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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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entzückt über diese Entdeckung, sprach ohne
Rückhalt von der gegenseitigen Neigung Char¬
lottens und des Majors, die er, weil es ihm
gerade bequem und günstig war, mit lebhaf¬
ten Farben ausmalte.

Ganz läugnen konnte der Major nicht und
nicht ganz eingestehen; aber Eduard befestigte,
bestimmte sich nur mehr. Er dachte sich al¬
les nicht als möglich, sondern als schon ge¬
schehen. Alle Theile brauchten nur in das
zu willigen was sie wünschten; eine Schei¬
dung war gewiß zu erlangen; eine baldige
Verbindung sollte folgen, und Eduard wollte
mit Ottilien reisen.

Unter allem was die Einbildungskraft sich
Angenehmes ausmalt, ist vielleicht nichts Rei¬
zenderes, als wenn Liebende, wenn junge
Gatten, ihr neues frisches Verhältniß in einer
neuen frischen Welt zu genießen, und einen
dauernden Bund an so viel wechselnden Zu¬

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entzuͤckt uͤber dieſe Entdeckung, ſprach ohne
Ruͤckhalt von der gegenſeitigen Neigung Char¬
lottens und des Majors, die er, weil es ihm
gerade bequem und guͤnſtig war, mit lebhaf¬
ten Farben ausmalte.

Ganz laͤugnen konnte der Major nicht und
nicht ganz eingeſtehen; aber Eduard befeſtigte,
beſtimmte ſich nur mehr. Er dachte ſich al¬
les nicht als moͤglich, ſondern als ſchon ge¬
ſchehen. Alle Theile brauchten nur in das
zu willigen was ſie wuͤnſchten; eine Schei¬
dung war gewiß zu erlangen; eine baldige
Verbindung ſollte folgen, und Eduard wollte
mit Ottilien reiſen.

Unter allem was die Einbildungskraft ſich
Angenehmes ausmalt, iſt vielleicht nichts Rei¬
zenderes, als wenn Liebende, wenn junge
Gatten, ihr neues friſches Verhaͤltniß in einer
neuen friſchen Welt zu genießen, und einen
dauernden Bund an ſo viel wechſelnden Zu¬

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[243/0246] entzuͤckt uͤber dieſe Entdeckung, ſprach ohne Ruͤckhalt von der gegenſeitigen Neigung Char¬ lottens und des Majors, die er, weil es ihm gerade bequem und guͤnſtig war, mit lebhaf¬ ten Farben ausmalte. Ganz laͤugnen konnte der Major nicht und nicht ganz eingeſtehen; aber Eduard befeſtigte, beſtimmte ſich nur mehr. Er dachte ſich al¬ les nicht als moͤglich, ſondern als ſchon ge¬ ſchehen. Alle Theile brauchten nur in das zu willigen was ſie wuͤnſchten; eine Schei¬ dung war gewiß zu erlangen; eine baldige Verbindung ſollte folgen, und Eduard wollte mit Ottilien reiſen. Unter allem was die Einbildungskraft ſich Angenehmes ausmalt, iſt vielleicht nichts Rei¬ zenderes, als wenn Liebende, wenn junge Gatten, ihr neues friſches Verhaͤltniß in einer neuen friſchen Welt zu genießen, und einen dauernden Bund an ſo viel wechſelnden Zu¬ 16 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/246>, abgerufen am 21.11.2024.