sich nicht zu helfen, sie hörte die Harfe des Alten, eilte zu ihm unter das Dach, und brachte die Nacht zu seinen Füßen unter entsetzlichen Zuckungen hin.
Der Arzt hielt einen Augenblick inne, und da Wilhelm stille schwieg, fuhr er fort: Natalie hat mir versichert, es habe sie in ihrem Leben nichts so erschreckt und ange¬ griffen, als der Zustand des Kindes bey die¬ ser Erzählung; ja unsere edle Freundin machte sich Vorwürfe, daß sie durch ihre Fragen und Anleitungen diese Bekenntnisse hervorgelockt, und durch die Erinnerung die lebhaften Schmerzen des guten Mädchens so grausam erneuert habe.
Das gute Geschöpf, so erzählte mir Na¬ talie, war kaum auf diesem Punkte seiner Erzählung, oder vielmehr seiner Antworten auf meine steigenden Fragen, als es auf einmal vor mir niederstürzte, und, mit der
ſich nicht zu helfen, ſie hörte die Harfe des Alten, eilte zu ihm unter das Dach, und brachte die Nacht zu ſeinen Füßen unter entſetzlichen Zuckungen hin.
Der Arzt hielt einen Augenblick inne, und da Wilhelm ſtille ſchwieg, fuhr er fort: Natalie hat mir verſichert, es habe ſie in ihrem Leben nichts ſo erſchreckt und ange¬ griffen, als der Zuſtand des Kindes bey die¬ ſer Erzählung; ja unſere edle Freundin machte ſich Vorwürfe, daß ſie durch ihre Fragen und Anleitungen dieſe Bekenntniſſe hervorgelockt, und durch die Erinnerung die lebhaften Schmerzen des guten Mädchens ſo grauſam erneuert habe.
Das gute Geſchöpf, ſo erzählte mir Na¬ talie, war kaum auf dieſem Punkte ſeiner Erzählung, oder vielmehr ſeiner Antworten auf meine ſteigenden Fragen, als es auf einmal vor mir niederſtürzte, und, mit der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0286"n="282"/>ſich nicht zu helfen, ſie hörte die Harfe des<lb/>
Alten, eilte zu ihm unter das Dach, und<lb/>
brachte die Nacht zu ſeinen Füßen unter<lb/>
entſetzlichen Zuckungen hin.</p><lb/><p>Der Arzt hielt einen Augenblick inne,<lb/>
und da Wilhelm ſtille ſchwieg, fuhr er fort:<lb/>
Natalie hat mir verſichert, es habe ſie in<lb/>
ihrem Leben nichts ſo erſchreckt und ange¬<lb/>
griffen, als der Zuſtand des Kindes bey die¬<lb/>ſer Erzählung; ja unſere edle Freundin<lb/>
machte ſich Vorwürfe, daß ſie durch ihre<lb/>
Fragen und Anleitungen dieſe Bekenntniſſe<lb/>
hervorgelockt, und durch die Erinnerung die<lb/>
lebhaften Schmerzen des guten Mädchens<lb/>ſo grauſam erneuert habe.</p><lb/><p>Das gute Geſchöpf, ſo erzählte mir Na¬<lb/>
talie, war kaum auf dieſem Punkte ſeiner<lb/>
Erzählung, oder vielmehr ſeiner Antworten<lb/>
auf meine ſteigenden Fragen, als es auf<lb/>
einmal vor mir niederſtürzte, und, mit der<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[282/0286]
ſich nicht zu helfen, ſie hörte die Harfe des
Alten, eilte zu ihm unter das Dach, und
brachte die Nacht zu ſeinen Füßen unter
entſetzlichen Zuckungen hin.
Der Arzt hielt einen Augenblick inne,
und da Wilhelm ſtille ſchwieg, fuhr er fort:
Natalie hat mir verſichert, es habe ſie in
ihrem Leben nichts ſo erſchreckt und ange¬
griffen, als der Zuſtand des Kindes bey die¬
ſer Erzählung; ja unſere edle Freundin
machte ſich Vorwürfe, daß ſie durch ihre
Fragen und Anleitungen dieſe Bekenntniſſe
hervorgelockt, und durch die Erinnerung die
lebhaften Schmerzen des guten Mädchens
ſo grauſam erneuert habe.
Das gute Geſchöpf, ſo erzählte mir Na¬
talie, war kaum auf dieſem Punkte ſeiner
Erzählung, oder vielmehr ſeiner Antworten
auf meine ſteigenden Fragen, als es auf
einmal vor mir niederſtürzte, und, mit der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/286>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.