Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Morgen dämmerte, das Licht ver¬
losch, beyde Freunde schienen aus einem dum¬
pfen Traum zu erwachen. Charlotte blickte
den Major an und sagte gefaßt: erklären Sie
mir, mein Freund, durch welche Schickung
kommen Sie hieher, um Theil an dieser Trau¬
erscene zu nehmen?

Es ist hier, antwortete der Major ganz
leise wie sie gefragt hatte, -- als wenn sie
Ottilien nicht aufwecken wollten -- es ist hier
nicht Zeit und Ort, zurückzuhalten, Einlei¬
tungen zu machen und sachte heran zu treten.
Der Fall, in dem ich Sie finde, ist so unge¬
heuer, daß das Bedeutende selbst weshalb ich
komme, dagegen seinen Werth verliert.

Er gestand ihr darauf, ganz ruhig und
einfach, den Zweck seiner Sendung, in so fern
Eduard ihn abgeschickt hatte; den Zweck sei¬
nes Kommens, in so fern sein freyer Wille,
sein eigenes Interesse dabey war. Er trug

Der Morgen daͤmmerte, das Licht ver¬
loſch, beyde Freunde ſchienen aus einem dum¬
pfen Traum zu erwachen. Charlotte blickte
den Major an und ſagte gefaßt: erklaͤren Sie
mir, mein Freund, durch welche Schickung
kommen Sie hieher, um Theil an dieſer Trau¬
erſcene zu nehmen?

Es iſt hier, antwortete der Major ganz
leiſe wie ſie gefragt hatte, — als wenn ſie
Ottilien nicht aufwecken wollten — es iſt hier
nicht Zeit und Ort, zuruͤckzuhalten, Einlei¬
tungen zu machen und ſachte heran zu treten.
Der Fall, in dem ich Sie finde, iſt ſo unge¬
heuer, daß das Bedeutende ſelbſt weshalb ich
komme, dagegen ſeinen Werth verliert.

Er geſtand ihr darauf, ganz ruhig und
einfach, den Zweck ſeiner Sendung, in ſo fern
Eduard ihn abgeſchickt hatte; den Zweck ſei¬
nes Kommens, in ſo fern ſein freyer Wille,
ſein eigenes Intereſſe dabey war. Er trug

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0264" n="261"/>
        <p>Der Morgen da&#x0364;mmerte, das Licht ver¬<lb/>
lo&#x017F;ch, beyde Freunde &#x017F;chienen aus einem dum¬<lb/>
pfen Traum zu erwachen. Charlotte blickte<lb/>
den Major an und &#x017F;agte gefaßt: erkla&#x0364;ren Sie<lb/>
mir, mein Freund, durch welche Schickung<lb/>
kommen Sie hieher, um Theil an die&#x017F;er Trau¬<lb/>
er&#x017F;cene zu nehmen?</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t hier, antwortete der Major ganz<lb/>
lei&#x017F;e wie &#x017F;ie gefragt hatte, &#x2014; als wenn &#x017F;ie<lb/>
Ottilien nicht aufwecken wollten &#x2014; es i&#x017F;t hier<lb/>
nicht Zeit und Ort, zuru&#x0364;ckzuhalten, Einlei¬<lb/>
tungen zu machen und &#x017F;achte heran zu treten.<lb/>
Der Fall, in dem ich Sie finde, i&#x017F;t &#x017F;o unge¬<lb/>
heuer, daß das Bedeutende &#x017F;elb&#x017F;t weshalb ich<lb/>
komme, dagegen &#x017F;einen Werth verliert.</p><lb/>
        <p>Er ge&#x017F;tand ihr darauf, ganz ruhig und<lb/>
einfach, den Zweck &#x017F;einer Sendung, in &#x017F;o fern<lb/>
Eduard ihn abge&#x017F;chickt hatte; den Zweck &#x017F;ei¬<lb/>
nes Kommens, in &#x017F;o fern &#x017F;ein freyer Wille,<lb/>
&#x017F;ein eigenes Intere&#x017F;&#x017F;e dabey war. Er trug<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0264] Der Morgen daͤmmerte, das Licht ver¬ loſch, beyde Freunde ſchienen aus einem dum¬ pfen Traum zu erwachen. Charlotte blickte den Major an und ſagte gefaßt: erklaͤren Sie mir, mein Freund, durch welche Schickung kommen Sie hieher, um Theil an dieſer Trau¬ erſcene zu nehmen? Es iſt hier, antwortete der Major ganz leiſe wie ſie gefragt hatte, — als wenn ſie Ottilien nicht aufwecken wollten — es iſt hier nicht Zeit und Ort, zuruͤckzuhalten, Einlei¬ tungen zu machen und ſachte heran zu treten. Der Fall, in dem ich Sie finde, iſt ſo unge¬ heuer, daß das Bedeutende ſelbſt weshalb ich komme, dagegen ſeinen Werth verliert. Er geſtand ihr darauf, ganz ruhig und einfach, den Zweck ſeiner Sendung, in ſo fern Eduard ihn abgeſchickt hatte; den Zweck ſei¬ nes Kommens, in ſo fern ſein freyer Wille, ſein eigenes Intereſſe dabey war. Er trug

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/264
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/264>, abgerufen am 24.11.2024.