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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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genblicken Schutz und Zuflucht an meinem
unsichern Busen, laß die Sicherheit des Dei¬
nigen mir in dieser schrecklichen Stunde zu
gute kommen. Sie hielten sich fest umschlos¬
sen, er fühlte ihr Herz an seinem Busen
schlagen, aber in seinem Geiste war es öde
und leer, nur die Bilder Mignons und Na¬
taliens schwebten wie Schatten vor seiner
Einbildungskraft.

Natalie trat herein. Gieb uns Deinen
Seegen! rief Therese, laß uns in diesem
traurigen Augenblicke vor Dir verbunden
seyn. Wilhelm hatte sein Gesicht an There¬
sens Halse verborgen, er war glücklich ge¬
nug weinen zu können. Er hörte Natalien
nicht kommen, er sah sie nicht, nur bey dem
Klang ihrer Stimme verdoppelten sich seine
Thränen. Was Gott zusammenfügt, will
ich nicht scheiden, sagte Natalie lächelnd,
aber verbinden kann ich euch nicht, und

kann

genblicken Schutz und Zuflucht an meinem
unſichern Buſen, laß die Sicherheit des Dei¬
nigen mir in dieſer ſchrecklichen Stunde zu
gute kommen. Sie hielten ſich feſt umſchloſ¬
ſen, er fühlte ihr Herz an ſeinem Buſen
ſchlagen, aber in ſeinem Geiſte war es öde
und leer, nur die Bilder Mignons und Na¬
taliens ſchwebten wie Schatten vor ſeiner
Einbildungskraft.

Natalie trat herein. Gieb uns Deinen
Seegen! rief Thereſe, laß uns in dieſem
traurigen Augenblicke vor Dir verbunden
ſeyn. Wilhelm hatte ſein Geſicht an There¬
ſens Halſe verborgen, er war glücklich ge¬
nug weinen zu können. Er hörte Natalien
nicht kommen, er ſah ſie nicht, nur bey dem
Klang ihrer Stimme verdoppelten ſich ſeine
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[336/0340] genblicken Schutz und Zuflucht an meinem unſichern Buſen, laß die Sicherheit des Dei¬ nigen mir in dieſer ſchrecklichen Stunde zu gute kommen. Sie hielten ſich feſt umſchloſ¬ ſen, er fühlte ihr Herz an ſeinem Buſen ſchlagen, aber in ſeinem Geiſte war es öde und leer, nur die Bilder Mignons und Na¬ taliens ſchwebten wie Schatten vor ſeiner Einbildungskraft. Natalie trat herein. Gieb uns Deinen Seegen! rief Thereſe, laß uns in dieſem traurigen Augenblicke vor Dir verbunden ſeyn. Wilhelm hatte ſein Geſicht an There¬ ſens Halſe verborgen, er war glücklich ge¬ nug weinen zu können. Er hörte Natalien nicht kommen, er ſah ſie nicht, nur bey dem Klang ihrer Stimme verdoppelten ſich ſeine Thränen. Was Gott zuſammenfügt, will ich nicht ſcheiden, ſagte Natalie lächelnd, aber verbinden kann ich euch nicht, und kann

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/340>, abgerufen am 17.06.2024.