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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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sah sie beyde mit großen Augen, mit einen
Ausdruck der Überraschung, ja des Entsetzens
an, den man auf seinem Gesichte nicht ge¬
wohnt war. Er sagte kein Wort.

Wilhelm und Natalie waren nicht wenig
betroffen, Jarno ging in der Stube auf und
ab. Was soll ich sagen? rief er aus, oder
soll ich's sagen? Es kann kein Geheimniß
bleiben, die Verwirrung ist nicht zu vermei¬
den. Also denn Geheimniß gegen Geheim¬
niß! Überraschung gegen Überraschung! The¬
rese ist nicht die Tochter ihrer Mutter! das
Hinderniß ist gehoben, ich komme hierher sie
zu bitten, das edle Mädchen zu einer Ver¬
bindung mit Lothario vorzubereiten.

Jarno sah die Bestürzung der beyden
Freunde, welche die Augen zur Erde nieder¬
schlugen. Dieser Fall ist einer von denen,
sagte er, die sich in Gesellschaft am schlech¬
testen ertragen lassen. Was jedes dabey zu

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ſah ſie beyde mit großen Augen, mit einen
Ausdruck der Überraſchung, ja des Entſetzens
an, den man auf ſeinem Geſichte nicht ge¬
wohnt war. Er ſagte kein Wort.

Wilhelm und Natalie waren nicht wenig
betroffen, Jarno ging in der Stube auf und
ab. Was ſoll ich ſagen? rief er aus, oder
ſoll ich’s ſagen? Es kann kein Geheimniß
bleiben, die Verwirrung iſt nicht zu vermei¬
den. Alſo denn Geheimniß gegen Geheim¬
niß! Überraſchung gegen Überraſchung! The¬
reſe iſt nicht die Tochter ihrer Mutter! das
Hinderniß iſt gehoben, ich komme hierher ſie
zu bitten, das edle Mädchen zu einer Ver¬
bindung mit Lothario vorzubereiten.

Jarno ſah die Beſtürzung der beyden
Freunde, welche die Augen zur Erde nieder¬
ſchlugen. Dieſer Fall iſt einer von denen,
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[307/0311] ſah ſie beyde mit großen Augen, mit einen Ausdruck der Überraſchung, ja des Entſetzens an, den man auf ſeinem Geſichte nicht ge¬ wohnt war. Er ſagte kein Wort. Wilhelm und Natalie waren nicht wenig betroffen, Jarno ging in der Stube auf und ab. Was ſoll ich ſagen? rief er aus, oder ſoll ich’s ſagen? Es kann kein Geheimniß bleiben, die Verwirrung iſt nicht zu vermei¬ den. Alſo denn Geheimniß gegen Geheim¬ niß! Überraſchung gegen Überraſchung! The¬ reſe iſt nicht die Tochter ihrer Mutter! das Hinderniß iſt gehoben, ich komme hierher ſie zu bitten, das edle Mädchen zu einer Ver¬ bindung mit Lothario vorzubereiten. Jarno ſah die Beſtürzung der beyden Freunde, welche die Augen zur Erde nieder¬ ſchlugen. Dieſer Fall iſt einer von denen, ſagte er, die ſich in Geſellſchaft am ſchlech¬ teſten ertragen laſſen. Was jedes dabey zu U 2

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/311>, abgerufen am 17.06.2024.