Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_303.001 *) pgo_303.033
Ottfried Müller, Geschichte der griechischen Literatur, zweite Ausgabe. pgo_303.034 Bd. I. p. 187 u. folgde. pgo_303.001 *) pgo_303.033
Ottfried Müller, Geschichte der griechischen Literatur, zweite Ausgabe. pgo_303.034 Bd. I. p. 187 u. folgde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0325" n="303"/><lb n="pgo_303.001"/> ein <hi rendition="#g">Klagelied</hi> und stammt wahrscheinlich aus Kleinasien, wo die Karer <lb n="pgo_303.002"/> und Lyder gerade in Todtenklagen und überhaupt in melancholischer Sangesweise <lb n="pgo_303.003"/> ausgezeichnet waren<note xml:id="PGO_303_1" place="foot" n="*)"><lb n="pgo_303.033"/><hi rendition="#g">Ottfried Müller,</hi> Geschichte der griechischen Literatur, zweite Ausgabe. <lb n="pgo_303.034"/> Bd. I. p. 187 u. folgde.</note>. Diese Klagelieder Kleinasiens wurden vom <lb n="pgo_303.004"/> Flötenspiel begleitet, und auch in Griechenland war die Flöte, und nicht <lb n="pgo_303.005"/> die Kithar oder Lyra, die musikalische Genossin der Elegie und begleitete <lb n="pgo_303.006"/> sowohl die kriegerischen Gesänge des Tyrtäos, wie die dichterischen Vorträge, <lb n="pgo_303.007"/> welche die zweite Hälfte der <hi rendition="#g">Gastmähler,</hi> der <hi rendition="#g">Symposien,</hi> <lb n="pgo_303.008"/> belebten. Hier war die eigentliche Stätte der <hi rendition="#g">griechischen Elegie,</hi> <lb n="pgo_303.009"/> welche die engen Grenzen des Klageliedes bereits überschritten und sich <lb n="pgo_303.010"/> zu einer vielumfassenden Gattung ausgebreitet hatte. Die Griechen <lb n="pgo_303.011"/> bestimmten die Gattungen der Dichtung nach der metrischen Form, welche <lb n="pgo_303.012"/> mit dem Jnhalte zu einem plastischen Gusse verschmolz. So bedeutete <lb n="pgo_303.013"/> das Wort <hi rendition="#g">Elegeion</hi> bei ihnen eine metrische Gestaltung, die Verbindung <lb n="pgo_303.014"/> des Hexameters und des Pentameters, und <hi rendition="#g">Elegie</hi> war ihnen ein <lb n="pgo_303.015"/> in dieser metrischen Form abgefaßtes Gedicht. Der Charakter des <lb n="pgo_303.016"/> Distichons, in welchem der epische Hexameter, der beflügelt in's Weite <lb n="pgo_303.017"/> strebt, im Pentameter zur Rückkehr, zur Einkehr in sich selbst eingeladen <lb n="pgo_303.018"/> wird, gab allen diesen Gedichten einen <hi rendition="#g">reflektirenden Zug,</hi> und man <lb n="pgo_303.019"/> darf mit Recht behaupten, daß die ganze Reflexionspoesie der Hellenen <lb n="pgo_303.020"/> der elegischen Gattung angehört! Wie mannichfach war der Jnhalt der <lb n="pgo_303.021"/> griechischen Elegie! Kriegerisch und politisch bei <hi rendition="#g">Kallinos</hi> und <lb n="pgo_303.022"/> <hi rendition="#g">Tyrtäos,</hi> zwischen Politik und Liebe schwankend bei <hi rendition="#g">Mimnermos,</hi> <lb n="pgo_303.023"/> zwischen Politik und Philosophie bei <hi rendition="#g">Solon</hi> und <hi rendition="#g">Theognis,</hi> behielt sie <lb n="pgo_303.024"/> in einzelnen Dichtungen des <hi rendition="#g">Archilochos</hi> und <hi rendition="#g">Simonides</hi> ihren <lb n="pgo_303.025"/> ursprünglichen nänienartigen Charakter in der Trauer um die Todten <lb n="pgo_303.026"/> bei, während sie in andern sich im Lobe des Weines und der Hetären <lb n="pgo_303.027"/> erging und ein heiteres Behagen zu erwecken suchte, ja hinundwieder, <lb