Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

so studiren wir wirklich auf wahrhaft acade¬
mische Weise, nur daß wir kürzere Stun¬
den haben, und unsere Studien äußerst man¬
nigfaltig sind.

Diese Tollheit begreife ich wohl, sagte
Wilhelm, wenn einmal so ein lustiges Paar
beysammen ist; wie aber das lockere Paar so
lange beysammen bleiben kann, das ist mir
nicht sobald begreiflich.

Das ist, rief Friedrich, eben das Glück
und das Unglück, Philine darf sich nicht se¬
hen lassen, sie mag sich selbst nicht sehen,
sie ist guter Hoffnung. Unförmlicher und
lächerlicher ist nichts in der Welt als sie.
Noch kurz ehe ich weg ging, kam sie zufäl¬
liger Weise vor den Spiegel. Pfui Teufel,
sagte sie, und wendete das Gesicht ab, die
leibhaftige Frau Melina! das garstige Bild!
Man sieht doch ganz niederträchtig aus.

Ich muß gestehen, versetzte Wilhelm lä¬

ſo ſtudiren wir wirklich auf wahrhaft acade¬
miſche Weiſe, nur daß wir kürzere Stun¬
den haben, und unſere Studien äußerſt man¬
nigfaltig ſind.

Dieſe Tollheit begreife ich wohl, ſagte
Wilhelm, wenn einmal ſo ein luſtiges Paar
beyſammen iſt; wie aber das lockere Paar ſo
lange beyſammen bleiben kann, das iſt mir
nicht ſobald begreiflich.

Das iſt, rief Friedrich, eben das Glück
und das Unglück, Philine darf ſich nicht ſe¬
hen laſſen, ſie mag ſich ſelbſt nicht ſehen,
ſie iſt guter Hoffnung. Unförmlicher und
lächerlicher iſt nichts in der Welt als ſie.
Noch kurz ehe ich weg ging, kam ſie zufäl¬
liger Weiſe vor den Spiegel. Pfui Teufel,
ſagte ſie, und wendete das Geſicht ab, die
leibhaftige Frau Melina! das garſtige Bild!
Man ſieht doch ganz niederträchtig aus.

Ich muß geſtehen, verſetzte Wilhelm lä¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0376" n="372"/>
&#x017F;o &#x017F;tudiren wir wirklich auf wahrhaft acade¬<lb/>
mi&#x017F;che Wei&#x017F;e, nur daß wir kürzere Stun¬<lb/>
den haben, und un&#x017F;ere Studien äußer&#x017F;t man¬<lb/>
nigfaltig &#x017F;ind.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Tollheit begreife ich wohl, &#x017F;agte<lb/>
Wilhelm, wenn einmal &#x017F;o ein lu&#x017F;tiges Paar<lb/>
bey&#x017F;ammen i&#x017F;t; wie aber das lockere Paar &#x017F;o<lb/>
lange bey&#x017F;ammen bleiben kann, das i&#x017F;t mir<lb/>
nicht &#x017F;obald begreiflich.</p><lb/>
            <p>Das i&#x017F;t, rief Friedrich, eben das Glück<lb/>
und das Unglück, Philine darf &#x017F;ich nicht &#x017F;<lb/>
hen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie mag &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht &#x017F;ehen,<lb/>
&#x017F;ie i&#x017F;t guter Hoffnung. Unförmlicher und<lb/>
lächerlicher i&#x017F;t nichts in der Welt als &#x017F;ie.<lb/>
Noch kurz ehe ich weg ging, kam &#x017F;ie zufäl¬<lb/>
liger Wei&#x017F;e vor den Spiegel. Pfui Teufel,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, und wendete das Ge&#x017F;icht ab, die<lb/>
leibhaftige Frau Melina! das gar&#x017F;tige Bild!<lb/>
Man &#x017F;ieht doch ganz niederträchtig aus.</p><lb/>
            <p>Ich muß ge&#x017F;tehen, ver&#x017F;etzte Wilhelm lä¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0376] ſo ſtudiren wir wirklich auf wahrhaft acade¬ miſche Weiſe, nur daß wir kürzere Stun¬ den haben, und unſere Studien äußerſt man¬ nigfaltig ſind. Dieſe Tollheit begreife ich wohl, ſagte Wilhelm, wenn einmal ſo ein luſtiges Paar beyſammen iſt; wie aber das lockere Paar ſo lange beyſammen bleiben kann, das iſt mir nicht ſobald begreiflich. Das iſt, rief Friedrich, eben das Glück und das Unglück, Philine darf ſich nicht ſe¬ hen laſſen, ſie mag ſich ſelbſt nicht ſehen, ſie iſt guter Hoffnung. Unförmlicher und lächerlicher iſt nichts in der Welt als ſie. Noch kurz ehe ich weg ging, kam ſie zufäl¬ liger Weiſe vor den Spiegel. Pfui Teufel, ſagte ſie, und wendete das Geſicht ab, die leibhaftige Frau Melina! das garſtige Bild! Man ſieht doch ganz niederträchtig aus. Ich muß geſtehen, verſetzte Wilhelm lä¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/376
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/376>, abgerufen am 17.06.2024.