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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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Reime verträgt und den mannichfachen italienischen Strophenbildungen pgo_220.002
zu Grunde liegt.

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Den reimlosen Fünffüßler (blanc-vers) haben wir von den englischen pgo_220.004
Epikern und Dramatikern überkommen. Milton's "verlorenes Paradies," pgo_220.005
Glover's "Leonidas" sind in derselben Form gedichtet, in welcher pgo_220.006
Shakespeare, Massinger, Beaumont und Fletcher, Otway, pgo_220.007
mit größerer Elasticität, Addison, Rowe, Congreve u. A. mit pgo_220.008
stereotyper Korrektheit ihre Tragödieen abfaßten. Der fünffüßige, reimlose pgo_220.009
Jambus verdrängte in Deutschland den Alexandriner. Nach Schiller's pgo_220.010
und Goethe's Vorbild haben ihn fast alle Dramatiker der Neuzeit: pgo_220.011
Körner, Kleist, Grillparzer in den meisten Dramen, Raupach, pgo_220.012
Uhland, Grabbe
und zwar mit den kühnsten Licenzen, Jmmermann, pgo_220.013
Hebbel, Gutzkow, Prutz, Mosen,
ich selbst angewendet. pgo_220.014
Für das Epos dagegen ist der reimlose Jambus in Deutschland nicht pgo_220.015
gebräuchlich geworden, und der gereimte nur in bestimmten Strophen. pgo_220.016
Jn der That erscheint der reimlose Jambus für die epische Dichtung zu pgo_220.017
kahl und nüchtern. Den gereimten Fünffüßler hab' ich in der zweiten pgo_220.018
Abtheilung meines "Carlo Zeno" für die epische Darstellung in pgo_220.019
Anwendung gebracht.

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Der fünffüßige Jambus bildet die Grundlage für die kunstvoll verschlungenen pgo_220.021
italienischen Strophen, welche die deutsche Dichtkunst mit pgo_220.022
ebenso wohllautenden wie zu anmuthiger Gedankenverkettung geeigneten pgo_220.023
Formen bereichert haben.

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a) Das Sonett.

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Das Sonett besteht aus vierzehn fünffüßigen Jamben, von denen die pgo_220.026
je vier ersten und die je drei letzten eine Strophe bilden. Die erste, vierte, pgo_220.027
fünfte und achte Zeile, die zweite, dritte, sechste und siebente reimen mit pgo_220.028
einander, während die Reimverknüpfung der sechs letzten Zeilen eine pgo_220.029
beliebige ist. Das Sonett ist eine ebenso kunstvolle wie schöne Form für pgo_220.030
die reflektirende Lyrik. Wie das antike Distichon im Hexameter den pgo_220.031
Gedanken episch ausbreitet, im Pentameter innerlich zusammenfaßt: so pgo_220.032
liegt derselbe Formgedanke der strophischen Architektonik des Sonetts zu pgo_220.033
Grunde. Das Sonett ist das in ein romanisches Reimgebäude pgo_220.034
verwandelte antike Distichon. Jn den beiden ersten Strophen breitet

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Der fünffüßige Jambus bildet die Grundlage für die kunstvoll verschlungenen pgo_220.021
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ebenso wohllautenden wie zu anmuthiger Gedankenverkettung geeigneten pgo_220.023
Formen bereichert haben.

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α) Das Sonett.

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Das Sonett besteht aus vierzehn fünffüßigen Jamben, von denen die pgo_220.026
je vier ersten und die je drei letzten eine Strophe bilden. Die erste, vierte, pgo_220.027
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/242>, abgerufen am 21.11.2024.