich freywillig ins Gefängniß ein¬ ſperren? Es iſt ihre Hand, ja ſie iſts! dieſe Hand beruft dich, ihr Wagen iſt angeſpannt, dich zu ihr zu führen, nun lößt ſich das Rätzel: Lothario hat zwey Schweſtern. Er weiß mein Verhältniß zu der einen; wie viel ich der andern ſchuldig bin, iſt ihm un¬ bekannt. Auch ſie weiß nicht, daß der ver¬ wundete Vagabund, der ihr, wo nicht ſein Leben, doch ſeine Geſundheit verdankt, in dem Hauſe ihres Bruders ſo unverdient gü¬ tig aufgenommen worden iſt. Felix, der ſich unten im Wagen ſchau¬ kelte, rief: Vater komm! o komm! ſieh die ſchönen Wolken, die ſchönen Farben! ja ich komme, rief Wilhelm, indem er die Treppe hinunter ſprang, und alle Erſcheinungen des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/252
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/252>, abgerufen am 16.07.2024.