Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gasthaus trat, da trat ich ins Haus unsers Juden. -- Ich erschrak, als ich diese Entdeckung gemacht, aber ich suchte mich zu fassen. -- Ich zitterte, ich bebte, aber ich schob's auf den Frost. Ich wollte wieder fort, aber der Wirth glaubte mich krank und zwang mich zu bleiben, aus Menschlichkeit. -- -- Er räumte mir einen Platz ein am Ofen, reichte mir Warmbier, er der Sohn unsres -- er hatte eine verdammte Aehnlichkeit mit seinem Vater -- -- Ich dachte: du mußt dich gewöhnen an seinen Anblick -- aber je mehr ich ihn ansah, je mehr fror mich -- ich konnte mein Auge nicht lassen von ihm, und sah ich auch fort, ich sah ihn doch -- -- Da nahm ich meinen Hut und meinen Stock und verlangte eine Streu bei den Pferden. -- Der Wirth aber hatte aus meinem Paß schon ersehen, daß ich ein Bäcker sei, bot mir ein Nachtlager deshalb auf dem Backofen an, "da schlafet Ihr wärmer als im Stall," und ich nahm's an. -- Als ich nun ging nach der Backstube, da lag sie wie Anno zwölf, und als ich hineintrat in die Backstube, da sah sie aus wie Anno zwölf, und als ich auf den Ofen geklettert war, da war auch das Loch in der Decke darüber, durch welches wir in des Juden Wohnzimmer gestiegen. -- -- Auf den Knieen und Händen, wie man kriecht, wenn man muß, blieb ich halten und starrte nach dem Loch -- die Leute aber in der Backstube und meine Mattigkeit und mein Frost gestatteten mir keine Umkehr, ohne Aufsehn und Fragen zu veranlassen, auf welche ich vielleicht keine Ausrede ge- Gasthaus trat, da trat ich ins Haus unsers Juden. — Ich erschrak, als ich diese Entdeckung gemacht, aber ich suchte mich zu fassen. — Ich zitterte, ich bebte, aber ich schob’s auf den Frost. Ich wollte wieder fort, aber der Wirth glaubte mich krank und zwang mich zu bleiben, aus Menschlichkeit. — — Er räumte mir einen Platz ein am Ofen, reichte mir Warmbier, er der Sohn unsres — er hatte eine verdammte Aehnlichkeit mit seinem Vater — — Ich dachte: du mußt dich gewöhnen an seinen Anblick — aber je mehr ich ihn ansah, je mehr fror mich — ich konnte mein Auge nicht lassen von ihm, und sah ich auch fort, ich sah ihn doch — — Da nahm ich meinen Hut und meinen Stock und verlangte eine Streu bei den Pferden. — Der Wirth aber hatte aus meinem Paß schon ersehen, daß ich ein Bäcker sei, bot mir ein Nachtlager deshalb auf dem Backofen an, “da schlafet Ihr wärmer als im Stall,“ und ich nahm's an. — Als ich nun ging nach der Backstube, da lag sie wie Anno zwölf, und als ich hineintrat in die Backstube, da sah sie aus wie Anno zwölf, und als ich auf den Ofen geklettert war, da war auch das Loch in der Decke darüber, durch welches wir in des Juden Wohnzimmer gestiegen. — — Auf den Knieen und Händen, wie man kriecht, wenn man muß, blieb ich halten und starrte nach dem Loch — die Leute aber in der Backstube und meine Mattigkeit und mein Frost gestatteten mir keine Umkehr, ohne Aufsehn und Fragen zu veranlassen, auf welche ich vielleicht keine Ausrede ge- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0029"/> Gasthaus trat, da trat ich ins Haus unsers Juden. — Ich erschrak, als ich diese Entdeckung gemacht, aber ich suchte mich zu fassen. — Ich zitterte, ich bebte, aber ich schob’s auf den Frost. Ich wollte wieder fort, aber der Wirth glaubte mich krank und zwang mich zu bleiben, aus Menschlichkeit. — — Er räumte mir einen Platz ein am Ofen, reichte mir Warmbier, er der Sohn unsres — er hatte eine verdammte Aehnlichkeit mit seinem Vater — — Ich dachte: du mußt dich gewöhnen an seinen Anblick — aber je mehr ich ihn ansah, je mehr fror mich — ich konnte mein Auge nicht lassen von ihm, und sah ich auch fort, ich sah ihn doch — — Da nahm ich meinen Hut und meinen Stock und verlangte eine Streu bei den Pferden. — Der Wirth aber hatte aus meinem Paß schon ersehen, daß ich ein Bäcker sei, bot mir ein Nachtlager deshalb auf dem Backofen an, “da schlafet Ihr wärmer als im Stall,“ und ich nahm's an. — Als ich nun ging nach der Backstube, da lag sie wie Anno zwölf, und als ich hineintrat in die Backstube, da sah sie aus wie Anno zwölf, und als ich auf den Ofen geklettert war, da war auch das Loch in der Decke darüber, durch welches wir in des Juden Wohnzimmer gestiegen. — — Auf den Knieen und Händen, wie man kriecht, wenn man muß, blieb ich halten und starrte nach dem Loch — die Leute aber in der Backstube und meine Mattigkeit und mein Frost gestatteten mir keine Umkehr, ohne Aufsehn und Fragen zu veranlassen, auf welche ich vielleicht keine Ausrede ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Gasthaus trat, da trat ich ins Haus unsers Juden. — Ich erschrak, als ich diese Entdeckung gemacht, aber ich suchte mich zu fassen. — Ich zitterte, ich bebte, aber ich schob’s auf den Frost. Ich wollte wieder fort, aber der Wirth glaubte mich krank und zwang mich zu bleiben, aus Menschlichkeit. — — Er räumte mir einen Platz ein am Ofen, reichte mir Warmbier, er der Sohn unsres — er hatte eine verdammte Aehnlichkeit mit seinem Vater — — Ich dachte: du mußt dich gewöhnen an seinen Anblick — aber je mehr ich ihn ansah, je mehr fror mich — ich konnte mein Auge nicht lassen von ihm, und sah ich auch fort, ich sah ihn doch — — Da nahm ich meinen Hut und meinen Stock und verlangte eine Streu bei den Pferden. — Der Wirth aber hatte aus meinem Paß schon ersehen, daß ich ein Bäcker sei, bot mir ein Nachtlager deshalb auf dem Backofen an, “da schlafet Ihr wärmer als im Stall,“ und ich nahm's an. — Als ich nun ging nach der Backstube, da lag sie wie Anno zwölf, und als ich hineintrat in die Backstube, da sah sie aus wie Anno zwölf, und als ich auf den Ofen geklettert war, da war auch das Loch in der Decke darüber, durch welches wir in des Juden Wohnzimmer gestiegen. — — Auf den Knieen und Händen, wie man kriecht, wenn man muß, blieb ich halten und starrte nach dem Loch — die Leute aber in der Backstube und meine Mattigkeit und mein Frost gestatteten mir keine Umkehr, ohne Aufsehn und Fragen zu veranlassen, auf welche ich vielleicht keine Ausrede ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T16:05:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T16:05:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |