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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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machte es bange, daß auch sie eben so heimgesucht wer¬
den möchten, wie früher ihr Vieh, und der verstorbene
Priester hatte manches geäußert, welches ihm jetzt die
Seele aufrührte. Er hatte ihm manchmal gesagt, daß
alles Leid, welches er den Bauern anthue, auf ihn
zurück fahre; aber er hatte es nie geglaubt, weil er
meinte, Gott werde einen Unterschied zu machen wissen
zwischen einem Ritter und einem Bauer, hätte er sie
doch sonst nicht so verschieden erschaffen. Aber jetzt war
ihm doch Angst, es gehe nach des Priesters Wort, gab
harte Worte seinen Rittern und meinte, es käme jetzt
schwere Strafe ihrer leichtfertigen Worte wegen. Die
Ritter aber wollten auch nicht Schuld sein, und Einer
schob es dem Andern zu, und wenn es auch Keiner
sagte, so meintens doch Alle, das gehe eigentlich nur
den von Stoffeln an, denn wenn man es recht nehme,
so sei der an Allem Schuld. Und neben diesem sahen
sie einen jungen Polenritter an, der hatte eigentlich
die meisten leichtfertigen Worte über das Schloß ge¬
sprochen, und den von Stoffeln am meisten zum neuen
Bau und vermessenen Schattengange gereizt. Der war
noch sehr jung, aber der wildeste von Allen, und wenn
es eine vermessene That galt, so war er voran; er war
wie ein Heide und fürchtete weder Gott noch Teufel.
Der merkte wohl, was die Andern meinten, aber ihm
nicht sagen durften, merkte auch ihre heimliche Angst.
Darum höhnte er sie und sagte, wenn sie vor einer
Spinne sich fürchteten, was sie dann gegen Drachen
machen wollten? Dann wappnete er sich gut und ritt
ins Thal hinauf, sich vermessend, nicht zurückkehren zu
wollen, bis sein Stoß die Spinne hingestreckt, seine
Faust sie zerdrückt.

"Wilde Hunde sprangen um ihn her, der Falke

machte es bange, daß auch ſie eben ſo heimgeſucht wer¬
den möchten, wie früher ihr Vieh, und der verſtorbene
Prieſter hatte manches geäußert, welches ihm jetzt die
Seele aufrührte. Er hatte ihm manchmal geſagt, daß
alles Leid, welches er den Bauern anthue, auf ihn
zurück fahre; aber er hatte es nie geglaubt, weil er
meinte, Gott werde einen Unterſchied zu machen wiſſen
zwiſchen einem Ritter und einem Bauer, hätte er ſie
doch ſonſt nicht ſo verſchieden erſchaffen. Aber jetzt war
ihm doch Angſt, es gehe nach des Prieſters Wort, gab
harte Worte ſeinen Rittern und meinte, es käme jetzt
ſchwere Strafe ihrer leichtfertigen Worte wegen. Die
Ritter aber wollten auch nicht Schuld ſein, und Einer
ſchob es dem Andern zu, und wenn es auch Keiner
ſagte, ſo meintens doch Alle, das gehe eigentlich nur
den von Stoffeln an, denn wenn man es recht nehme,
ſo ſei der an Allem Schuld. Und neben dieſem ſahen
ſie einen jungen Polenritter an, der hatte eigentlich
die meiſten leichtfertigen Worte über das Schloß ge¬
ſprochen, und den von Stoffeln am meiſten zum neuen
Bau und vermeſſenen Schattengange gereizt. Der war
noch ſehr jung, aber der wildeſte von Allen, und wenn
es eine vermeſſene That galt, ſo war er voran; er war
wie ein Heide und fürchtete weder Gott noch Teufel.
Der merkte wohl, was die Andern meinten, aber ihm
nicht ſagen durften, merkte auch ihre heimliche Angſt.
Darum höhnte er ſie und ſagte, wenn ſie vor einer
Spinne ſich fürchteten, was ſie dann gegen Drachen
machen wollten? Dann wappnete er ſich gut und ritt
ins Thal hinauf, ſich vermeſſend, nicht zurückkehren zu
wollen, bis ſein Stoß die Spinne hingeſtreckt, ſeine
Fauſt ſie zerdrückt.

„Wilde Hunde ſprangen um ihn her, der Falke

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[78/0088] machte es bange, daß auch ſie eben ſo heimgeſucht wer¬ den möchten, wie früher ihr Vieh, und der verſtorbene Prieſter hatte manches geäußert, welches ihm jetzt die Seele aufrührte. Er hatte ihm manchmal geſagt, daß alles Leid, welches er den Bauern anthue, auf ihn zurück fahre; aber er hatte es nie geglaubt, weil er meinte, Gott werde einen Unterſchied zu machen wiſſen zwiſchen einem Ritter und einem Bauer, hätte er ſie doch ſonſt nicht ſo verſchieden erſchaffen. Aber jetzt war ihm doch Angſt, es gehe nach des Prieſters Wort, gab harte Worte ſeinen Rittern und meinte, es käme jetzt ſchwere Strafe ihrer leichtfertigen Worte wegen. Die Ritter aber wollten auch nicht Schuld ſein, und Einer ſchob es dem Andern zu, und wenn es auch Keiner ſagte, ſo meintens doch Alle, das gehe eigentlich nur den von Stoffeln an, denn wenn man es recht nehme, ſo ſei der an Allem Schuld. Und neben dieſem ſahen ſie einen jungen Polenritter an, der hatte eigentlich die meiſten leichtfertigen Worte über das Schloß ge¬ ſprochen, und den von Stoffeln am meiſten zum neuen Bau und vermeſſenen Schattengange gereizt. Der war noch ſehr jung, aber der wildeſte von Allen, und wenn es eine vermeſſene That galt, ſo war er voran; er war wie ein Heide und fürchtete weder Gott noch Teufel. Der merkte wohl, was die Andern meinten, aber ihm nicht ſagen durften, merkte auch ihre heimliche Angſt. Darum höhnte er ſie und ſagte, wenn ſie vor einer Spinne ſich fürchteten, was ſie dann gegen Drachen machen wollten? Dann wappnete er ſich gut und ritt ins Thal hinauf, ſich vermeſſend, nicht zurückkehren zu wollen, bis ſein Stoß die Spinne hingeſtreckt, ſeine Fauſt ſie zerdrückt. „Wilde Hunde ſprangen um ihn her, der Falke

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/88>, abgerufen am 22.11.2024.