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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

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zwischen Vorsätzen, Vorbereitungen und Ver¬
zweiflung. Der Anblick Mittlers überraschte
ihn nicht. Er hatte dessen Ankunft längst
erwartet, und so war er ihm auch halb will¬
kommen. Glaubte er ihn von Charlotten ge¬
sendet, so hatte er sich schon auf allerley Ent¬
schuldigungen und Verzögerungen und sodann
auf entscheidendere Vorschläge bereitet; hoffte
er nun aber von Ottilien wieder etwas zu
vernehmen, so war ihm Mittler so lieb als
ein himmlischer Bote.

Verdrießlich daher und verstimmt war
Eduard als er vernahm, Mittler komme nicht
von dorther, sondern aus eignem Antriebe.
Sein Herz verschloß sich und das Gespräch
wollte sich anfangs nicht einleiten. Doch
wußte Mittler nur zu gut, daß ein liebevoll
beschäftigtes Gemüth das dringende Bedürf¬
niß hat sich zu äußern, das was in ihm vor¬
geht, vor einem Freunde auszuschütten, und
ließ sich daher gefallen, nach einigem Hin- und

zwiſchen Vorſaͤtzen, Vorbereitungen und Ver¬
zweiflung. Der Anblick Mittlers uͤberraſchte
ihn nicht. Er hatte deſſen Ankunft laͤngſt
erwartet, und ſo war er ihm auch halb will¬
kommen. Glaubte er ihn von Charlotten ge¬
ſendet, ſo hatte er ſich ſchon auf allerley Ent¬
ſchuldigungen und Verzoͤgerungen und ſodann
auf entſcheidendere Vorſchlaͤge bereitet; hoffte
er nun aber von Ottilien wieder etwas zu
vernehmen, ſo war ihm Mittler ſo lieb als
ein himmliſcher Bote.

Verdrießlich daher und verſtimmt war
Eduard als er vernahm, Mittler komme nicht
von dorther, ſondern aus eignem Antriebe.
Sein Herz verſchloß ſich und das Geſpraͤch
wollte ſich anfangs nicht einleiten. Doch
wußte Mittler nur zu gut, daß ein liebevoll
beſchaͤftigtes Gemuͤth das dringende Beduͤrf¬
niß hat ſich zu aͤußern, das was in ihm vor¬
geht, vor einem Freunde auszuſchuͤtten, und
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[290/0295] zwiſchen Vorſaͤtzen, Vorbereitungen und Ver¬ zweiflung. Der Anblick Mittlers uͤberraſchte ihn nicht. Er hatte deſſen Ankunft laͤngſt erwartet, und ſo war er ihm auch halb will¬ kommen. Glaubte er ihn von Charlotten ge¬ ſendet, ſo hatte er ſich ſchon auf allerley Ent¬ ſchuldigungen und Verzoͤgerungen und ſodann auf entſcheidendere Vorſchlaͤge bereitet; hoffte er nun aber von Ottilien wieder etwas zu vernehmen, ſo war ihm Mittler ſo lieb als ein himmliſcher Bote. Verdrießlich daher und verſtimmt war Eduard als er vernahm, Mittler komme nicht von dorther, ſondern aus eignem Antriebe. Sein Herz verſchloß ſich und das Geſpraͤch wollte ſich anfangs nicht einleiten. Doch wußte Mittler nur zu gut, daß ein liebevoll beſchaͤftigtes Gemuͤth das dringende Beduͤrf¬ niß hat ſich zu aͤußern, das was in ihm vor¬ geht, vor einem Freunde auszuſchuͤtten, und ließ ſich daher gefallen, nach einigem Hin- und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/295>, abgerufen am 24.11.2024.