n="pgo_303.028"/> wie in den Versen des jonischen Sängers <hi rendition="#g">Asios,</hi> selbst einen humoristischen, <lb n="pgo_303.029"/> die epische Würde parodirenden Charakter annahm. Die Fülle der <lb n="pgo_303.030"/> von den griechischen Elegikern angeschlagenen Töne ist so mannichfach, <lb n="pgo_303.031"/> daß man fast das einheitliche Band zu vermissen glaubt, wenn es nicht <lb n="pgo_303.032"/> eben in jener durch das Versmaaß bestimmten reflektirenden Dichtweise </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [303/0325]
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ein Klagelied und stammt wahrscheinlich aus Kleinasien, wo die Karer pgo_303.002
und Lyder gerade in Todtenklagen und überhaupt in melancholischer Sangesweise pgo_303.003
ausgezeichnet waren *). Diese Klagelieder Kleinasiens wurden vom pgo_303.004
Flötenspiel begleitet, und auch in Griechenland war die Flöte, und nicht pgo_303.005
die Kithar oder Lyra, die musikalische Genossin der Elegie und begleitete pgo_303.006
sowohl die kriegerischen Gesänge des Tyrtäos, wie die dichterischen Vorträge, pgo_303.007
welche die zweite Hälfte der Gastmähler, der Symposien, pgo_303.008
belebten. Hier war die eigentliche Stätte der griechischen Elegie, pgo_303.009
welche die engen Grenzen des Klageliedes bereits überschritten und sich pgo_303.010
zu einer vielumfassenden Gattung ausgebreitet hatte. Die Griechen pgo_303.011
bestimmten die Gattungen der Dichtung nach der metrischen Form, welche pgo_303.012
mit dem Jnhalte zu einem plastischen Gusse verschmolz. So bedeutete pgo_303.013
das Wort Elegeion bei ihnen eine metrische Gestaltung, die Verbindung pgo_303.014
des Hexameters und des Pentameters, und Elegie war ihnen ein pgo_303.015
in dieser metrischen Form abgefaßtes Gedicht. Der Charakter des pgo_303.016
Distichons, in welchem der epische Hexameter, der beflügelt in's Weite pgo_303.017
strebt, im Pentameter zur Rückkehr, zur Einkehr in sich selbst eingeladen pgo_303.018
wird, gab allen diesen Gedichten einen reflektirenden Zug, und man pgo_303.019
darf mit Recht behaupten, daß die ganze Reflexionspoesie der Hellenen pgo_303.020
der elegischen Gattung angehört! Wie mannichfach war der Jnhalt der pgo_303.021
griechischen Elegie! Kriegerisch und politisch bei Kallinos und pgo_303.022
Tyrtäos, zwischen Politik und Liebe schwankend bei Mimnermos, pgo_303.023
zwischen Politik und Philosophie bei Solon und Theognis, behielt sie pgo_303.024
in einzelnen Dichtungen des Archilochos und Simonides ihren pgo_303.025
ursprünglichen nänienartigen Charakter in der Trauer um die Todten pgo_303.026
bei, während sie in andern sich im Lobe des Weines und der Hetären pgo_303.027
erging und ein heiteres Behagen zu erwecken suchte, ja hinundwieder, pgo_303.028
wie in den Versen des jonischen Sängers Asios, selbst einen humoristischen, pgo_303.029
die epische Würde parodirenden Charakter annahm. Die Fülle der pgo_303.030
von den griechischen Elegikern angeschlagenen Töne ist so mannichfach, pgo_303.031
daß man fast das einheitliche Band zu vermissen glaubt, wenn es nicht pgo_303.032
eben in jener durch das Versmaaß bestimmten reflektirenden Dichtweise
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Ottfried Müller, Geschichte der griechischen Literatur, zweite Ausgabe. pgo_303.034
Bd. I. p. 187 u. folgde.
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