genblicken Schutz und Zuflucht an meinem unsichern Busen, laß die Sicherheit des Dei¬ nigen mir in dieser schrecklichen Stunde zu gute kommen. Sie hielten sich fest umschlos¬ sen, er fühlte ihr Herz an seinem Busen schlagen, aber in seinem Geiste war es öde und leer, nur die Bilder Mignons und Na¬ taliens schwebten wie Schatten vor seiner Einbildungskraft.
Natalie trat herein. Gieb uns Deinen Seegen! rief Therese, laß uns in diesem traurigen Augenblicke vor Dir verbunden seyn. Wilhelm hatte sein Gesicht an There¬ sens Halse verborgen, er war glücklich ge¬ nug weinen zu können. Er hörte Natalien nicht kommen, er sah sie nicht, nur bey dem Klang ihrer Stimme verdoppelten sich seine Thränen. Was Gott zusammenfügt, will ich nicht scheiden, sagte Natalie lächelnd, aber verbinden kann ich euch nicht, und
kann
genblicken Schutz und Zuflucht an meinem unſichern Buſen, laß die Sicherheit des Dei¬ nigen mir in dieſer ſchrecklichen Stunde zu gute kommen. Sie hielten ſich feſt umſchloſ¬ ſen, er fühlte ihr Herz an ſeinem Buſen ſchlagen, aber in ſeinem Geiſte war es öde und leer, nur die Bilder Mignons und Na¬ taliens ſchwebten wie Schatten vor ſeiner Einbildungskraft.
Natalie trat herein. Gieb uns Deinen Seegen! rief Thereſe, laß uns in dieſem traurigen Augenblicke vor Dir verbunden ſeyn. Wilhelm hatte ſein Geſicht an There¬ ſens Halſe verborgen, er war glücklich ge¬ nug weinen zu können. Er hörte Natalien nicht kommen, er ſah ſie nicht, nur bey dem Klang ihrer Stimme verdoppelten ſich ſeine Thränen. Was Gott zuſammenfügt, will ich nicht ſcheiden, ſagte Natalie lächelnd, aber verbinden kann ich euch nicht, und
kann
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0340"n="336"/>
genblicken Schutz und Zuflucht an meinem<lb/>
unſichern Buſen, laß die Sicherheit des Dei¬<lb/>
nigen mir in dieſer ſchrecklichen Stunde zu<lb/>
gute kommen. Sie hielten ſich feſt umſchloſ¬<lb/>ſen, er fühlte ihr Herz an ſeinem Buſen<lb/>ſchlagen, aber in ſeinem Geiſte war es öde<lb/>
und leer, nur die Bilder Mignons und Na¬<lb/>
taliens ſchwebten wie Schatten vor ſeiner<lb/>
Einbildungskraft.</p><lb/><p>Natalie trat herein. Gieb uns Deinen<lb/>
Seegen! rief Thereſe, laß uns in dieſem<lb/>
traurigen Augenblicke vor Dir verbunden<lb/>ſeyn. Wilhelm hatte ſein Geſicht an There¬<lb/>ſens Halſe verborgen, er war glücklich ge¬<lb/>
nug weinen zu können. Er hörte Natalien<lb/>
nicht kommen, er ſah ſie nicht, nur bey dem<lb/>
Klang ihrer Stimme verdoppelten ſich ſeine<lb/>
Thränen. Was Gott zuſammenfügt, will<lb/>
ich nicht ſcheiden, ſagte Natalie lächelnd,<lb/>
aber verbinden kann ich euch nicht, und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kann<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[336/0340]
genblicken Schutz und Zuflucht an meinem
unſichern Buſen, laß die Sicherheit des Dei¬
nigen mir in dieſer ſchrecklichen Stunde zu
gute kommen. Sie hielten ſich feſt umſchloſ¬
ſen, er fühlte ihr Herz an ſeinem Buſen
ſchlagen, aber in ſeinem Geiſte war es öde
und leer, nur die Bilder Mignons und Na¬
taliens ſchwebten wie Schatten vor ſeiner
Einbildungskraft.
Natalie trat herein. Gieb uns Deinen
Seegen! rief Thereſe, laß uns in dieſem
traurigen Augenblicke vor Dir verbunden
ſeyn. Wilhelm hatte ſein Geſicht an There¬
ſens Halſe verborgen, er war glücklich ge¬
nug weinen zu können. Er hörte Natalien
nicht kommen, er ſah ſie nicht, nur bey dem
Klang ihrer Stimme verdoppelten ſich ſeine
Thränen. Was Gott zuſammenfügt, will
ich nicht ſcheiden, ſagte Natalie lächelnd,
aber verbinden kann ich euch nicht, und
kann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/340>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.