eiliger mit sich fort, und scherzten Nachts in der Herberge, da sie glaubten das Kind schlafe schon, über den guten Fang, und be¬ theuerten, daß es den Weg zurück nicht wie¬ der finden sollte. Da überfiel das arme Ge¬ schöpf eine gräßliche Verzweiflung, in der ihm zuletzt die Mutter Gottes erschien, und ihm versicherte, daß sie sich seiner annehmen wolle. Es schwur darauf bey sich selbst ei¬ nen heiligen Eid, daß sie künftig niemand mehr vertrauen, niemand ihre Geschichte er¬ zählen und in der Hoffnung einer unmittel¬ baren göttlichen Hülfe leben und sterben wolle. Selbst dieses, was ich Ihnen hier erzähle, hat sie Natalien nicht ausdrücklich vertraut; unsere werthe Freundin hat es aus einzelnen Äusserungen, aus Liedern und kind¬ lichen Unbesonnenheiten, die gerade das ver¬ rathen, was sie verschweigen wollen, zusam¬ men gebaut.
eiliger mit ſich fort, und ſcherzten Nachts in der Herberge, da ſie glaubten das Kind ſchlafe ſchon, über den guten Fang, und be¬ theuerten, daß es den Weg zurück nicht wie¬ der finden ſollte. Da überfiel das arme Ge¬ ſchöpf eine gräßliche Verzweiflung, in der ihm zuletzt die Mutter Gottes erſchien, und ihm verſicherte, daß ſie ſich ſeiner annehmen wolle. Es ſchwur darauf bey ſich ſelbſt ei¬ nen heiligen Eid, daß ſie künftig niemand mehr vertrauen, niemand ihre Geſchichte er¬ zählen und in der Hoffnung einer unmittel¬ baren göttlichen Hülfe leben und ſterben wolle. Selbſt dieſes, was ich Ihnen hier erzähle, hat ſie Natalien nicht ausdrücklich vertraut; unſere werthe Freundin hat es aus einzelnen Äuſſerungen, aus Liedern und kind¬ lichen Unbeſonnenheiten, die gerade das ver¬ rathen, was ſie verſchweigen wollen, zuſam¬ men gebaut.
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eiliger mit ſich fort, und ſcherzten Nachts
in der Herberge, da ſie glaubten das Kind
ſchlafe ſchon, über den guten Fang, und be¬
theuerten, daß es den Weg zurück nicht wie¬
der finden ſollte. Da überfiel das arme Ge¬
ſchöpf eine gräßliche Verzweiflung, in der
ihm zuletzt die Mutter Gottes erſchien, und
ihm verſicherte, daß ſie ſich ſeiner annehmen
wolle. Es ſchwur darauf bey ſich ſelbſt ei¬
nen heiligen Eid, daß ſie künftig niemand
mehr vertrauen, niemand ihre Geſchichte er¬
zählen und in der Hoffnung einer unmittel¬
baren göttlichen Hülfe leben und ſterben
wolle. Selbſt dieſes, was ich Ihnen hier
erzähle, hat ſie Natalien nicht ausdrücklich
vertraut; unſere werthe Freundin hat es aus
einzelnen Äuſſerungen, aus Liedern und kind¬
lichen Unbeſonnenheiten, die gerade das ver¬
rathen, was ſie verſchweigen wollen, zuſam¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/281>, abgerufen am 22.11.2024.
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