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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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Die Geisterinsel, die schöne, pgo_218.002
Lag dämmernd im Mondenglanz, pgo_218.003
Dort klangen liebe Töne pgo_218.004
Und wogte der Nebeltanz.

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Nach dem Vorgange mittelalterlicher Muster, welche für die epische pgo_218.006
Erzählung diesen Vers gewählt, wie Gottfried von Straßburg in pgo_218.007
"Tristan und Jsolde," hat man auch in neuer Zeit seine Anwendbarkeit pgo_218.008
für größere epische Dichtungen versucht, so z. B. Max Waldau in seiner pgo_218.009
"Cordula":

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Graubündtner Land, du Netzgestrick pgo_218.011
Von Kamm und Thal, von Grat und Schlucht, pgo_218.012
Sehtrunken bestaunt des Pilgers Blick pgo_218.013
Der Matten Frische, der Felsen Wucht, pgo_218.014
Der Wasser Blitz in der Klemmen Spalt pgo_218.015
Und greiser Arven Riesengestalt.

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Natürlich würde er für ein Epos mit großen Kulturperspektiven und pgo_218.017
ernstem Völkerkampfe unangemessen sein, weil dazu seine tragende Kraft pgo_218.018
nicht ausreicht, während die poetische Erzählung, die nur ein persönliches pgo_218.019
Lebensschicksal behandelt, an diesem beweglichen Rhythmus eine genügende pgo_218.020
Stütze findet.

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c. Der fünffüßige Jambus.
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Die Verehrer der antiken Metrik sind sehr geneigt, diesem Vers jede pgo_218.025
Berechtigung abzusprechen, während die dichterische Praxis der Neuzeit pgo_218.026
ihn zu ihrem Liebling erwählt hat. Jn der That tritt das Charakteristische pgo_218.027
des jambischen Metrums in ihm am schlagendsten hervor. Für pgo_218.028
das lyrische Empfindungselement hat er nicht genug Koncentration -- pgo_218.029
dagegen ist er für das Drama, das Epos und das didaktische Gedicht pgo_218.030
gleichmäßig geeignet. Er hat Lebendigkeit, Spannung und Energie und pgo_218.031
ist geräumig genug, um größere objektive Ausführungen in sich aufzunehmen, pgo_218.032
jene bestimmter eingehenden Motivirungen, die für Tragödie und pgo_218.033
Epos unerläßlich sind. Dabei besitzt er eine hinlängliche Elasticität und pgo_218.034
Frische, um durch seinen immer neuen Anlauf nicht zu ermüden. Freilich pgo_218.035
hat man sich nicht mit Unrecht über die Monotonie seines Tonfalls, den pgo_218.036
sogenannten Jambentrab, besonders in den zahlreichen deklamatorischen

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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/240>, abgerufen am 24.11.2024.