Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.Von dogmatischen Poesien. Der Friede nahte sich in lieblicher Gestalt, Und rief: Das Land Augusts ist stets mein Aufenthalt! Der Nahme Friederichs, den man vor Jhn erkohren, Hat niemahls weniger als hier sein Recht verlohren. Die Ruhe krönt das Volck, beglückt und ziert den Staat, Hier presst der Bürger Blut kein wütender Soldat: Die Palmen sprossen stets bey Sachsens Rautenzweigen, Drum muß Bellona hier von Wuth und Flammen schweigen. Hier wohnt der Unterthan in voller Sicherheit, Ein ehrenvoller Greis vergißt der alten Zeit, Da Deutschland überall, in dreyßig rauhen Jahren, Die Wuth des harten Mars ohn unterlaß erfahren. Der Landmann baut sein Feld, der Wintzer seinen Berg, Der Künstler treibt beglückt und schlüßt sein Tagewerck, Die Jugend liebt und lacht, und schertzet mit Vergnügen, Und sucht der Nymphen Hertz nach Wunsche zu besiegen. Die Sorgfalt vor das Ertz in mancher Silber-Grufft, Erschien zu allerletzt aus ihrer finstern Klufft. Ein schwartzer Berghabit ließ ihren Zweck erkennen, Sie sprach: Erlaubt auch mir vor Ruhm-Begier zu brennen. Augustus liebt auch mich, er sorget vor den Schacht, Dadurch er Sachsen schmückt und jährlich reicher macht, Wie mancher Marmorbruch, nützt allbereit im Bauen, Den seiner Aufsicht Winck verordnet anzuhauen? So manche Wand sich nur in hohlen Bergen zeigt, So manche Leiter man in tiefe Gründe steigt, So mancher Knappe schon in Freyberg eingefahren, So wenig hat man hier des Königs Ruhm zu sparen. Kein Wunder! macht ihn doch der Steiger froher Mund Jn duncklen Schachten gar den Erden-Geistern kund; Die, wenn sie von Augusts Durchlauchtem Nahmen hören, Der Arbeits-Leute Fleiß durch kein Gepolter stören. Hierauf erschien ein Weib, in reich-gestickter Tracht, Und hatte sich daher so spät herzu gemacht, Jhr gieng der Ueberfluß von Sachsenland zur Seiten, Zur Rechten trug Mercur die größten Kostbarkeiten. Sie redete nicht viel, doch that sie desto mehr, Augustus, war ihr Wort, bereichert mich so sehr, Weil mich sein Churschwerdt schützt, so kan ich mehr erwerben, Als Kayser Jndiens von ihren Vätern erben. Wie-
Von dogmatiſchen Poeſien. Der Friede nahte ſich in lieblicher Geſtalt, Und rief: Das Land Auguſts iſt ſtets mein Aufenthalt! Der Nahme Friederichs, den man vor Jhn erkohren, Hat niemahls weniger als hier ſein Recht verlohren. Die Ruhe kroͤnt das Volck, begluͤckt und ziert den Staat, Hier preſſt der Buͤrger Blut kein wuͤtender Soldat: Die Palmen ſproſſen ſtets bey Sachſens Rautenzweigen, Drum muß Bellona hier von Wuth und Flammen ſchweigen. Hier wohnt der Unterthan in voller Sicherheit, Ein ehrenvoller Greis vergißt der alten Zeit, Da Deutſchland uͤberall, in dreyßig rauhen Jahren, Die Wuth des harten Mars ohn unterlaß erfahren. Der Landmann baut ſein Feld, der Wintzer ſeinen Berg, Der Kuͤnſtler treibt begluͤckt und ſchluͤßt ſein Tagewerck, Die Jugend liebt und lacht, und ſchertzet mit Vergnuͤgen, Und ſucht der Nymphen Hertz nach Wunſche zu beſiegen. Die Sorgfalt vor das Ertz in mancher Silber-Grufft, Erſchien zu allerletzt aus ihrer finſtern Klufft. Ein ſchwartzer Berghabit ließ ihren Zweck erkennen, Sie ſprach: Erlaubt auch mir vor Ruhm-Begier