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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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einer harmonischen Lebensweisheit, die sich nicht epigrammatisch zusammenfaßt, pgo_222.002
sondern die wärmer und voller austönt, für harmonische Lebensbilder, pgo_222.003
ästhetische Reflexionen u. s. f. Einen kriegerischen Klang hat pgo_222.004
Rückert in seinen "geharnischten Sonetten" dieser Form gegeben. Da pgo_222.005
dieser Jnhalt aber mit ihr in offenbarem Widerspruch steht, so haben pgo_222.006
Rückert's patriotische Sonette einen paradoxen Charakter. Petrarca pgo_222.007
und Camoens sind von den ältern romanischen, Platen, Herwegh, pgo_222.008
Geibel, Strachwitz von den neuen Sonettendichtern die besten, pgo_222.009
während die romantischen Sonette zu vielen Klingklang, zu wenig geistige pgo_222.010
Bedeutung hatten. Wir nehmen das folgende aus, das zugleich die pgo_222.011
Form des Sonettes trefflich charakterisirt:

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Zwei Reime heiß' ich viermal kehren wieder, pgo_222.013
Und stelle sie, getheilt, in gleiche Reihen, pgo_222.014
Daß hier und dort zwei eingefaßt von zweien pgo_222.015
Jm Doppelchore schweben auf und nieder.
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Dann schlingt des Gleichlauts Kette durch zwei Glieder pgo_222.017
Sich freier wechselnd, jegliches von dreien. pgo_222.018
Jn solcher Ordnung, solcher Zahl gedeihen pgo_222.019
Die zartesten und stolzesten der Lieder.
pgo_222.020
Den werd' ich nie mit meinen Zeilen kränzen, pgo_222.021
Dem eitle Spielerei mein Wesen dünket, pgo_222.022
Und Eigensinn die künstlichen Gesetze;
pgo_222.023
Doch wem in mir geheimer Zauber winket, pgo_222.024
Dem leih' ich Hoheit, Füll' in engen Grenzen, pgo_222.025
Und reines Ebenmaaß der Gegensätze.

A. W. Schlegel.

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b. Die Stanzen, die ottave rime.

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Die ottave rime bilden eine achtzeilige Strophe, in welcher der pgo_222.028
erste, dritte und fünfte, der zweite, vierte und sechste Vers reimen und pgo_222.029
zum Schlusse der siebente und achte ein Reimpaar bilden:

pgo_222.030
Jhr naht euch wieder, schwankende Gestalten, pgo_222.031
Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. pgo_222.032
Versuch' ich wohl euch diesmal festzuhalten? pgo_222.033
Find' ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? pgo_222.034
Jhr drängt euch zu -- nun gut, so mögt ihr walten, pgo_222.035
Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt. pgo_222.036
Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert pgo_222.037
Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.

Goethe.

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einer harmonischen Lebensweisheit, die sich nicht epigrammatisch zusammenfaßt, pgo_222.002
sondern die wärmer und voller austönt, für harmonische Lebensbilder, pgo_222.003
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Dann schlingt des Gleichlauts Kette durch zwei Glieder pgo_222.017
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Jn solcher Ordnung, solcher Zahl gedeihen pgo_222.019
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Dem leih' ich Hoheit, Füll' in engen Grenzen, pgo_222.025
Und reines Ebenmaaß der Gegensätze.

A. W. Schlegel.

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β. Die Stanzen, die ottave rime.

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Die ottave rime bilden eine achtzeilige Strophe, in welcher der pgo_222.028
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Jhr naht euch wieder, schwankende Gestalten, pgo_222.031
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Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt. pgo_222.036
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Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.

Goethe.

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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/244>, abgerufen am 21.11.2024.