Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

dung, indem er nachzugeben schien und nur
die Form, den Geschäftsgang zur Sprache
brachte, durch welchen man diese Trennung,
diese Verbindungen erreichen sollte. Da trat
denn so manches Unerfreuliche, Beschwerliche,
Unschickliche hervor, daß sich Eduard in die
schlimmste Laune versetzt fühlte.

Ich sehe wohl, rief dieser endlich, nicht
allein von Feinden, sondern auch von Freun¬
den muß was man wünscht, erstürmt werden.
Das was ich will, was mir unentbehrlich ist,
halte ich fest im Auge; ich werde es ergrei¬
fen und gewiß bald und behende. Derglei¬
chen Verhältnisse, weiß ich wohl, heben sich
nicht auf und bilden sich nicht, ohne daß
manches falle was steht, ohne daß manches
weiche was zu beharren Lust hat. Durch
Ueberlegung wird so etwas nicht geendet; vor
dem Verstande sind alle Rechte gleich, und
auf die steigende Wagschale läßt sich immer
wieder ein Gegengewicht legen. Entschließe

dung, indem er nachzugeben ſchien und nur
die Form, den Geſchaͤftsgang zur Sprache
brachte, durch welchen man dieſe Trennung,
dieſe Verbindungen erreichen ſollte. Da trat
denn ſo manches Unerfreuliche, Beſchwerliche,
Unſchickliche hervor, daß ſich Eduard in die
ſchlimmſte Laune verſetzt fuͤhlte.

Ich ſehe wohl, rief dieſer endlich, nicht
allein von Feinden, ſondern auch von Freun¬
den muß was man wuͤnſcht, erſtuͤrmt werden.
Das was ich will, was mir unentbehrlich iſt,
halte ich feſt im Auge; ich werde es ergrei¬
fen und gewiß bald und behende. Derglei¬
chen Verhaͤltniſſe, weiß ich wohl, heben ſich
nicht auf und bilden ſich nicht, ohne daß
manches falle was ſteht, ohne daß manches
weiche was zu beharren Luſt hat. Durch
Ueberlegung wird ſo etwas nicht geendet; vor
dem Verſtande ſind alle Rechte gleich, und
auf die ſteigende Wagſchale laͤßt ſich immer
wieder ein Gegengewicht legen. Entſchließe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0240" n="237"/>
dung, indem er nachzugeben &#x017F;chien und nur<lb/>
die Form, den Ge&#x017F;cha&#x0364;ftsgang zur Sprache<lb/>
brachte, durch welchen man die&#x017F;e Trennung,<lb/>
die&#x017F;e Verbindungen erreichen &#x017F;ollte. Da trat<lb/>
denn &#x017F;o manches Unerfreuliche, Be&#x017F;chwerliche,<lb/>
Un&#x017F;chickliche hervor, daß &#x017F;ich Eduard in die<lb/>
&#x017F;chlimm&#x017F;te Laune ver&#x017F;etzt fu&#x0364;hlte.</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;ehe wohl, rief die&#x017F;er endlich, nicht<lb/>
allein von Feinden, &#x017F;ondern auch von Freun¬<lb/>
den muß was man wu&#x0364;n&#x017F;cht, er&#x017F;tu&#x0364;rmt werden.<lb/>
Das was ich will, was mir unentbehrlich i&#x017F;t,<lb/>
halte ich fe&#x017F;t im Auge; ich werde es ergrei¬<lb/>
fen und gewiß bald und behende. Derglei¬<lb/>
chen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, weiß ich wohl, heben &#x017F;ich<lb/>
nicht auf und bilden &#x017F;ich nicht, ohne daß<lb/>
manches falle was &#x017F;teht, ohne daß manches<lb/>
weiche was zu beharren Lu&#x017F;t hat. Durch<lb/>
Ueberlegung wird &#x017F;o etwas nicht geendet; vor<lb/>
dem Ver&#x017F;tande &#x017F;ind alle Rechte gleich, und<lb/>
auf die &#x017F;teigende Wag&#x017F;chale la&#x0364;ßt &#x017F;ich immer<lb/>
wieder ein Gegengewicht legen. Ent&#x017F;chließe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0240] dung, indem er nachzugeben ſchien und nur die Form, den Geſchaͤftsgang zur Sprache brachte, durch welchen man dieſe Trennung, dieſe Verbindungen erreichen ſollte. Da trat denn ſo manches Unerfreuliche, Beſchwerliche, Unſchickliche hervor, daß ſich Eduard in die ſchlimmſte Laune verſetzt fuͤhlte. Ich ſehe wohl, rief dieſer endlich, nicht allein von Feinden, ſondern auch von Freun¬ den muß was man wuͤnſcht, erſtuͤrmt werden. Das was ich will, was mir unentbehrlich iſt, halte ich feſt im Auge; ich werde es ergrei¬ fen und gewiß bald und behende. Derglei¬ chen Verhaͤltniſſe, weiß ich wohl, heben ſich nicht auf und bilden ſich nicht, ohne daß manches falle was ſteht, ohne daß manches weiche was zu beharren Luſt hat. Durch Ueberlegung wird ſo etwas nicht geendet; vor dem Verſtande ſind alle Rechte gleich, und auf die ſteigende Wagſchale laͤßt ſich immer wieder ein Gegengewicht legen. Entſchließe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/240
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/240>, abgerufen am 21.11.2024.