Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.Des II Theils I Capitel König, Flaccus unsrer Zeiten, Der du selbst die scharfen Seyten, Nach Thaliens Trieb gerührt: Dichter, den August erkohren, Dessen Reim vor Fürsten Ohren Beyfall, Gnad und Huld gespürt, Laß dieß Lied, auf mein Verlangen, Stets mit deinem Nahmen prangen. An Hrn. M. Just Gottfried Rabenern. FReund von altem Schrot und Korne, Deutschgesinnter Ehrenmann, Phöbus reizt mich itzt zum Zorne Daß ich mich nicht halten kan: Aber sprich, wer hört mir zu? Werther Rabner, das bist du. Ruh einmahl von deinen Schrifften, Schone deinen scharfen Kiel, Der dir größern Ruhm wird stifften Als mein schlechtes Seytenspiel; Da zumahl der deutschen Welt Jtzt nur Bav und Mäv gefällt. Heraclit ist auszulachen, Jsts nicht wahr, geliebter Freund? Der bey allen Lumpen-Sachen Wie ein altes Weib geweint, Und was alle Welt ergötzt, Herber Thränen werth geschätzt. Sprich, wo hat an allen Ecken, Süd und Ost und Mitternacht, Jrgend einen ärgern Gecken, An das Licht der Welt gebracht? Nein, ich weiß, fürwar ich weiß, Heraclit behält den Preis. Tausend Danck sey euch ihr Alten! Die ihr durch manch ewig Blatt, Uns den Democrit erhalten, Dessen Ruhm nichts gleiches hat; Weil er stets mit gantzer Macht Aller Thoren Thun verlacht. Freund,
Des II Theils I Capitel Koͤnig, Flaccus unſrer Zeiten, Der du ſelbſt die ſcharfen Seyten, Nach Thaliens Trieb geruͤhrt: Dichter, den Auguſt erkohren, Deſſen Reim vor Fuͤrſten Ohren Beyfall, Gnad und Huld geſpuͤrt, Laß dieß Lied, auf mein Verlangen, Stets mit deinem Nahmen prangen. An Hrn. M. Juſt Gottfried Rabenern. FReund von altem Schrot und Korne, Deutſchgeſinnter Ehrenmann, Phoͤbus reizt mich itzt zum Zorne Daß ich mich nicht halten kan: Aber ſprich, wer hoͤrt mir zu? Werther Rabner, das biſt du. Ruh einmahl von deinen Schrifften, Schone deinen ſcharfen Kiel, Der dir groͤßern Ruhm wird ſtifften Als mein ſchlechtes Seytenſpiel; Da zumahl der deutſchen Welt Jtzt nur Bav und Maͤv gefaͤllt. Heraclit iſt auszulachen, Jſts nicht wahr, geliebter Freund? Der bey allen Lumpen-Sachen Wie ein altes Weib geweint, Und was alle Welt ergoͤtzt, Herber Thraͤnen werth geſchaͤtzt. Sprich, wo hat an allen Ecken, Suͤd und Oſt und Mitternacht, Jrgend einen aͤrgern Gecken, An das Licht der Welt gebracht? Nein, ich weiß, fuͤrwar ich weiß, Heraclit behaͤlt den Preis. Tauſend Danck ſey euch ihr Alten! Die ihr durch manch ewig Blatt, Uns den Democrit erhalten, Deſſen Ruhm nichts gleiches hat; Weil er ſtets mit gantzer Macht Aller Thoren Thun verlacht. Freund,
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Des II Theils I Capitel
Koͤnig, Flaccus unſrer Zeiten,
Der du ſelbſt die ſcharfen Seyten,
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Dichter, den Auguſt erkohren,
Deſſen Reim vor Fuͤrſten Ohren
Beyfall, Gnad und Huld geſpuͤrt,
Laß dieß Lied, auf mein Verlangen,
Stets mit deinem Nahmen prangen.
An Hrn. M. Juſt Gottfried Rabenern.
FReund von altem Schrot und Korne,
Deutſchgeſinnter Ehrenmann,
Phoͤbus reizt mich itzt zum Zorne
Daß ich mich nicht halten kan:
Aber ſprich, wer hoͤrt mir zu?
Werther Rabner, das biſt du.
Ruh einmahl von deinen Schrifften,
Schone deinen ſcharfen Kiel,
Der dir groͤßern Ruhm wird ſtifften
Als mein ſchlechtes Seytenſpiel;
Da zumahl der deutſchen Welt
Jtzt nur Bav und Maͤv gefaͤllt.
Heraclit iſt auszulachen,
Jſts nicht wahr, geliebter Freund?
Der bey allen Lumpen-Sachen
Wie ein altes Weib geweint,
Und was alle Welt ergoͤtzt,
Herber Thraͤnen werth geſchaͤtzt.
Sprich, wo hat an allen Ecken,
Suͤd und Oſt und Mitternacht,
Jrgend einen aͤrgern Gecken,
An das Licht der Welt gebracht?
Nein, ich weiß, fuͤrwar ich weiß,
Heraclit behaͤlt den Preis.
Tauſend Danck ſey euch ihr Alten!
Die ihr durch manch ewig Blatt,
Uns den Democrit erhalten,
Deſſen Ruhm nichts gleiches hat;
Weil er ſtets mit gantzer Macht
Aller Thoren Thun verlacht.
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