Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Die jungen Eheleute beredeten sich: er
bot dem Jüngling, und sie der Schönen das
Hochzeitkleid an, das noch vollständig da
hing, um ein Paar von Kopf zu Fuß und
von innen heraus zu bekleiden. In kur¬
zer Zeit waren die beiden Abenteurer nicht
nur angezogen sondern geputzt. Sie sahen
allerliebst aus, staunten einander an, als sie
zusammentraten, und fielen sich mit unmäßi¬
ger Leidenschaft, und doch halb lächelnd über
die Vermummung, gewaltsam in die Arme.
Die Kraft der Jugend und die Regsamkeit
der Liebe stellten sie in wenigen Augenblicken
völlig wieder her, und es fehlte nur die
Musik um sie zum Tanz aufzufordern.

Sich vom Wasser zur Erde, vom Tode
zum Leben, aus dem Familienkreise in eine
Wildniß, aus der Verzweiflung zum Ent¬
zücken, aus der Gleichgültigkeit zur Neigung,
zur Leidenschaft gefunden zu haben, alles in

Die jungen Eheleute beredeten ſich: er
bot dem Juͤngling, und ſie der Schoͤnen das
Hochzeitkleid an, das noch vollſtaͤndig da
hing, um ein Paar von Kopf zu Fuß und
von innen heraus zu bekleiden. In kur¬
zer Zeit waren die beiden Abenteurer nicht
nur angezogen ſondern geputzt. Sie ſahen
allerliebſt aus, ſtaunten einander an, als ſie
zuſammentraten, und fielen ſich mit unmaͤßi¬
ger Leidenſchaft, und doch halb laͤchelnd uͤber
die Vermummung, gewaltſam in die Arme.
Die Kraft der Jugend und die Regſamkeit
der Liebe ſtellten ſie in wenigen Augenblicken
voͤllig wieder her, und es fehlte nur die
Muſik um ſie zum Tanz aufzufordern.

Sich vom Waſſer zur Erde, vom Tode
zum Leben, aus dem Familienkreiſe in eine
Wildniß, aus der Verzweiflung zum Ent¬
zuͤcken, aus der Gleichguͤltigkeit zur Neigung,
zur Leidenſchaft gefunden zu haben, alles in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0216" n="213"/>
          <p>Die jungen Eheleute beredeten &#x017F;ich: er<lb/>
bot dem Ju&#x0364;ngling, und &#x017F;ie der Scho&#x0364;nen das<lb/>
Hochzeitkleid an, das noch voll&#x017F;ta&#x0364;ndig da<lb/>
hing, um ein Paar von Kopf zu Fuß und<lb/>
von innen heraus zu bekleiden. In kur¬<lb/>
zer Zeit waren die beiden Abenteurer nicht<lb/>
nur angezogen &#x017F;ondern geputzt. Sie &#x017F;ahen<lb/>
allerlieb&#x017F;t aus, &#x017F;taunten einander an, als &#x017F;ie<lb/>
zu&#x017F;ammentraten, und fielen &#x017F;ich mit unma&#x0364;ßi¬<lb/>
ger Leiden&#x017F;chaft, und doch halb la&#x0364;chelnd u&#x0364;ber<lb/>
die Vermummung, gewalt&#x017F;am in die Arme.<lb/>
Die Kraft der Jugend und die Reg&#x017F;amkeit<lb/>
der Liebe &#x017F;tellten &#x017F;ie in wenigen Augenblicken<lb/>
vo&#x0364;llig wieder her, und es fehlte nur die<lb/>
Mu&#x017F;ik um &#x017F;ie zum Tanz aufzufordern.</p><lb/>
          <p>Sich vom Wa&#x017F;&#x017F;er zur Erde, vom Tode<lb/>
zum Leben, aus dem Familienkrei&#x017F;e in eine<lb/>
Wildniß, aus der Verzweiflung zum Ent¬<lb/>
zu&#x0364;cken, aus der Gleichgu&#x0364;ltigkeit zur Neigung,<lb/>
zur Leiden&#x017F;chaft gefunden zu haben, alles in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0216] Die jungen Eheleute beredeten ſich: er bot dem Juͤngling, und ſie der Schoͤnen das Hochzeitkleid an, das noch vollſtaͤndig da hing, um ein Paar von Kopf zu Fuß und von innen heraus zu bekleiden. In kur¬ zer Zeit waren die beiden Abenteurer nicht nur angezogen ſondern geputzt. Sie ſahen allerliebſt aus, ſtaunten einander an, als ſie zuſammentraten, und fielen ſich mit unmaͤßi¬ ger Leidenſchaft, und doch halb laͤchelnd uͤber die Vermummung, gewaltſam in die Arme. Die Kraft der Jugend und die Regſamkeit der Liebe ſtellten ſie in wenigen Augenblicken voͤllig wieder her, und es fehlte nur die Muſik um ſie zum Tanz aufzufordern. Sich vom Waſſer zur Erde, vom Tode zum Leben, aus dem Familienkreiſe in eine Wildniß, aus der Verzweiflung zum Ent¬ zuͤcken, aus der Gleichguͤltigkeit zur Neigung, zur Leidenſchaft gefunden zu haben, alles in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/216
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/216>, abgerufen am 21.11.2024.