Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_146.001 Flog mir an's Herz, das ihm entgegendrang. pgo_146.003Wo uns von ihm jed' Blümchen auf der Wiese pgo_146.004 pgo_146.005Ein Liebeszeichen froh entgegenhält. Erwacht und Gottes süßen Namen singt pgo_146.006 pgo_146.007Und aus der Brust zu ihm hinüberdringt -- Wo der Sturm, ein trunkener Sänger Gottes dahinbraust. pgo_146.008 pgo_146.014 pgo_146.031
der Strahl umspielt dein Haar (Geibel); mit ab: kein hirnlos Lieblingsliedlein pgo_146.032 abzuklimpern (Sallet); mit auf: aufschwirrt der Wasservögel Schaar pgo_146.033 (Gottschall); mit über: Verderben überflammt den Port (Gottschall) u. s. f. pgo_146.001 Flog mir an's Herz, das ihm entgegendrang. pgo_146.003Wo uns von ihm jed' Blümchen auf der Wiese pgo_146.004 pgo_146.005Ein Liebeszeichen froh entgegenhält. Erwacht und Gottes süßen Namen singt pgo_146.006 pgo_146.007Und aus der Brust zu ihm hinüberdringt — Wo der Sturm, ein trunkener Sänger Gottes dahinbraust. pgo_146.008 pgo_146.014 pgo_146.031
der Strahl umspielt dein Haar (Geibel); mit ab: kein hirnlos Lieblingsliedlein pgo_146.032 abzuklimpern (Sallet); mit auf: aufschwirrt der Wasservögel Schaar pgo_146.033 (Gottschall); mit über: Verderben überflammt den Port (Gottschall) u. s. f. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0168" n="146"/> <p><lb n="pgo_146.001"/> Man vergleiche in demselben Gedicht: <hi rendition="#g">Glauben, Wissen, Handeln:</hi></p> <lb n="pgo_146.002"/> <lg> <l>Flog mir an's Herz, das ihm <hi rendition="#g">entgegendrang.</hi> </l> </lg> <lb n="pgo_146.003"/> <lg> <l>Wo uns von ihm jed' Blümchen auf der Wiese</l> <lb n="pgo_146.004"/> <l>Ein Liebeszeichen froh <hi rendition="#g">entgegenhält.</hi></l> </lg> <lb n="pgo_146.005"/> <lg> <l>Erwacht und Gottes süßen Namen singt</l> <lb n="pgo_146.006"/> <l>Und aus der Brust zu ihm <hi rendition="#g">hinüberdringt</hi> — </l> </lg> <lb n="pgo_146.007"/> <lg> <l>Wo der Sturm, ein trunkener Sänger Gottes <hi rendition="#g">dahinbraust</hi>.</l> </lg> <p><lb n="pgo_146.008"/> Durch die Fähigkeit des deutschen Zeitwortes, mit den verschiedensten <lb n="pgo_146.009"/> Bestimmungswörtern zusammenzuwachsen, wird es den Dichtern möglich, <lb n="pgo_146.010"/> aus ihm eine neue und reiche Flora von Wort-Varietäten zu ziehen. <lb n="pgo_146.011"/> Ueber die Zusammensetzung des Participiums mit Hauptwörtern oder <lb n="pgo_146.012"/> Beiwörtern haben wir schon oben bei den adjectivischen Bestimmungen <lb n="pgo_146.013"/> gesprochen.</p> <p><lb n="pgo_146.014"/> Was schließlich die <hi rendition="#g">Partikeln</hi> betrifft, so kommt ihnen in der dichterischen <lb n="pgo_146.015"/> Rede nur ein sehr bescheidenes Plätzchen zu. Denn gerade der <lb n="pgo_146.016"/> logische Zusammenhang, den sie bezeichnen, und der sich in der Prosa gern <lb n="pgo_146.017"/> so klar wie möglich geltend macht, muß in der Poesie mehr herausgefühlt, <lb n="pgo_146.018"/> als ausdrücklich angezeigt werden. Solche doktrinaire Verbindungswörter, <lb n="pgo_146.019"/> wie <hi rendition="#g">daher, also, mithin, folglich, dennoch, insofern, <lb n="pgo_146.020"/> insoweit, dagegen weil, überhaupt</hi> u. s. f. müssen aus der Poesie <lb n="pgo_146.021"/> gänzlich verbannt werden. Zeitbestimmungen mit „<hi rendition="#g">nachdem</hi>“ auszudrücken, <lb n="pgo_146.022"/> ist ebenfalls schwerfällig und undichterisch. Wenn der Poet ein <lb n="pgo_146.023"/> „je“ gebraucht, so muß er es vermeiden, ein gewissenhaftes „desto“ darauf <lb n="pgo_146.024"/> folgen zu lassen, lieber „je“ wiederholen, nur nicht in dem störenden <lb n="pgo_146.025"/> Uebermaaß, wie es die oben angeführte Stelle aus Schiller's „Künstlern“ <lb n="pgo_146.026"/> zeigt. Die einfachste Partikel: „<hi rendition="#g">und</hi>“ ist wegen der Unscheinbarkeit und <lb n="pgo_146.027"/> Leichtigkeit der Verbindung für den Dichter die günstigste, sodaß man <lb n="pgo_146.028"/> ihre häufige Wiederholung unter dem Namen: <hi rendition="#g">Polysyndeton</hi> zu den <lb n="pgo_146.029"/> Figuren gerechnet hat. Jn der That machen alle guten Dichter von <lb n="pgo_146.030"/> dieser Figur einen häufigen Gebrauch:</p> <note xml:id="PGO_145_1b" prev="#PGO_145_1a" place="foot" n="*)"><lb n="pgo_146.031"/> der Strahl <hi rendition="#g">umspielt</hi> dein Haar (<hi rendition="#g">Geibel</hi>); mit <hi rendition="#g">ab:</hi> kein hirnlos Lieblingsliedlein <lb n="pgo_146.032"/> <hi rendition="#g">abzuklimpern (Sallet</hi>); mit <hi rendition="#g">auf: aufschwirrt</hi> der Wasservögel Schaar <lb n="pgo_146.033"/> (<hi rendition="#g">Gottschall</hi>); mit <hi rendition="#g">über:</hi> Verderben <hi rendition="#g">überflammt</hi> den Port (<hi rendition="#g">Gottschall</hi>) u. s. f.</note> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0168]
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Man vergleiche in demselben Gedicht: Glauben, Wissen, Handeln:
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Flog mir an's Herz, das ihm entgegendrang.
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Wo uns von ihm jed' Blümchen auf der Wiese pgo_146.004
Ein Liebeszeichen froh entgegenhält.
pgo_146.005
Erwacht und Gottes süßen Namen singt pgo_146.006
Und aus der Brust zu ihm hinüberdringt —
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Wo der Sturm, ein trunkener Sänger Gottes dahinbraust.
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Durch die Fähigkeit des deutschen Zeitwortes, mit den verschiedensten pgo_146.009
Bestimmungswörtern zusammenzuwachsen, wird es den Dichtern möglich, pgo_146.010
aus ihm eine neue und reiche Flora von Wort-Varietäten zu ziehen. pgo_146.011
Ueber die Zusammensetzung des Participiums mit Hauptwörtern oder pgo_146.012
Beiwörtern haben wir schon oben bei den adjectivischen Bestimmungen pgo_146.013
gesprochen.
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Was schließlich die Partikeln betrifft, so kommt ihnen in der dichterischen pgo_146.015
Rede nur ein sehr bescheidenes Plätzchen zu. Denn gerade der pgo_146.016
logische Zusammenhang, den sie bezeichnen, und der sich in der Prosa gern pgo_146.017
so klar wie möglich geltend macht, muß in der Poesie mehr herausgefühlt, pgo_146.018
als ausdrücklich angezeigt werden. Solche doktrinaire Verbindungswörter, pgo_146.019
wie daher, also, mithin, folglich, dennoch, insofern, pgo_146.020
insoweit, dagegen weil, überhaupt u. s. f. müssen aus der Poesie pgo_146.021
gänzlich verbannt werden. Zeitbestimmungen mit „nachdem“ auszudrücken, pgo_146.022
ist ebenfalls schwerfällig und undichterisch. Wenn der Poet ein pgo_146.023
„je“ gebraucht, so muß er es vermeiden, ein gewissenhaftes „desto“ darauf pgo_146.024
folgen zu lassen, lieber „je“ wiederholen, nur nicht in dem störenden pgo_146.025
Uebermaaß, wie es die oben angeführte Stelle aus Schiller's „Künstlern“ pgo_146.026
zeigt. Die einfachste Partikel: „und“ ist wegen der Unscheinbarkeit und pgo_146.027
Leichtigkeit der Verbindung für den Dichter die günstigste, sodaß man pgo_146.028
ihre häufige Wiederholung unter dem Namen: Polysyndeton zu den pgo_146.029
Figuren gerechnet hat. Jn der That machen alle guten Dichter von pgo_146.030
dieser Figur einen häufigen Gebrauch:
*)
*) pgo_146.031
der Strahl umspielt dein Haar (Geibel); mit ab: kein hirnlos Lieblingsliedlein pgo_146.032
abzuklimpern (Sallet); mit auf: aufschwirrt der Wasservögel Schaar pgo_146.033
(Gottschall); mit über: Verderben überflammt den Port (Gottschall) u. s. f.
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