Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.troffen hätte; ich blieb also oben und legte mich zurecht; einen Sack unterm Leib, einen Sack unterm Kopf -- mir ward wohl auf dem Ofen. Aber das Loch in der Decke -- nicht bloß, daß ich mich immer hindurchsteigen sah, nein, ich sah auch, was dann im Zimmer geschehen, mir ward heiß, wie in der Hölle! -- Ich fing an zu rücken von dem Loche hinweg -- ich kam auf die Kante des Ofens -- mein halber Leib kam ins Hängen über der Kante -- ich konnte mich nicht wieder hinaufschwingen: ich war doppelsichtig und hellsehend geworden, ich sah durch Mauern und Wände, ich sah mich und den Juden, sah, wie er den Schlüssel in die Thür schob, wie er den Kopf dann hereinsteckte und wie ich -- ja siehst du, beim Blitzen des Beils bog ich mich weiter zurück, als gälte der Schlag mir, und stürzte -- vom Ofen herunter. Der Lärm, der Fall -- mir war, als hörte ich mich mit dem Juden die Treppe herabfahren, mir vergingen die Sinnen darüber. So bin ich zum Hinken und -- Beichten gekommen! Zum Beichten?! Laß das, Herzbruder! Der Jude hat mir verziehen; -- ich war in Angst und schob dir die große Hälfte zu; -- -- aber das Wandern hab' ich satt: du mußt mich erlösen davon. Du mußt. Denn sieh, wenn ich dem Juden sagte: hier ist mein Kamerad -- -- würd' er dir auch verzeihen? würd' er schweigen? wer weiß! -- -- Behalten mußt du mich, ich weiche dir nicht wieder von der Seite. troffen hätte; ich blieb also oben und legte mich zurecht; einen Sack unterm Leib, einen Sack unterm Kopf — mir ward wohl auf dem Ofen. Aber das Loch in der Decke — nicht bloß, daß ich mich immer hindurchsteigen sah, nein, ich sah auch, was dann im Zimmer geschehen, mir ward heiß, wie in der Hölle! — Ich fing an zu rücken von dem Loche hinweg — ich kam auf die Kante des Ofens — mein halber Leib kam ins Hängen über der Kante — ich konnte mich nicht wieder hinaufschwingen: ich war doppelsichtig und hellsehend geworden, ich sah durch Mauern und Wände, ich sah mich und den Juden, sah, wie er den Schlüssel in die Thür schob, wie er den Kopf dann hereinsteckte und wie ich — ja siehst du, beim Blitzen des Beils bog ich mich weiter zurück, als gälte der Schlag mir, und stürzte — vom Ofen herunter. Der Lärm, der Fall — mir war, als hörte ich mich mit dem Juden die Treppe herabfahren, mir vergingen die Sinnen darüber. So bin ich zum Hinken und — Beichten gekommen! Zum Beichten?! Laß das, Herzbruder! Der Jude hat mir verziehen; — ich war in Angst und schob dir die große Hälfte zu; — — aber das Wandern hab' ich satt: du mußt mich erlösen davon. Du mußt. Denn sieh, wenn ich dem Juden sagte: hier ist mein Kamerad — — würd' er dir auch verzeihen? würd' er schweigen? wer weiß! — — Behalten mußt du mich, ich weiche dir nicht wieder von der Seite. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0030"/> troffen hätte; ich blieb also oben und legte mich zurecht; einen Sack unterm Leib, einen Sack unterm Kopf — mir ward wohl auf dem Ofen. Aber das Loch in der Decke — nicht bloß, daß ich mich immer hindurchsteigen sah, nein, ich sah auch, was dann im Zimmer geschehen, mir ward heiß, wie in der Hölle! — Ich fing an zu rücken von dem Loche hinweg — ich kam auf die Kante des Ofens — mein halber Leib kam ins Hängen über der Kante — ich konnte mich nicht wieder hinaufschwingen: ich war doppelsichtig und hellsehend geworden, ich sah durch Mauern und Wände, ich sah mich und den Juden, sah, wie er den Schlüssel in die Thür schob, wie er den Kopf dann hereinsteckte und wie ich — ja siehst du, beim Blitzen des Beils bog ich mich weiter zurück, als gälte der Schlag mir, und stürzte — vom Ofen herunter. Der Lärm, der Fall — mir war, als hörte ich mich mit dem Juden die Treppe herabfahren, mir vergingen die Sinnen darüber. So bin ich zum Hinken und — <hi rendition="#g">Beichten</hi> gekommen!</p><lb/> <p>Zum Beichten?!</p><lb/> <p>Laß das, Herzbruder! Der Jude hat mir verziehen; — ich war in Angst und schob <hi rendition="#g">dir die große Hälfte zu</hi>; — — aber das Wandern hab' ich satt: du mußt mich erlösen davon. <hi rendition="#g">Du mußt</hi>. Denn sieh, wenn ich dem Juden sagte: hier ist mein Kamerad — — würd' er dir auch verzeihen? würd' er schweigen? wer weiß! — — Behalten mußt du mich, ich weiche dir nicht wieder von der Seite.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
troffen hätte; ich blieb also oben und legte mich zurecht; einen Sack unterm Leib, einen Sack unterm Kopf — mir ward wohl auf dem Ofen. Aber das Loch in der Decke — nicht bloß, daß ich mich immer hindurchsteigen sah, nein, ich sah auch, was dann im Zimmer geschehen, mir ward heiß, wie in der Hölle! — Ich fing an zu rücken von dem Loche hinweg — ich kam auf die Kante des Ofens — mein halber Leib kam ins Hängen über der Kante — ich konnte mich nicht wieder hinaufschwingen: ich war doppelsichtig und hellsehend geworden, ich sah durch Mauern und Wände, ich sah mich und den Juden, sah, wie er den Schlüssel in die Thür schob, wie er den Kopf dann hereinsteckte und wie ich — ja siehst du, beim Blitzen des Beils bog ich mich weiter zurück, als gälte der Schlag mir, und stürzte — vom Ofen herunter. Der Lärm, der Fall — mir war, als hörte ich mich mit dem Juden die Treppe herabfahren, mir vergingen die Sinnen darüber. So bin ich zum Hinken und — Beichten gekommen!
Zum Beichten?!
Laß das, Herzbruder! Der Jude hat mir verziehen; — ich war in Angst und schob dir die große Hälfte zu; — — aber das Wandern hab' ich satt: du mußt mich erlösen davon. Du mußt. Denn sieh, wenn ich dem Juden sagte: hier ist mein Kamerad — — würd' er dir auch verzeihen? würd' er schweigen? wer weiß! — — Behalten mußt du mich, ich weiche dir nicht wieder von der Seite.
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Zitationshilfe: | Goldammer, Leo: Auf Wiedersehen! In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 157–185. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_wiedersehen_1910/30>, abgerufen am 16.07.2024. |