Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

dern in vielen. Jede Anlage ist wichtig, und
sie muß entwickelt werden. Wenn einer nur
das Schöne, der andere nur das Nützliche be¬
fördert, so machen beyde zusammen erst einen
Menschen aus. Das Nützliche befördert sich
selbst, denn die Menge bringt es hervor,
und alle könnens nicht entbehren; das Schöne
muß befördert werden, denn wenige stellens
dar, und viele bedürfens.

Halten Sie inne, rief Wilhelm, ich habe
das alles gelesen. -- Nur noch einige Zei¬
len, versetzte Jarno, hier find ich den Abbe
ganz wieder: Eine Kraft beherrscht die an¬
dere, aber keine kann die andere bilden; in
jeder Anlage liegt auch allein die Kraft sich
zu vollenden; das verstehen so wenig Men¬
schen, die doch lehren und wirken wollen. --
Und ich verstehe es auch nicht, versetzte Wil¬
helm: -- Sie werden über diesen Text den
Abbe noch oft genug hören, und so lassen

dern in vielen. Jede Anlage iſt wichtig, und
ſie muß entwickelt werden. Wenn einer nur
das Schöne, der andere nur das Nützliche be¬
fördert, ſo machen beyde zuſammen erſt einen
Menſchen aus. Das Nützliche befördert ſich
ſelbſt, denn die Menge bringt es hervor,
und alle könnens nicht entbehren; das Schöne
muß befördert werden, denn wenige ſtellens
dar, und viele bedürfens.

Halten Sie inne, rief Wilhelm, ich habe
das alles geleſen. — Nur noch einige Zei¬
len, verſetzte Jarno, hier find ich den Abbé
ganz wieder: Eine Kraft beherrſcht die an¬
dere, aber keine kann die andere bilden; in
jeder Anlage liegt auch allein die Kraft ſich
zu vollenden; das verſtehen ſo wenig Men¬
ſchen, die doch lehren und wirken wollen. —
Und ich verſtehe es auch nicht, verſetzte Wil¬
helm: — Sie werden über dieſen Text den
Abbé noch oft genug hören, und ſo laſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0360" n="356"/>
dern in vielen. Jede Anlage i&#x017F;t wichtig, und<lb/>
&#x017F;ie muß entwickelt werden. Wenn einer nur<lb/>
das Schöne, der andere nur das Nützliche be¬<lb/>
fördert, &#x017F;o machen beyde zu&#x017F;ammen er&#x017F;t einen<lb/>
Men&#x017F;chen aus. Das Nützliche befördert &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, denn die Menge bringt es hervor,<lb/>
und alle könnens nicht entbehren; das Schöne<lb/>
muß befördert werden, denn wenige &#x017F;tellens<lb/>
dar, und viele bedürfens.</p><lb/>
            <p>Halten Sie inne, rief Wilhelm, ich habe<lb/>
das alles gele&#x017F;en. &#x2014; Nur noch einige Zei¬<lb/>
len, ver&#x017F;etzte Jarno, hier find ich den Abbé<lb/>
ganz wieder: Eine Kraft beherr&#x017F;cht die an¬<lb/>
dere, aber keine kann die andere bilden; in<lb/>
jeder Anlage liegt auch allein die Kraft &#x017F;ich<lb/>
zu vollenden; das ver&#x017F;tehen &#x017F;o wenig Men¬<lb/>
&#x017F;chen, die doch lehren und wirken wollen. &#x2014;<lb/>
Und ich ver&#x017F;tehe es auch nicht, ver&#x017F;etzte Wil¬<lb/>
helm: &#x2014; Sie werden über die&#x017F;en Text den<lb/>
Abbé noch oft genug hören, und &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0360] dern in vielen. Jede Anlage iſt wichtig, und ſie muß entwickelt werden. Wenn einer nur das Schöne, der andere nur das Nützliche be¬ fördert, ſo machen beyde zuſammen erſt einen Menſchen aus. Das Nützliche befördert ſich ſelbſt, denn die Menge bringt es hervor, und alle könnens nicht entbehren; das Schöne muß befördert werden, denn wenige ſtellens dar, und viele bedürfens. Halten Sie inne, rief Wilhelm, ich habe das alles geleſen. — Nur noch einige Zei¬ len, verſetzte Jarno, hier find ich den Abbé ganz wieder: Eine Kraft beherrſcht die an¬ dere, aber keine kann die andere bilden; in jeder Anlage liegt auch allein die Kraft ſich zu vollenden; das verſtehen ſo wenig Men¬ ſchen, die doch lehren und wirken wollen. — Und ich verſtehe es auch nicht, verſetzte Wil¬ helm: — Sie werden über dieſen Text den Abbé noch oft genug hören, und ſo laſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/360
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/360>, abgerufen am 17.06.2024.