Gefühl zu Rathe zog, nicht einsah wie sie ihm seine Wünsche gewähren könne.
Die Sache verhielt sich also. Daß Otti¬ lie durch Lucianens Eifersucht von den Ge¬ mäldedarstellungen ausgeschlossen worden, war ihm höchst empfindlich gewesen; daß Charlotte diesem glänzenden Theil der geselligen Unter¬ haltung nur unterbrochen beywohnen können, weil sie sich nicht wohl befand, hatte er gleich¬ falls mit Bedauern bemerkt: nun wollte er sich nicht entfernen, ohne seine Dankbarkeit auch dadurch zu beweisen, daß er zur Ehre der einen und zur Unterhaltung der andern, eine weit schönere Darstellung veranstaltete als die bisherigen gewesen waren. Vielleicht kam hierzu, ihm selbst unbewußt, ein andrer ge¬ heimer Antrieb: es ward ihm so schwer, die¬ ses Haus, diese Familie zu verlassen, ja es schien ihm unmöglich von Ottiliens Augen zu scheiden, von deren ruhig freundlich gewoge¬
Gefuͤhl zu Rathe zog, nicht einſah wie ſie ihm ſeine Wuͤnſche gewaͤhren koͤnne.
Die Sache verhielt ſich alſo. Daß Otti¬ lie durch Lucianens Eiferſucht von den Ge¬ maͤldedarſtellungen ausgeſchloſſen worden, war ihm hoͤchſt empfindlich geweſen; daß Charlotte dieſem glaͤnzenden Theil der geſelligen Unter¬ haltung nur unterbrochen beywohnen koͤnnen, weil ſie ſich nicht wohl befand, hatte er gleich¬ falls mit Bedauern bemerkt: nun wollte er ſich nicht entfernen, ohne ſeine Dankbarkeit auch dadurch zu beweiſen, daß er zur Ehre der einen und zur Unterhaltung der andern, eine weit ſchoͤnere Darſtellung veranſtaltete als die bisherigen geweſen waren. Vielleicht kam hierzu, ihm ſelbſt unbewußt, ein andrer ge¬ heimer Antrieb: es ward ihm ſo ſchwer, die¬ ſes Haus, dieſe Familie zu verlaſſen, ja es ſchien ihm unmoͤglich von Ottiliens Augen zu ſcheiden, von deren ruhig freundlich gewoge¬
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Gefuͤhl zu Rathe zog, nicht einſah wie ſie
ihm ſeine Wuͤnſche gewaͤhren koͤnne.
Die Sache verhielt ſich alſo. Daß Otti¬
lie durch Lucianens Eiferſucht von den Ge¬
maͤldedarſtellungen ausgeſchloſſen worden, war
ihm hoͤchſt empfindlich geweſen; daß Charlotte
dieſem glaͤnzenden Theil der geſelligen Unter¬
haltung nur unterbrochen beywohnen koͤnnen,
weil ſie ſich nicht wohl befand, hatte er gleich¬
falls mit Bedauern bemerkt: nun wollte er
ſich nicht entfernen, ohne ſeine Dankbarkeit
auch dadurch zu beweiſen, daß er zur Ehre der
einen und zur Unterhaltung der andern, eine
weit ſchoͤnere Darſtellung veranſtaltete als die
bisherigen geweſen waren. Vielleicht kam
hierzu, ihm ſelbſt unbewußt, ein andrer ge¬
heimer Antrieb: es ward ihm ſo ſchwer, die¬
ſes Haus, dieſe Familie zu verlaſſen, ja es
ſchien ihm unmoͤglich von Ottiliens Augen zu
ſcheiden, von deren ruhig freundlich gewoge¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/117>, abgerufen am 21.11.2024.
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