Entweder Ihr kennt mich nicht, rief er aus, Ihr versteht mich nicht, oder Ihr seyd sehr boshaft. Ist denn hier ein Streit? ist denn hier eine Hülfe nöthig? Glaubt Ihr, daß ich in der Welt bin, um Rath zu ge¬ ben? Das ist das dümmste Handwerk das einer treiben kann. Rathe sich jeder selbst und thue was er nicht lassen kann. Geräth es gut, so freue er sich seiner Weisheit und seines Glücks; läuft's übel ab, dann bin ich bey der Hand. Wer ein Uebel los seyn will, der weiß immer was er will; wer was bes¬ sers will als er hat, der ist ganz staarblind -- Ja ja! lacht nur -- er spielt Blindekuh, er ertappt's vielleicht; aber was? Thut was Ihr wollt: es ist ganz einerley! Nehmt die Freunde zu Euch, laßt sie weg: alles einerley! Das Vernünftigste habe ich mislingen sehen, das Abgeschmackteste gelingen. Zerbrecht Euch die Köpfe nicht, und wenn's auf eine oder die andre Weise übel abläuft, zerbrecht sie Euch auch nicht. Schickt nur nach mir, und
Entweder Ihr kennt mich nicht, rief er aus, Ihr verſteht mich nicht, oder Ihr ſeyd ſehr boshaft. Iſt denn hier ein Streit? iſt denn hier eine Huͤlfe noͤthig? Glaubt Ihr, daß ich in der Welt bin, um Rath zu ge¬ ben? Das iſt das duͤmmſte Handwerk das einer treiben kann. Rathe ſich jeder ſelbſt und thue was er nicht laſſen kann. Geraͤth es gut, ſo freue er ſich ſeiner Weisheit und ſeines Gluͤcks; laͤuft's uͤbel ab, dann bin ich bey der Hand. Wer ein Uebel los ſeyn will, der weiß immer was er will; wer was beſ¬ ſers will als er hat, der iſt ganz ſtaarblind — Ja ja! lacht nur — er ſpielt Blindekuh, er ertappt's vielleicht; aber was? Thut was Ihr wollt: es iſt ganz einerley! Nehmt die Freunde zu Euch, laßt ſie weg: alles einerley! Das Vernuͤnftigſte habe ich mislingen ſehen, das Abgeſchmackteſte gelingen. Zerbrecht Euch die Koͤpfe nicht, und wenn's auf eine oder die andre Weiſe uͤbel ablaͤuft, zerbrecht ſie Euch auch nicht. Schickt nur nach mir, und
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Entweder Ihr kennt mich nicht, rief er
aus, Ihr verſteht mich nicht, oder Ihr ſeyd
ſehr boshaft. Iſt denn hier ein Streit? iſt
denn hier eine Huͤlfe noͤthig? Glaubt Ihr,
daß ich in der Welt bin, um Rath zu ge¬
ben? Das iſt das duͤmmſte Handwerk das
einer treiben kann. Rathe ſich jeder ſelbſt
und thue was er nicht laſſen kann. Geraͤth
es gut, ſo freue er ſich ſeiner Weisheit und
ſeines Gluͤcks; laͤuft's uͤbel ab, dann bin ich
bey der Hand. Wer ein Uebel los ſeyn will,
der weiß immer was er will; wer was beſ¬
ſers will als er hat, der iſt ganz ſtaarblind
— Ja ja! lacht nur — er ſpielt Blindekuh,
er ertappt's vielleicht; aber was? Thut was
Ihr wollt: es iſt ganz einerley! Nehmt die
Freunde zu Euch, laßt ſie weg: alles einerley!
Das Vernuͤnftigſte habe ich mislingen ſehen,
das Abgeſchmackteſte gelingen. Zerbrecht Euch
die Koͤpfe nicht, und wenn's auf eine oder
die andre Weiſe uͤbel ablaͤuft, zerbrecht ſie
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/43>, abgerufen am 03.12.2024.
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