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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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es mir leicht ein unglückliches Mädchen zu
bethören, um seinetwillen soll mir möglich
werden der würdigsten Braut zu entsagen.
Gehen Sie hin, erzählen Sie ihm die son¬
derbare Geschichte, und sagen Sie ihm wozu
ich bereit bin.

Jarno versetzte hierauf: in solchen Fällen,
halte ich dafür, ist schon alles gethan, wenn
man sich nur nicht übereilt. Lassen Sie uns
keinen Schritt ohne Lothario's Einwilligung
thun! Ich will zu ihm, erwarten Sie meine
Zurückkunft oder seine Briefe ruhig.

Er ritt weg, und hinterließ die beyden
Freunde in der größten Wehmuth. Sie hat¬
ten Zeit sich diese Begebenheit auf mehr als
Eine Weise zu wiederholen, und ihre Be¬
merkungen darüber zu machen. Nun fiel es
ihnen erst auf, daß sie diese wunderbare Er¬
klärung so gerade von Jarno angenommen,
und sich nicht um die nähern Umstände er¬

es mir leicht ein unglückliches Mädchen zu
bethören, um ſeinetwillen ſoll mir möglich
werden der würdigſten Braut zu entſagen.
Gehen Sie hin, erzählen Sie ihm die ſon¬
derbare Geſchichte, und ſagen Sie ihm wozu
ich bereit bin.

Jarno verſetzte hierauf: in ſolchen Fällen,
halte ich dafür, iſt ſchon alles gethan, wenn
man ſich nur nicht übereilt. Laſſen Sie uns
keinen Schritt ohne Lothario’s Einwilligung
thun! Ich will zu ihm, erwarten Sie meine
Zurückkunft oder ſeine Briefe ruhig.

Er ritt weg, und hinterließ die beyden
Freunde in der größten Wehmuth. Sie hat¬
ten Zeit ſich dieſe Begebenheit auf mehr als
Eine Weiſe zu wiederholen, und ihre Be¬
merkungen darüber zu machen. Nun fiel es
ihnen erſt auf, daß ſie dieſe wunderbare Er¬
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[310/0314] es mir leicht ein unglückliches Mädchen zu bethören, um ſeinetwillen ſoll mir möglich werden der würdigſten Braut zu entſagen. Gehen Sie hin, erzählen Sie ihm die ſon¬ derbare Geſchichte, und ſagen Sie ihm wozu ich bereit bin. Jarno verſetzte hierauf: in ſolchen Fällen, halte ich dafür, iſt ſchon alles gethan, wenn man ſich nur nicht übereilt. Laſſen Sie uns keinen Schritt ohne Lothario’s Einwilligung thun! Ich will zu ihm, erwarten Sie meine Zurückkunft oder ſeine Briefe ruhig. Er ritt weg, und hinterließ die beyden Freunde in der größten Wehmuth. Sie hat¬ ten Zeit ſich dieſe Begebenheit auf mehr als Eine Weiſe zu wiederholen, und ihre Be¬ merkungen darüber zu machen. Nun fiel es ihnen erſt auf, daß ſie dieſe wunderbare Er¬ klärung ſo gerade von Jarno angenommen, und ſich nicht um die nähern Umſtände er¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/314>, abgerufen am 22.11.2024.