bekannt zu machen. Und freylich waren die bisherigen leidenschaftlichen Vorfälle dem Pu¬ blikum nicht entgangen, das ohnehin in der Ueberzeugung steht, alles was geschieht, ge¬ schehe nur dazu, damit es etwas zu reden habe.
Die Feyer des Taufactes sollte würdig aber beschränkt und kurz seyn. Man kam zu¬ sammen, Ottilie und Mittler sollten das Kind als Taufzeugen halten. Der alte Geistliche, unterstützt vom Kirchdiener, trat mit langsamen Schritten heran. Das Gebet war verrichtet, Ottilien das Kind auf die Arme gelegt, und als sie mit Neigung auf dasselbe heruntersah, erschrak sie nicht wenig an seinen offenen Au¬ gen: denn sie glaubte in ihre eigenen zu se¬ hen, eine solche Uebereinstimmung hätte Je¬ den überraschen müssen. Mittler, der zunächst das Kind empfing, stutzte gleichfalls, indem er in der Bildung desselben eine so auffallende Aehnlichkeit, und zwar mit dem Hauptmann
bekannt zu machen. Und freylich waren die bisherigen leidenſchaftlichen Vorfaͤlle dem Pu¬ blikum nicht entgangen, das ohnehin in der Ueberzeugung ſteht, alles was geſchieht, ge¬ ſchehe nur dazu, damit es etwas zu reden habe.
Die Feyer des Taufactes ſollte wuͤrdig aber beſchraͤnkt und kurz ſeyn. Man kam zu¬ ſammen, Ottilie und Mittler ſollten das Kind als Taufzeugen halten. Der alte Geiſtliche, unterſtuͤtzt vom Kirchdiener, trat mit langſamen Schritten heran. Das Gebet war verrichtet, Ottilien das Kind auf die Arme gelegt, und als ſie mit Neigung auf daſſelbe herunterſah, erſchrak ſie nicht wenig an ſeinen offenen Au¬ gen: denn ſie glaubte in ihre eigenen zu ſe¬ hen, eine ſolche Uebereinſtimmung haͤtte Je¬ den uͤberraſchen muͤſſen. Mittler, der zunaͤchſt das Kind empfing, ſtutzte gleichfalls, indem er in der Bildung deſſelben eine ſo auffallende Aehnlichkeit, und zwar mit dem Hauptmann
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0165"n="162"/>
bekannt zu machen. Und freylich waren die<lb/>
bisherigen leidenſchaftlichen Vorfaͤlle dem Pu¬<lb/>
blikum nicht entgangen, das ohnehin in der<lb/>
Ueberzeugung ſteht, alles was geſchieht, ge¬<lb/>ſchehe nur dazu, damit es etwas zu reden<lb/>
habe.</p><lb/><p>Die Feyer des Taufactes ſollte wuͤrdig<lb/>
aber beſchraͤnkt und kurz ſeyn. Man kam zu¬<lb/>ſammen, Ottilie und Mittler ſollten das Kind<lb/>
als Taufzeugen halten. Der alte Geiſtliche,<lb/>
unterſtuͤtzt vom Kirchdiener, trat mit langſamen<lb/>
Schritten heran. Das Gebet war verrichtet,<lb/>
Ottilien das Kind auf die Arme gelegt, und<lb/>
als ſie mit Neigung auf daſſelbe herunterſah,<lb/>
erſchrak ſie nicht wenig an ſeinen offenen Au¬<lb/>
gen: denn ſie glaubte in ihre eigenen zu ſe¬<lb/>
hen, eine ſolche Uebereinſtimmung haͤtte Je¬<lb/>
den uͤberraſchen muͤſſen. Mittler, der zunaͤchſt<lb/>
das Kind empfing, ſtutzte gleichfalls, indem<lb/>
er in der Bildung deſſelben eine ſo auffallende<lb/>
Aehnlichkeit, und zwar mit dem Hauptmann<lb/></p></div></body></text></TEI>
[162/0165]
bekannt zu machen. Und freylich waren die
bisherigen leidenſchaftlichen Vorfaͤlle dem Pu¬
blikum nicht entgangen, das ohnehin in der
Ueberzeugung ſteht, alles was geſchieht, ge¬
ſchehe nur dazu, damit es etwas zu reden
habe.
Die Feyer des Taufactes ſollte wuͤrdig
aber beſchraͤnkt und kurz ſeyn. Man kam zu¬
ſammen, Ottilie und Mittler ſollten das Kind
als Taufzeugen halten. Der alte Geiſtliche,
unterſtuͤtzt vom Kirchdiener, trat mit langſamen
Schritten heran. Das Gebet war verrichtet,
Ottilien das Kind auf die Arme gelegt, und
als ſie mit Neigung auf daſſelbe herunterſah,
erſchrak ſie nicht wenig an ſeinen offenen Au¬
gen: denn ſie glaubte in ihre eigenen zu ſe¬
hen, eine ſolche Uebereinſtimmung haͤtte Je¬
den uͤberraſchen muͤſſen. Mittler, der zunaͤchſt
das Kind empfing, ſtutzte gleichfalls, indem
er in der Bildung deſſelben eine ſo auffallende
Aehnlichkeit, und zwar mit dem Hauptmann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/165>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.