Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.fremde Weiber brachten und mehrten beides. Die Klei¬ "Fast zweihundert Jahre waren verflossen, seit die fremde Weiber brachten und mehrten beides. Die Klei¬ „Faſt zweihundert Jahre waren verfloſſen, ſeit die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0102" n="92"/> fremde Weiber brachten und mehrten beides. Die Klei¬<lb/> der wurden hoffärtiger, Kleinode ſah man glänzen, ja<lb/> ſelbſt an die heiligen Zeichen wagte die Hoffart ſich, und<lb/> ſtatt daß ihre Herzen während dem Beten inbrünſtig<lb/> bei Gott geweſen wären, hingen ihre Augen hoffärtig<lb/> an den goldenen Kugeln ihres Roſenkranzes. So ward<lb/> ihr Gottesdienſt Pracht und Hoffart, ihre Herzen aber<lb/> hart gegen Gott und Menſchen. Um Gottes Gebote<lb/> bekümmerte man ſich nicht; ſeines Dienſtes ſeiner Die¬<lb/> ner ſpottete man; denn wo viel Hoffart iſt oder viel<lb/> Geld, da kömmt gerne der Wahn, daß man ſeine Ge¬<lb/> lüſten für Weisheit hält, und dieſe Weisheit höher als<lb/> Gottes Weisheit. Wie ſie früher von den Rittern ge¬<lb/> plagt worden waren, ſo wurden ſie jetzt hart gegen<lb/> das Geſinde und plagten dieſes; und je weniger ſie<lb/> ſelbſt arbeiteten, um ſo mehr mutheten ſie dieſem zu,<lb/> und je mehr ſie Arbeit von Knechten und Mägden for¬<lb/> derten, um ſo mehr behandelten ſie dieſelben wie un¬<lb/> vernünftiges Vieh; und daß dieſe auch Seelen hätten,<lb/> die zu wahren ſeien, dachten ſie nicht. Wo viel Geld<lb/> oder viel Hoffart iſt, da fängt das Bauen an, Einer<lb/> ſchöner als der Andere, und wie früher die Ritter<lb/> bauten, ſo bauten jetzt ſie, und wie früher die Ritter<lb/> ſie plagten, ſo ſchonten ſie jetzt weder Geſinde noch<lb/> Vieh, wenn der Bauteufel über ſie kam. Dieſer Wandel<lb/> war auch über dieſes Haus gekommen, während der<lb/> alte Reichthum geblieben war.</p><lb/> <p>„Faſt zweihundert Jahre waren verfloſſen, ſeit die<lb/> Spinne im Loche gefangen ſaß; da war ein ſchlau und<lb/> kräftig Weib hier Meiſter; ſie war keine Lindauerin,<lb/> aber doch glich ſie Chriſtine in vielen Stücken. Sie<lb/> war auch aus der Fremde, der Hoffart, dem Hoch¬<lb/> muthe ergeben, und hatte einen einzigen Sohn; der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [92/0102]
fremde Weiber brachten und mehrten beides. Die Klei¬
der wurden hoffärtiger, Kleinode ſah man glänzen, ja
ſelbſt an die heiligen Zeichen wagte die Hoffart ſich, und
ſtatt daß ihre Herzen während dem Beten inbrünſtig
bei Gott geweſen wären, hingen ihre Augen hoffärtig
an den goldenen Kugeln ihres Roſenkranzes. So ward
ihr Gottesdienſt Pracht und Hoffart, ihre Herzen aber
hart gegen Gott und Menſchen. Um Gottes Gebote
bekümmerte man ſich nicht; ſeines Dienſtes ſeiner Die¬
ner ſpottete man; denn wo viel Hoffart iſt oder viel
Geld, da kömmt gerne der Wahn, daß man ſeine Ge¬
lüſten für Weisheit hält, und dieſe Weisheit höher als
Gottes Weisheit. Wie ſie früher von den Rittern ge¬
plagt worden waren, ſo wurden ſie jetzt hart gegen
das Geſinde und plagten dieſes; und je weniger ſie
ſelbſt arbeiteten, um ſo mehr mutheten ſie dieſem zu,
und je mehr ſie Arbeit von Knechten und Mägden for¬
derten, um ſo mehr behandelten ſie dieſelben wie un¬
vernünftiges Vieh; und daß dieſe auch Seelen hätten,
die zu wahren ſeien, dachten ſie nicht. Wo viel Geld
oder viel Hoffart iſt, da fängt das Bauen an, Einer
ſchöner als der Andere, und wie früher die Ritter
bauten, ſo bauten jetzt ſie, und wie früher die Ritter
ſie plagten, ſo ſchonten ſie jetzt weder Geſinde noch
Vieh, wenn der Bauteufel über ſie kam. Dieſer Wandel
war auch über dieſes Haus gekommen, während der
alte Reichthum geblieben war.
„Faſt zweihundert Jahre waren verfloſſen, ſeit die
Spinne im Loche gefangen ſaß; da war ein ſchlau und
kräftig Weib hier Meiſter; ſie war keine Lindauerin,
aber doch glich ſie Chriſtine in vielen Stücken. Sie
war auch aus der Fremde, der Hoffart, dem Hoch¬
muthe ergeben, und hatte einen einzigen Sohn; der
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