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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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a. Die alcäische Strophe.
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Diese Strophe, von dem Griechen Alkäos erfunden, hat in ihrem pgo_238.007
Auf- und Abwogen einen majestätischen Gang. Die beiden ersten Zeilen pgo_238.008
bestehn aus zwei Jamben mit einer Nachschlagsylbe und zwei Daktylen, pgo_238.009
von denen sich der zweite in der Regel in einen Kretikus verwandelt, um pgo_238.010
dem Vers durch die letzte Länge einen festen Halt zu geben. Der dritte pgo_238.011
und vierte Vers sind gleichsam eine weitere Ausführung der beiden Vershälften pgo_238.012
des ersten: der dritte ein vierfüßiger Jambus mit einer Nachschlagsylbe, pgo_238.013
der vierte aus zwei Daktylen und einer trochäischen Dipodie pgo_238.014
bestehend. So tritt die schöne Symmetrie dieses Verses zu Tage. Wir pgo_238.015
haben in den beiden ersten Zeilen einen kühn vordringenden zweifüßigen pgo_238.016
Jambus, der dann in Daktylen zurückwogt. Voller, mächtiger strömt pgo_238.017
er in der dritten Zeile noch einmal an, um dann in der vierten in zwei pgo_238.018
Daktylen zurückzuwogen und in zwei Trochäen beruhigter auszutönen. pgo_238.019
Die Cäsur nach der Nachschlagsylbe der jambischen Dipodie in den ersten pgo_238.020
Zeilen ist unerläßlich, weil auf ihr die Symmetrie der ganzen Strophe pgo_238.021
beruht. Die alcäische Strophe eignet sich für schwunghafte Gedankendichtung pgo_238.022
über die höchsten Probleme des Lebens, die der Dichter mit pgo_238.023
mächtiger Begeisterung erfaßt. Schon ihr Erfinder hat in ihr den pgo_238.024
gewaltigen Umschwung des Staatslebens gefeiert, Horaz Lehren ernster pgo_238.025
Lebensweisheit und den Preis des Jmperators, Klopstock einige religiöse pgo_238.026
Hymnen und seine politischen Revolutionsoden, Platen ebenfalls pgo_238.027
manche politische Ode gedichtet. Auch ich habe die gereimte Strophe in pgo_238.028
den "Neuen Gedichten" zur Darstellung ernster und schwunghafter Gedanken pgo_238.029
angewendet.

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Beispiele:

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Rinn' unterdeß, o Leben! Sie kommt gewiß, pgo_238.032
Die Stunde, die uns nach der Cypresse ruft! pgo_238.033
Jhr andern seid der schwermuthsvollen pgo_238.034
Liebe geweiht, und umweht uns dunkel.
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Klopstock.

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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/260>, abgerufen am 22.11.2024.