Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_216.001 pgo_216.006 a. Die jambische Dipodie. pgo_216.007_ _ _ _ pgo_216.008 Jch lobe mir pgo_216.011 Mein Dörfchen hier. pgo_216.012 Denn schön're Auen pgo_216.013 Als rings umher pgo_216.014 Die Blicke schauen pgo_216.015 Sind nirgends mehr. Bürger. pgo_216.016 b. Der drei- und vierfüßige Jambus pgo_216.017_ _ _ _ _ _ | _ _ _ _ _ _ _ _ pgo_216.018 pgo_216.019 _ _ _ _ _ _ _ _ pgo_216.021 pgo_216.022 O Fluß, mein Fluß im Morgenstrahl pgo_216.024 Empfange nun, empfange pgo_216.025 Den sehnsuchtsvollen Leib einmal pgo_216.026 Und küsse Brust und Wange. Mörike. pgo_216.027 Das heiße Herz vergißt, pgo_216.031 Woran sich's müd' gekämpft, pgo_216.032 Und jeder Wehruf ist pgo_216.033 Zur Melodie gedämpft. Meißner. pgo_216.034 pgo_216.001 pgo_216.006 a. Die jambische Dipodie. pgo_216.007‿ _ ‿ _ pgo_216.008 Jch lobe mir pgo_216.011 Mein Dörfchen hier. pgo_216.012 Denn schön're Auen pgo_216.013 Als rings umher pgo_216.014 Die Blicke schauen pgo_216.015 Sind nirgends mehr. Bürger. pgo_216.016 b. Der drei- und vierfüßige Jambus pgo_216.017‿ _ ‿ _ ‿ _ | ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ pgo_216.018 pgo_216.019 ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ pgo_216.021 pgo_216.022 O Fluß, mein Fluß im Morgenstrahl pgo_216.024 Empfange nun, empfange pgo_216.025 Den sehnsuchtsvollen Leib einmal pgo_216.026 Und küsse Brust und Wange. Mörike. pgo_216.027 Das heiße Herz vergißt, pgo_216.031 Woran sich's müd' gekämpft, pgo_216.032 Und jeder Wehruf ist pgo_216.033 Zur Melodie gedämpft. Meißner. pgo_216.034 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0238" n="216"/><lb n="pgo_216.001"/> Doch da z. B. der fünffüßige Jambus nicht nach antiken Dipodieen zu <lb n="pgo_216.002"/> messen ist, so kann auch der Spondäus in ihm seine Stelle wechseln <lb n="pgo_216.003"/> und ist nur im fünften Fuß zu vermeiden, weil er dort dem Vers einen <lb n="pgo_216.004"/> hinkenden, choliambischen Charakter geben würde. Jm ersten Fuß wird <lb n="pgo_216.005"/> er stets am wirksamsten stehen.</p> <div n="6"> <lb n="pgo_216.006"/> <head> <hi rendition="#c">a. <hi rendition="#g">Die jambische Dipodie.</hi></hi> </head> <lb n="pgo_216.007"/> <p> <hi rendition="#c">‿ _ ‿ _</hi> </p> <p><lb n="pgo_216.008"/> Sie wechselt in der Regel mit einem hyperkatalektischen Jambus <lb n="pgo_216.009"/> ‿ _ ‿ _ ‿. Sie eignet sich zu leichten, anmuthigen, tändelnden Gedichten:</p> <lb n="pgo_216.010"/> <lg> <l>Jch lobe mir</l> <lb n="pgo_216.011"/> <l>Mein Dörfchen hier.</l> <lb n="pgo_216.012"/> <l>Denn schön're Auen</l> <lb n="pgo_216.013"/> <l>Als rings umher</l> <lb n="pgo_216.014"/> <l>Die Blicke schauen</l> <lb n="pgo_216.015"/> <l>Sind nirgends mehr.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Bürger</hi>.</hi> </p> </div> <div n="6"> <lb n="pgo_216.016"/> <head> <hi rendition="#c">b. <hi rendition="#g">Der drei- und vierfüßige Jambus</hi></hi> </head> <lb n="pgo_216.017"/> <p> <hi rendition="#right">‿ _ ‿ _ ‿ _ | ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ <lb n="pgo_216.018"/> ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ | ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿</hi> </p> <p><lb n="pgo_216.019"/> oder beide vereinigt</p> <lb n="pgo_216.020"/> <p> <hi rendition="#right">‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ <lb n="pgo_216.021"/> ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿</hi> </p> <p><lb n="pgo_216.022"/> z. B.:</p> <lb n="pgo_216.023"/> <lg> <l>O Fluß, mein Fluß im Morgenstrahl</l> <lb n="pgo_216.024"/> <l>Empfange nun, empfange</l> <lb n="pgo_216.025"/> <l>Den sehnsuchtsvollen Leib einmal</l> <lb n="pgo_216.026"/> <l>Und küsse Brust und Wange.