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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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sonderbarste Geschick meine ausgestreckte Hand
nieder, Therese reicht mir die ihrige von
ferne, wie im Traume, ich kann sie nicht
fassen, und das schöne Bild verläßt mich
auf ewig. So lebe denn wohl du schönes
Bild! und ihr Bilder der reichsten Glück¬
seligkeit, die ihr euch darum her versam¬
meltet!

Er schwieg einen Augenblick still, sah vor
sich hin, und Jarno wollte reden. Lassen
Sie mich noch etwas sagen, fiel Wilhelm
ihm ein, denn um mein ganzes Geschick wird
ja doch diesmal das Loos geworfen. In die¬
sem Augenblick kommt mir der Eindruck zu
Hülfe, den Lothario's Gegenwart, beym er¬
sten Anblick, mir einprägte, und der mir
beständig geblieben ist. Dieser Mann ver¬
dient jede Art von Neigung und Freund¬
schaft, und ohne Aufopferung läßt sich keine
Freundschaft denken. Um seinetwillen war

ſonderbarſte Geſchick meine ausgeſtreckte Hand
nieder, Thereſe reicht mir die ihrige von
ferne, wie im Traume, ich kann ſie nicht
faſſen, und das ſchöne Bild verläßt mich
auf ewig. So lebe denn wohl du ſchönes
Bild! und ihr Bilder der reichſten Glück¬
ſeligkeit, die ihr euch darum her verſam¬
meltet!

Er ſchwieg einen Augenblick ſtill, ſah vor
ſich hin, und Jarno wollte reden. Laſſen
Sie mich noch etwas ſagen, fiel Wilhelm
ihm ein, denn um mein ganzes Geſchick wird
ja doch diesmal das Loos geworfen. In die¬
ſem Augenblick kommt mir der Eindruck zu
Hülfe, den Lothario’s Gegenwart, beym er¬
ſten Anblick, mir einprägte, und der mir
beſtändig geblieben iſt. Dieſer Mann ver¬
dient jede Art von Neigung und Freund¬
ſchaft, und ohne Aufopferung läßt ſich keine
Freundſchaft denken. Um ſeinetwillen war

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[309/0313] ſonderbarſte Geſchick meine ausgeſtreckte Hand nieder, Thereſe reicht mir die ihrige von ferne, wie im Traume, ich kann ſie nicht faſſen, und das ſchöne Bild verläßt mich auf ewig. So lebe denn wohl du ſchönes Bild! und ihr Bilder der reichſten Glück¬ ſeligkeit, die ihr euch darum her verſam¬ meltet! Er ſchwieg einen Augenblick ſtill, ſah vor ſich hin, und Jarno wollte reden. Laſſen Sie mich noch etwas ſagen, fiel Wilhelm ihm ein, denn um mein ganzes Geſchick wird ja doch diesmal das Loos geworfen. In die¬ ſem Augenblick kommt mir der Eindruck zu Hülfe, den Lothario’s Gegenwart, beym er¬ ſten Anblick, mir einprägte, und der mir beſtändig geblieben iſt. Dieſer Mann ver¬ dient jede Art von Neigung und Freund¬ ſchaft, und ohne Aufopferung läßt ſich keine Freundſchaft denken. Um ſeinetwillen war

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/313>, abgerufen am 22.11.2024.