einrichten und seinen Planen und Wünschen, von denen er der Dame kein Geheimniß ge¬ macht, sich ungesäumt nähern solle.
Mit vollkommner Beystimmung der Vor¬ steherinn trat er daher seine Reise an, und hegte in seinem Gemüth die besten Hoffnun¬ gen. Er weiß, Ottilie ist ihm nicht ungün¬ stig, und wenn zwischen ihnen einiges Mi߬ verhältniß des Standes war, so glich sich dieses gar leicht durch die Denkart der Zeit aus. Auch hatte die Baronesse ihm wohl fühlen lassen, daß Ottilie immer ein armes Mädchen bleibe. Mit einem reichen Hause verwandt zu seyn, hieß es, kann Niemanden helfen: denn man würde sich, selbst bey dem größten Vermögen, ein Gewissen daraus ma¬ chen, denjenigen eine ansehnliche Summe zu entziehen, die dem näheren Grade nach ein vollkommneres Recht auf ein Besitzthum zu haben scheinen. Und gewiß bleibt es wunder¬ bar, daß der Mensch das große Vorrecht,
einrichten und ſeinen Planen und Wuͤnſchen, von denen er der Dame kein Geheimniß ge¬ macht, ſich ungeſaͤumt naͤhern ſolle.
Mit vollkommner Beyſtimmung der Vor¬ ſteherinn trat er daher ſeine Reiſe an, und hegte in ſeinem Gemuͤth die beſten Hoffnun¬ gen. Er weiß, Ottilie iſt ihm nicht unguͤn¬ ſtig, und wenn zwiſchen ihnen einiges Mi߬ verhaͤltniß des Standes war, ſo glich ſich dieſes gar leicht durch die Denkart der Zeit aus. Auch hatte die Baroneſſe ihm wohl fuͤhlen laſſen, daß Ottilie immer ein armes Maͤdchen bleibe. Mit einem reichen Hauſe verwandt zu ſeyn, hieß es, kann Niemanden helfen: denn man wuͤrde ſich, ſelbſt bey dem groͤßten Vermoͤgen, ein Gewiſſen daraus ma¬ chen, denjenigen eine anſehnliche Summe zu entziehen, die dem naͤheren Grade nach ein vollkommneres Recht auf ein Beſitzthum zu haben ſcheinen. Und gewiß bleibt es wunder¬ bar, daß der Menſch das große Vorrecht,
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einrichten und ſeinen Planen und Wuͤnſchen,
von denen er der Dame kein Geheimniß ge¬
macht, ſich ungeſaͤumt naͤhern ſolle.
Mit vollkommner Beyſtimmung der Vor¬
ſteherinn trat er daher ſeine Reiſe an, und
hegte in ſeinem Gemuͤth die beſten Hoffnun¬
gen. Er weiß, Ottilie iſt ihm nicht unguͤn¬
ſtig, und wenn zwiſchen ihnen einiges Mi߬
verhaͤltniß des Standes war, ſo glich ſich
dieſes gar leicht durch die Denkart der Zeit
aus. Auch hatte die Baroneſſe ihm wohl
fuͤhlen laſſen, daß Ottilie immer ein armes
Maͤdchen bleibe. Mit einem reichen Hauſe
verwandt zu ſeyn, hieß es, kann Niemanden
helfen: denn man wuͤrde ſich, ſelbſt bey dem
groͤßten Vermoͤgen, ein Gewiſſen daraus ma¬
chen, denjenigen eine anſehnliche Summe zu
entziehen, die dem naͤheren Grade nach ein
vollkommneres Recht auf ein Beſitzthum zu
haben ſcheinen. Und gewiß bleibt es wunder¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/146>, abgerufen am 24.11.2024.
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