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Mörike</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_216.027"/> Der dreifüßige Jambus, wenn er ganz rein gehalten ist, hat einen <lb n="pgo_216.028"/> sanften Charakter; er bezeichnet ein nicht weitgreifendes Streben, das sich <lb n="pgo_216.029"/> rasch beruhigt:</p> <lb n="pgo_216.030"/> <lg> <l>Das heiße Herz vergißt,</l> <lb n="pgo_216.031"/> <l>Woran sich's müd' gekämpft,</l> <lb n="pgo_216.032"/> <l>Und jeder Wehruf ist</l> <lb n="pgo_216.033"/> <l>Zur Melodie gedämpft.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Meißner</hi>.</hi> </p> <p><lb n="pgo_216.034"/> Der drei- und vierfüßige Jambus, mit abwechselndem männlichen <lb n="pgo_216.035"/> und weiblichen Reim und strophischen Verschlingungen, welche durch die </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0238]
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Doch da z. B. der fünffüßige Jambus nicht nach antiken Dipodieen zu pgo_216.002
messen ist, so kann auch der Spondäus in ihm seine Stelle wechseln pgo_216.003
und ist nur im fünften Fuß zu vermeiden, weil er dort dem Vers einen pgo_216.004
hinkenden, choliambischen Charakter geben würde. Jm ersten Fuß wird pgo_216.005
er stets am wirksamsten stehen.
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a. Die jambische Dipodie. pgo_216.007
‿ _ ‿ _
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Sie wechselt in der Regel mit einem hyperkatalektischen Jambus pgo_216.009
‿ _ ‿ _ ‿. Sie eignet sich zu leichten, anmuthigen, tändelnden Gedichten:
pgo_216.010
Jch lobe mir pgo_216.011
Mein Dörfchen hier. pgo_216.012
Denn schön're Auen pgo_216.013
Als rings umher pgo_216.014
Die Blicke schauen pgo_216.015
Sind nirgends mehr.
Bürger.
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b. Der drei- und vierfüßige Jambus pgo_216.017
‿ _ ‿ _ ‿ _ | ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ pgo_216.018
‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ | ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿ _ ‿
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oder beide vereinigt
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z. B.:
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O Fluß, mein Fluß im Morgenstrahl pgo_216.024
Empfange nun, empfange pgo_216.025
Den sehnsuchtsvollen Leib einmal pgo_216.026
Und küsse Brust und Wange.
Mörike.
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Der dreifüßige Jambus, wenn er ganz rein gehalten ist, hat einen pgo_216.028
sanften Charakter; er bezeichnet ein nicht weitgreifendes Streben, das sich pgo_216.029
rasch beruhigt:
pgo_216.030
Das heiße Herz vergißt, pgo_216.031
Woran sich's müd' gekämpft, pgo_216.032
Und jeder Wehruf ist pgo_216.033
Zur Melodie gedämpft.
Meißner.
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Der drei- und vierfüßige Jambus, mit abwechselndem männlichen pgo_216.035
und weiblichen Reim und strophischen Verschlingungen, welche durch die
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