Auf alle Fälle, versetzte Ottilie, wäre es nicht übel, wenn man künftig in das Büch¬ lein von guten Sitten, nach den Kapiteln, wie man sich in Gesellschaft beym Essen und Trinken benehmen soll, ein recht umständliches einschöbe, wie man sich in Kunstsammlungen und Museen zu betragen habe.
Gewiß, versetzte der Architect, würden alsdann Custoden und Liebhaber ihre Selten¬ heiten fröhlicher mittheilen.
Ottilie hatte ihm schon lange verziehen, als er sich aber den Vorwurf sehr zu Herzen zu nehmen schien und immer aufs Neue be¬ theuerte, daß er gewiß gerne mittheile, gern für Freunde thätig sey; so empfand sie, daß sie sein zartes Gemüth verletzt habe, und fühlte sich als seine Schuldnerinn. Nicht wohl konnte sie ihm daher eine Bitte rund abschla¬ gen, die er in Gefolg dieses Gesprächs an sie that, ob sie gleich, indem sie schnell ihr
II. 8
Auf alle Faͤlle, verſetzte Ottilie, waͤre es nicht uͤbel, wenn man kuͤnftig in das Buͤch¬ lein von guten Sitten, nach den Kapiteln, wie man ſich in Geſellſchaft beym Eſſen und Trinken benehmen ſoll, ein recht umſtaͤndliches einſchoͤbe, wie man ſich in Kunſtſammlungen und Muſeen zu betragen habe.
Gewiß, verſetzte der Architect, wuͤrden alsdann Cuſtoden und Liebhaber ihre Selten¬ heiten froͤhlicher mittheilen.
Ottilie hatte ihm ſchon lange verziehen, als er ſich aber den Vorwurf ſehr zu Herzen zu nehmen ſchien und immer aufs Neue be¬ theuerte, daß er gewiß gerne mittheile, gern fuͤr Freunde thaͤtig ſey; ſo empfand ſie, daß ſie ſein zartes Gemuͤth verletzt habe, und fuͤhlte ſich als ſeine Schuldnerinn. Nicht wohl konnte ſie ihm daher eine Bitte rund abſchla¬ gen, die er in Gefolg dieſes Geſpraͤchs an ſie that, ob ſie gleich, indem ſie ſchnell ihr
II. 8
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0116"n="113"/><p>Auf alle Faͤlle, verſetzte Ottilie, waͤre es<lb/>
nicht uͤbel, wenn man kuͤnftig in das Buͤch¬<lb/>
lein von guten Sitten, nach den Kapiteln,<lb/>
wie man ſich in Geſellſchaft beym Eſſen und<lb/>
Trinken benehmen ſoll, ein recht umſtaͤndliches<lb/>
einſchoͤbe, wie man ſich in Kunſtſammlungen<lb/>
und Muſeen zu betragen habe.</p><lb/><p>Gewiß, verſetzte der Architect, wuͤrden<lb/>
alsdann Cuſtoden und Liebhaber ihre Selten¬<lb/>
heiten froͤhlicher mittheilen.</p><lb/><p>Ottilie hatte ihm ſchon lange verziehen,<lb/>
als er ſich aber den Vorwurf ſehr zu Herzen<lb/>
zu nehmen ſchien und immer aufs Neue be¬<lb/>
theuerte, daß er gewiß gerne mittheile, gern<lb/>
fuͤr Freunde thaͤtig ſey; ſo empfand ſie, daß<lb/>ſie ſein zartes Gemuͤth verletzt habe, und fuͤhlte<lb/>ſich als ſeine Schuldnerinn. Nicht wohl<lb/>
konnte ſie ihm daher eine Bitte rund abſchla¬<lb/>
gen, die er in Gefolg dieſes Geſpraͤchs an<lb/>ſie that, ob ſie gleich, indem ſie ſchnell ihr<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">II</hi>. 8<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[113/0116]
Auf alle Faͤlle, verſetzte Ottilie, waͤre es
nicht uͤbel, wenn man kuͤnftig in das Buͤch¬
lein von guten Sitten, nach den Kapiteln,
wie man ſich in Geſellſchaft beym Eſſen und
Trinken benehmen ſoll, ein recht umſtaͤndliches
einſchoͤbe, wie man ſich in Kunſtſammlungen
und Muſeen zu betragen habe.
Gewiß, verſetzte der Architect, wuͤrden
alsdann Cuſtoden und Liebhaber ihre Selten¬
heiten froͤhlicher mittheilen.
Ottilie hatte ihm ſchon lange verziehen,
als er ſich aber den Vorwurf ſehr zu Herzen
zu nehmen ſchien und immer aufs Neue be¬
theuerte, daß er gewiß gerne mittheile, gern
fuͤr Freunde thaͤtig ſey; ſo empfand ſie, daß
ſie ſein zartes Gemuͤth verletzt habe, und fuͤhlte
ſich als ſeine Schuldnerinn. Nicht wohl
konnte ſie ihm daher eine Bitte rund abſchla¬
gen, die er in Gefolg dieſes Geſpraͤchs an
ſie that, ob ſie gleich, indem ſie ſchnell ihr
II. 8
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/116>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.