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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Man hatte sich von dieser Verwirrung,
von dieser Art von Bestürzung kaum erholt,
als Therese hereintrat. Sie flog auf Nata¬
lien zu, umarmte sie und das gute Kind.
Dann wendete sie sich zu Wilhelmen, sah
ihn mit ihren klaren Augen an, und sagte:
nun, mein Freund, wie steht es, Sie haben
sich doch nicht irre machen lassen? Er that
einen Schritt gegen sie, sie sprang auf ihn
loß und hing an seinem Halse. O meine
Therese! rief er aus.

Mein Freund! mein Geliebter! mein
Gatte! ja auf ewig die Deine, rief sie unter
den lebhaftesten Küssen.

Felix zog sie am Rocke und rief: Mutter
Therese, ich bin auch da! Natalie stand
und sah vor sich hin, Mignon fuhr auf ein¬
mal mit der linken Hand nach dem Herzen,
und indem sie den rechten Arm heftig aus¬
streckte, fiel sie mit einem Schrey zu Nata¬
liens Füßen für todt nieder.

Man hatte ſich von dieſer Verwirrung,
von dieſer Art von Beſtürzung kaum erholt,
als Thereſe hereintrat. Sie flog auf Nata¬
lien zu, umarmte ſie und das gute Kind.
Dann wendete ſie ſich zu Wilhelmen, ſah
ihn mit ihren klaren Augen an, und ſagte:
nun, mein Freund, wie ſteht es, Sie haben
ſich doch nicht irre machen laſſen? Er that
einen Schritt gegen ſie, ſie ſprang auf ihn
loß und hing an ſeinem Halſe. O meine
Thereſe! rief er aus.

Mein Freund! mein Geliebter! mein
Gatte! ja auf ewig die Deine, rief ſie unter
den lebhafteſten Küſſen.

Felix zog ſie am Rocke und rief: Mutter
Thereſe, ich bin auch da! Natalie ſtand
und ſah vor ſich hin, Mignon fuhr auf ein¬
mal mit der linken Hand nach dem Herzen,
und indem ſie den rechten Arm heftig aus¬
ſtreckte, fiel ſie mit einem Schrey zu Nata¬
liens Füßen für todt nieder.

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[333/0337] Man hatte ſich von dieſer Verwirrung, von dieſer Art von Beſtürzung kaum erholt, als Thereſe hereintrat. Sie flog auf Nata¬ lien zu, umarmte ſie und das gute Kind. Dann wendete ſie ſich zu Wilhelmen, ſah ihn mit ihren klaren Augen an, und ſagte: nun, mein Freund, wie ſteht es, Sie haben ſich doch nicht irre machen laſſen? Er that einen Schritt gegen ſie, ſie ſprang auf ihn loß und hing an ſeinem Halſe. O meine Thereſe! rief er aus. Mein Freund! mein Geliebter! mein Gatte! ja auf ewig die Deine, rief ſie unter den lebhafteſten Küſſen. Felix zog ſie am Rocke und rief: Mutter Thereſe, ich bin auch da! Natalie ſtand und ſah vor ſich hin, Mignon fuhr auf ein¬ mal mit der linken Hand nach dem Herzen, und indem ſie den rechten Arm heftig aus¬ ſtreckte, fiel ſie mit einem Schrey zu Nata¬ liens Füßen für todt nieder.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/337>, abgerufen am 17.06.2024.