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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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Angebäuden zu untersuchen, und da zeigte
sich zum größten Erstaunen und Vergnügen
des Architecten eine wenig bemerkte kleine Sei¬
tencapelle von noch geistreichern und leichte¬
ren Maaßen, von noch gefälligern und fleißi¬
gern Zieraten. Sie enthielt zugleich manchen
geschnitzten und gemalten Rest jenes älteren
Gottesdienstes, der mit mancherley Gebild
und Geräthschaft die verschiedenen Feste zu
bezeichnen und jedes auf seine eigne Weise zu
feyern wußte.

Der Architect konnte nicht unterlassen,
die Capelle sogleich in seinen Plan mit her¬
einzuziehen und besonders diesen engen Raum
als ein Denkmal voriger Zeiten und ihres
Geschmacks wieder herzustellen. Er hatte sich
die leeren Flächen nach seiner Neigung schon
verziert gedacht, und freute sich dabey sein
malerisches Talent zu üben; allein er machte
seinen Hausgenossen fürs Erste ein Geheim¬
niß davon.

Angebaͤuden zu unterſuchen, und da zeigte
ſich zum groͤßten Erſtaunen und Vergnuͤgen
des Architecten eine wenig bemerkte kleine Sei¬
tencapelle von noch geiſtreichern und leichte¬
ren Maaßen, von noch gefaͤlligern und fleißi¬
gern Zieraten. Sie enthielt zugleich manchen
geſchnitzten und gemalten Reſt jenes aͤlteren
Gottesdienſtes, der mit mancherley Gebild
und Geraͤthſchaft die verſchiedenen Feſte zu
bezeichnen und jedes auf ſeine eigne Weiſe zu
feyern wußte.

Der Architect konnte nicht unterlaſſen,
die Capelle ſogleich in ſeinen Plan mit her¬
einzuziehen und beſonders dieſen engen Raum
als ein Denkmal voriger Zeiten und ihres
Geſchmacks wieder herzuſtellen. Er hatte ſich
die leeren Flaͤchen nach ſeiner Neigung ſchon
verziert gedacht, und freute ſich dabey ſein
maleriſches Talent zu uͤben; allein er machte
ſeinen Hausgenoſſen fuͤrs Erſte ein Geheim¬
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[21/0024] Angebaͤuden zu unterſuchen, und da zeigte ſich zum groͤßten Erſtaunen und Vergnuͤgen des Architecten eine wenig bemerkte kleine Sei¬ tencapelle von noch geiſtreichern und leichte¬ ren Maaßen, von noch gefaͤlligern und fleißi¬ gern Zieraten. Sie enthielt zugleich manchen geſchnitzten und gemalten Reſt jenes aͤlteren Gottesdienſtes, der mit mancherley Gebild und Geraͤthſchaft die verſchiedenen Feſte zu bezeichnen und jedes auf ſeine eigne Weiſe zu feyern wußte. Der Architect konnte nicht unterlaſſen, die Capelle ſogleich in ſeinen Plan mit her¬ einzuziehen und beſonders dieſen engen Raum als ein Denkmal voriger Zeiten und ihres Geſchmacks wieder herzuſtellen. Er hatte ſich die leeren Flaͤchen nach ſeiner Neigung ſchon verziert gedacht, und freute ſich dabey ſein maleriſches Talent zu uͤben; allein er machte ſeinen Hausgenoſſen fuͤrs Erſte ein Geheim¬ niß davon.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/24>, abgerufen am 21.11.2024.