Man hatte sich von dieser Verwirrung, von dieser Art von Bestürzung kaum erholt, als Therese hereintrat. Sie flog auf Nata¬ lien zu, umarmte sie und das gute Kind. Dann wendete sie sich zu Wilhelmen, sah ihn mit ihren klaren Augen an, und sagte: nun, mein Freund, wie steht es, Sie haben sich doch nicht irre machen lassen? Er that einen Schritt gegen sie, sie sprang auf ihn loß und hing an seinem Halse. O meine Therese! rief er aus.
Mein Freund! mein Geliebter! mein Gatte! ja auf ewig die Deine, rief sie unter den lebhaftesten Küssen.
Felix zog sie am Rocke und rief: Mutter Therese, ich bin auch da! Natalie stand und sah vor sich hin, Mignon fuhr auf ein¬ mal mit der linken Hand nach dem Herzen, und indem sie den rechten Arm heftig aus¬ streckte, fiel sie mit einem Schrey zu Nata¬ liens Füßen für todt nieder.
Man hatte ſich von dieſer Verwirrung, von dieſer Art von Beſtürzung kaum erholt, als Thereſe hereintrat. Sie flog auf Nata¬ lien zu, umarmte ſie und das gute Kind. Dann wendete ſie ſich zu Wilhelmen, ſah ihn mit ihren klaren Augen an, und ſagte: nun, mein Freund, wie ſteht es, Sie haben ſich doch nicht irre machen laſſen? Er that einen Schritt gegen ſie, ſie ſprang auf ihn loß und hing an ſeinem Halſe. O meine Thereſe! rief er aus.
Mein Freund! mein Geliebter! mein Gatte! ja auf ewig die Deine, rief ſie unter den lebhafteſten Küſſen.
Felix zog ſie am Rocke und rief: Mutter Thereſe, ich bin auch da! Natalie ſtand und ſah vor ſich hin, Mignon fuhr auf ein¬ mal mit der linken Hand nach dem Herzen, und indem ſie den rechten Arm heftig aus¬ ſtreckte, fiel ſie mit einem Schrey zu Nata¬ liens Füßen für todt nieder.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0337"n="333"/><p>Man hatte ſich von dieſer Verwirrung,<lb/>
von dieſer Art von Beſtürzung kaum erholt,<lb/>
als Thereſe hereintrat. Sie flog auf Nata¬<lb/>
lien zu, umarmte ſie und das gute Kind.<lb/>
Dann wendete ſie ſich zu Wilhelmen, ſah<lb/>
ihn mit ihren klaren Augen an, und ſagte:<lb/>
nun, mein Freund, wie ſteht es, Sie haben<lb/>ſich doch nicht irre machen laſſen? Er that<lb/>
einen Schritt gegen ſie, ſie ſprang auf ihn<lb/>
loß und hing an ſeinem Halſe. O meine<lb/>
Thereſe! rief er aus.</p><lb/><p>Mein Freund! mein Geliebter! mein<lb/>
Gatte! ja auf ewig die Deine, rief ſie unter<lb/>
den lebhafteſten Küſſen.</p><lb/><p>Felix zog ſie am Rocke und rief: Mutter<lb/>
Thereſe, ich bin auch da! Natalie ſtand<lb/>
und ſah vor ſich hin, Mignon fuhr auf ein¬<lb/>
mal mit der linken Hand nach dem Herzen,<lb/>
und indem ſie den rechten Arm heftig aus¬<lb/>ſtreckte, fiel ſie mit einem Schrey zu Nata¬<lb/>
liens Füßen für todt nieder.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[333/0337]
Man hatte ſich von dieſer Verwirrung,
von dieſer Art von Beſtürzung kaum erholt,
als Thereſe hereintrat. Sie flog auf Nata¬
lien zu, umarmte ſie und das gute Kind.
Dann wendete ſie ſich zu Wilhelmen, ſah
ihn mit ihren klaren Augen an, und ſagte:
nun, mein Freund, wie ſteht es, Sie haben
ſich doch nicht irre machen laſſen? Er that
einen Schritt gegen ſie, ſie ſprang auf ihn
loß und hing an ſeinem Halſe. O meine
Thereſe! rief er aus.
Mein Freund! mein Geliebter! mein
Gatte! ja auf ewig die Deine, rief ſie unter
den lebhafteſten Küſſen.
Felix zog ſie am Rocke und rief: Mutter
Thereſe, ich bin auch da! Natalie ſtand
und ſah vor ſich hin, Mignon fuhr auf ein¬
mal mit der linken Hand nach dem Herzen,
und indem ſie den rechten Arm heftig aus¬
ſtreckte, fiel ſie mit einem Schrey zu Nata¬
liens Füßen für todt nieder.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/337>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.