bens, in welchen die Begebenheiten, gleich geflügelten Weberschiffchen, vor uns sich hin und wieder bewegen, und unaufhaltsam ein Gewebe vollenden, das wir mehr oder we¬ niger selbst gesponnen und angelegt haben. Mein Freund, sagte Therese! mein Gelieb¬ ter, indem sie das Stillschweigen unterbrach, und ihn bey der Hand nahm, laß uns die¬ sen Augenblick fest zusammenhalten, wie wir noch öfters, vielleicht in ähnlichen Fällen, werden zu thun haben. Dieß sind die Er¬ eignisse, welche zu ertragen man zu zwey in der Welt seyn muß. Bedenke, mein Freund, fühle! daß Du nicht allein bist, zeige, daß Du Deine Therese liebst zuerst dadurch, daß Du Deine Schmerzen ihr mittheilst. Sie umarmte ihn und schloß ihn sanft an ihren Busen, er faßte sie in seine Arme, und drückte sie mit Heftigkeit an sich. Das arme Kind, rief er aus, suchte in traurigen Au¬
bens, in welchen die Begebenheiten, gleich geflügelten Weberſchiffchen, vor uns ſich hin und wieder bewegen, und unaufhaltſam ein Gewebe vollenden, das wir mehr oder we¬ niger ſelbſt geſponnen und angelegt haben. Mein Freund, ſagte Thereſe! mein Gelieb¬ ter, indem ſie das Stillſchweigen unterbrach, und ihn bey der Hand nahm, laß uns die¬ ſen Augenblick feſt zuſammenhalten, wie wir noch öfters, vielleicht in ähnlichen Fällen, werden zu thun haben. Dieß ſind die Er¬ eigniſſe, welche zu ertragen man zu zwey in der Welt ſeyn muß. Bedenke, mein Freund, fühle! daß Du nicht allein biſt, zeige, daß Du Deine Thereſe liebſt zuerſt dadurch, daß Du Deine Schmerzen ihr mittheilſt. Sie umarmte ihn und ſchloß ihn ſanft an ihren Buſen, er faßte ſie in ſeine Arme, und drückte ſie mit Heftigkeit an ſich. Das arme Kind, rief er aus, ſuchte in traurigen Au¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0339"n="335"/>
bens, in welchen die Begebenheiten, gleich<lb/>
geflügelten Weberſchiffchen, vor uns ſich hin<lb/>
und wieder bewegen, und unaufhaltſam ein<lb/>
Gewebe vollenden, das wir mehr oder we¬<lb/>
niger ſelbſt geſponnen und angelegt haben.<lb/>
Mein Freund, ſagte Thereſe! mein Gelieb¬<lb/>
ter, indem ſie das Stillſchweigen unterbrach,<lb/>
und ihn bey der Hand nahm, laß uns die¬<lb/>ſen Augenblick feſt zuſammenhalten, wie wir<lb/>
noch öfters, vielleicht in ähnlichen Fällen,<lb/>
werden zu thun haben. Dieß ſind die Er¬<lb/>
eigniſſe, welche zu ertragen man zu zwey in<lb/>
der Welt ſeyn muß. Bedenke, mein Freund,<lb/>
fühle! daß Du nicht allein biſt, zeige, daß<lb/>
Du Deine Thereſe liebſt zuerſt dadurch, daß<lb/>
Du Deine Schmerzen ihr mittheilſt. Sie<lb/>
umarmte ihn und ſchloß ihn ſanft an ihren<lb/>
Buſen, er faßte ſie in ſeine Arme, und<lb/>
drückte ſie mit Heftigkeit an ſich. Das arme<lb/>
Kind, rief er aus, ſuchte in traurigen Au¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[335/0339]
bens, in welchen die Begebenheiten, gleich
geflügelten Weberſchiffchen, vor uns ſich hin
und wieder bewegen, und unaufhaltſam ein
Gewebe vollenden, das wir mehr oder we¬
niger ſelbſt geſponnen und angelegt haben.
Mein Freund, ſagte Thereſe! mein Gelieb¬
ter, indem ſie das Stillſchweigen unterbrach,
und ihn bey der Hand nahm, laß uns die¬
ſen Augenblick feſt zuſammenhalten, wie wir
noch öfters, vielleicht in ähnlichen Fällen,
werden zu thun haben. Dieß ſind die Er¬
eigniſſe, welche zu ertragen man zu zwey in
der Welt ſeyn muß. Bedenke, mein Freund,
fühle! daß Du nicht allein biſt, zeige, daß
Du Deine Thereſe liebſt zuerſt dadurch, daß
Du Deine Schmerzen ihr mittheilſt. Sie
umarmte ihn und ſchloß ihn ſanft an ihren
Buſen, er faßte ſie in ſeine Arme, und
drückte ſie mit Heftigkeit an ſich. Das arme
Kind, rief er aus, ſuchte in traurigen Au¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/339>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.