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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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nem Leben, daß ich jemanden auf diese Weise
hintergehe. Denn ich habe immer geglaubt,
daß es uns zu weit führen könne, wenn wir
einmal um des Guten und Nützlichen willen
zu betrügen anfangen.

Können wir doch Kinder nicht anders er¬
ziehen, als auf diese Weise, versetzte Jarno.

Bey Kindern möchte es noch hingehen,
sagte Wilhelm, indem wir sie so zärtlich lie¬
ben und offenbar übersehen; aber bey unsers
Gleichen, für die uns nicht immer das Herz
so laut um Schonung anruft, möchte es oft
gefährlich werden. Doch glauben Sie nicht,
fuhr er nach einem kurzen Nachdenken fort,
daß ich deswegen diesen Auftrag ablehne.
Bey der Ehrfurcht, die mir Ihr Verstand
einflößt, bey der Neigung, die ich für Ihren
trefflichen Freund fühle, bey dem lebhaften
Wunsch, seine Genesung, durch welche Mit¬
tel sie auch möglich sey, zu befördern, mag

nem Leben, daß ich jemanden auf dieſe Weiſe
hintergehe. Denn ich habe immer geglaubt,
daß es uns zu weit führen könne, wenn wir
einmal um des Guten und Nützlichen willen
zu betrügen anfangen.

Können wir doch Kinder nicht anders er¬
ziehen, als auf dieſe Weiſe, verſetzte Jarno.

Bey Kindern möchte es noch hingehen,
ſagte Wilhelm, indem wir ſie ſo zärtlich lie¬
ben und offenbar überſehen; aber bey unſers
Gleichen, für die uns nicht immer das Herz
ſo laut um Schonung anruft, möchte es oft
gefährlich werden. Doch glauben Sie nicht,
fuhr er nach einem kurzen Nachdenken fort,
daß ich deswegen dieſen Auftrag ablehne.
Bey der Ehrfurcht, die mir Ihr Verſtand
einflößt, bey der Neigung, die ich für Ihren
trefflichen Freund fühle, bey dem lebhaften
Wunſch, ſeine Geneſung, durch welche Mit¬
tel ſie auch möglich ſey, zu befördern, mag

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[55/0059] nem Leben, daß ich jemanden auf dieſe Weiſe hintergehe. Denn ich habe immer geglaubt, daß es uns zu weit führen könne, wenn wir einmal um des Guten und Nützlichen willen zu betrügen anfangen. Können wir doch Kinder nicht anders er¬ ziehen, als auf dieſe Weiſe, verſetzte Jarno. Bey Kindern möchte es noch hingehen, ſagte Wilhelm, indem wir ſie ſo zärtlich lie¬ ben und offenbar überſehen; aber bey unſers Gleichen, für die uns nicht immer das Herz ſo laut um Schonung anruft, möchte es oft gefährlich werden. Doch glauben Sie nicht, fuhr er nach einem kurzen Nachdenken fort, daß ich deswegen dieſen Auftrag ablehne. Bey der Ehrfurcht, die mir Ihr Verſtand einflößt, bey der Neigung, die ich für Ihren trefflichen Freund fühle, bey dem lebhaften Wunſch, ſeine Geneſung, durch welche Mit¬ tel ſie auch möglich ſey, zu befördern, mag

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/59>, abgerufen am 28.11.2024.