sie wäre sogar gerne zärtlich geworden um Stündigung zu erhalten, allein der Grüne war nicht aufgelegt, wankte nicht, jetzt oder nie, sagte er. Sobald aber der Handel geschlossen sei um ein einzig Kind, so wolle er in jeder Nacht so viel Buchen auf Bärhegen führen, als man ihm vor Mitternacht unten an den Kilchstal¬ den liefere, dort wollte er sie in Empfang nehmen. -- "Nun, schöne Frau, bedenke dich nicht", sagte der Grüne, und klopfte Christine holdselig auf die Wange. Da klopfte doch ihr Herz, sie hätte lieber die Männer hin¬ eingestoßen, um hintendrein sie schuld geben zu können. Aber die Zeit drängte, kein Mann war da als Sünden¬ bock, und der Glaube verließ sie nicht, daß sie listiger als der Grüne sei, und wohl ein Einfall kommen werde, ihn mit langer Nase abzuspeisen. Darum sagte Chri¬ stine: Sie für ihre Person wolle zugesagt haben, wenn aber dann später die Männer nicht wollten, so ver¬ möchte sie sich dessen nicht, und er solle es sie nicht ent¬ gelten lassen. Mit dem Versprechen, zu thun was sie könne, sei er hinlänglich zufrieden, sagte der Grüne. Jetzt schauderte es Christine doch an Leib und Seele, jetzt meinte sie, komme der schreckliche Augenblick, wo sie mit Blut von ihrem Blute dem Grünen den Akkord unterschreiben müsse. Aber der Grüne machte es viel leichtlicher und sagte: Von hübschen Weibern begehre er nie eine Unterschrift, mit einem Kuß sei er zufrie¬ den. Somit spitzte er seinen Mund gegen Christinens Gesicht und Christine konnte nicht fliehen, war wiederum wie gebannt, steif und starr. Da berührte der spitzige Mund Christinens Gesicht, und ihr war als ob von spitzigem Eisen das Feuer durch Mark und Bein fahre, durch Leib und Seele; und ein gelber Blitz fuhr zwi¬ schen ihnen durch und zeigte Christine freudig verzerrt
ſie wäre ſogar gerne zärtlich geworden um Stündigung zu erhalten, allein der Grüne war nicht aufgelegt, wankte nicht, jetzt oder nie, ſagte er. Sobald aber der Handel geſchloſſen ſei um ein einzig Kind, ſo wolle er in jeder Nacht ſo viel Buchen auf Bärhegen führen, als man ihm vor Mitternacht unten an den Kilchſtal¬ den liefere, dort wollte er ſie in Empfang nehmen. — „Nun, ſchöne Frau, bedenke dich nicht“, ſagte der Grüne, und klopfte Chriſtine holdſelig auf die Wange. Da klopfte doch ihr Herz, ſie hätte lieber die Männer hin¬ eingeſtoßen, um hintendrein ſie ſchuld geben zu können. Aber die Zeit drängte, kein Mann war da als Sünden¬ bock, und der Glaube verließ ſie nicht, daß ſie liſtiger als der Grüne ſei, und wohl ein Einfall kommen werde, ihn mit langer Naſe abzuſpeiſen. Darum ſagte Chri¬ ſtine: Sie für ihre Perſon wolle zugeſagt haben, wenn aber dann ſpäter die Männer nicht wollten, ſo ver¬ möchte ſie ſich deſſen nicht, und er ſolle es ſie nicht ent¬ gelten laſſen. Mit dem Verſprechen, zu thun was ſie könne, ſei er hinlänglich zufrieden, ſagte der Grüne. Jetzt ſchauderte es Chriſtine doch an Leib und Seele, jetzt meinte ſie, komme der ſchreckliche Augenblick, wo ſie mit Blut von ihrem Blute dem Grünen den Akkord unterſchreiben müſſe. Aber der Grüne machte es viel leichtlicher und ſagte: Von hübſchen Weibern begehre er nie eine Unterſchrift, mit einem Kuß ſei er zufrie¬ den. Somit ſpitzte er ſeinen Mund gegen Chriſtinens Geſicht und Chriſtine konnte nicht fliehen, war wiederum wie gebannt, ſteif und ſtarr. Da berührte der ſpitzige Mund Chriſtinens Geſicht, und ihr war als ob von ſpitzigem Eiſen das Feuer durch Mark und Bein fahre, durch Leib und Seele; und ein gelber Blitz fuhr zwi¬ ſchen ihnen durch und zeigte Chriſtine freudig verzerrt
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ſie wäre ſogar gerne zärtlich geworden um Stündigung
zu erhalten, allein der Grüne war nicht aufgelegt,
wankte nicht, jetzt oder nie, ſagte er. Sobald aber der
Handel geſchloſſen ſei um ein einzig Kind, ſo wolle er
in jeder Nacht ſo viel Buchen auf Bärhegen führen,
als man ihm vor Mitternacht unten an den Kilchſtal¬
den liefere, dort wollte er ſie in Empfang nehmen. —
„Nun, ſchöne Frau, bedenke dich nicht“, ſagte der Grüne,
und klopfte Chriſtine holdſelig auf die Wange. Da
klopfte doch ihr Herz, ſie hätte lieber die Männer hin¬
eingeſtoßen, um hintendrein ſie ſchuld geben zu können.
Aber die Zeit drängte, kein Mann war da als Sünden¬
bock, und der Glaube verließ ſie nicht, daß ſie liſtiger
als der Grüne ſei, und wohl ein Einfall kommen werde,
ihn mit langer Naſe abzuſpeiſen. Darum ſagte Chri¬
ſtine: Sie für ihre Perſon wolle zugeſagt haben, wenn
aber dann ſpäter die Männer nicht wollten, ſo ver¬
möchte ſie ſich deſſen nicht, und er ſolle es ſie nicht ent¬
gelten laſſen. Mit dem Verſprechen, zu thun was ſie
könne, ſei er hinlänglich zufrieden, ſagte der Grüne.
Jetzt ſchauderte es Chriſtine doch an Leib und Seele,
jetzt meinte ſie, komme der ſchreckliche Augenblick, wo ſie
mit Blut von ihrem Blute dem Grünen den Akkord
unterſchreiben müſſe. Aber der Grüne machte es viel
leichtlicher und ſagte: Von hübſchen Weibern begehre
er nie eine Unterſchrift, mit einem Kuß ſei er zufrie¬
den. Somit ſpitzte er ſeinen Mund gegen Chriſtinens
Geſicht und Chriſtine konnte nicht fliehen, war wiederum
wie gebannt, ſteif und ſtarr. Da berührte der ſpitzige
Mund Chriſtinens Geſicht, und ihr war als ob von
ſpitzigem Eiſen das Feuer durch Mark und Bein fahre,
durch Leib und Seele; und ein gelber Blitz fuhr zwi¬
ſchen ihnen durch und zeigte Chriſtine freudig verzerrt
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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/51>, abgerufen am 16.02.2025.
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