zu brennen. Auguſtus liebt auch mich, er ſorget vor den Schacht, Dadurch er Sachſen ſchmuͤckt und jaͤhrlich reicher macht, Wie mancher Marmorbruch, nuͤtzt allbereit im Bauen, Den ſeiner Aufſicht Winck verordnet anzuhauen? So manche Wand ſich nur in hohlen Bergen zeigt, So manche Leiter man in tiefe Gruͤnde ſteigt, So mancher Knappe ſchon in Freyberg eingefahren, So wenig hat man hier des Koͤnigs Ruhm zu ſparen. Kein Wunder! macht ihn doch der Steiger froher Mund Jn duncklen Schachten gar den Erden-Geiſtern kund; Die, wenn ſie von Auguſts Durchlauchtem Nahmen hoͤren, Der Arbeits-Leute Fleiß durch kein Gepolter ſtoͤren. Hierauf erſchien ein Weib, in reich-geſtickter Tracht, Und hatte ſich daher ſo ſpaͤt herzu gemacht, Jhr gieng der Ueberfluß von Sachſenland zur Seiten, Zur Rechten trug Mercur die groͤßten Koſtbarkeiten. Sie redete nicht viel, doch that ſie deſto mehr, Auguſtus, war ihr Wort, bereichert mich ſo ſehr, Weil mich ſein Churſchwerdt ſchuͤtzt, ſo kan ich mehr erwerben, Als Kayſer Jndiens von ihren Vaͤtern erben. Wie-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0555" n="527"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dogmatiſchen Poeſien.</hi> </fw><lb/> <lg n="30"> <l>Der Friede nahte ſich in lieblicher Geſtalt,</l><lb/> <l>Und rief: Das Land Auguſts iſt ſtets mein Aufenthalt!</l><lb/> <l>Der Nahme Friederichs, den man vor Jhn erkohren,</l><lb/> <l>Hat niemahls weniger als hier ſein Recht verlohren.</l><lb/> <l>Die Ruhe kroͤnt das Volck, begluͤckt und ziert den Staat,</l><lb/> <l>Hier preſſt der Buͤrger Blut kein wuͤtender Soldat:</l><lb/> <l>Die Palmen ſproſſen ſtets bey Sachſens Rautenzweigen,</l><lb/> <l>Drum muß Bellona hier von Wuth und Flammen ſchweigen.</l> </lg><lb/> <lg n="31"> <l>Hier wohnt der Unterthan in voller Sicherheit,</l><lb/> <l>Ein ehrenvoller Greis vergißt der alten Zeit,</l><lb/> <l>Da Deutſchland uͤberall, in dreyßig rauhen Jahren,</l><lb/> <l>Die Wuth des harten Mars ohn unterlaß erfahren.</l><lb/> <l>Der Landmann baut ſein Feld, der Wintzer ſeinen Berg,</l><lb/> <l>Der Kuͤnſtler treibt begluͤckt und ſchluͤßt ſein Tagewerck,</l><lb/> <l>Die Jugend liebt und lacht, und ſchertzet mit Vergnuͤgen,</l><lb/> <l>Und ſucht der Nymphen Hertz nach Wunſche zu beſiegen.</l> </lg><lb/> <lg n="32"> <l>Die Sorgfalt vor das Ertz in mancher Silber-Grufft,</l><lb/> <l>Erſchien zu allerletzt aus ihrer finſtern Klufft.</l><lb/> <l>Ein ſchwartzer Berghabit ließ ihren Zweck erkennen,</l><lb/> <l>Sie ſprach: Erlaubt auch mir vor Ruhm-Begier zu brennen.</l><lb/> <l>Auguſtus liebt auch mich, er ſorget vor den Schacht,</l><lb/> <l>Dadurch er Sachſen ſchmuͤckt und jaͤhrlich reicher macht,</l><lb/> <l>Wie mancher Marmorbruch, nuͤtzt allbereit im Bauen,</l><lb/> <l>Den ſeiner Aufſicht Winck verordnet anzuhauen?</l> </lg><lb/> <lg n="33"> <l>So manche Wand ſich nur in hohlen Bergen zeigt,</l><lb/> <l>So manche Leiter man in tiefe Gruͤnde ſteigt,</l><lb/> <l>So mancher Knappe ſchon in Freyberg eingefahren,</l><lb/> <l>So wenig hat man hier des Koͤnigs Ruhm zu ſparen.</l><lb/> <l>Kein Wunder! macht ihn doch der Steiger froher Mund</l><lb/> <l>Jn duncklen Schachten gar den Erden-Geiſtern kund;</l><lb/> <l>Die, wenn ſie von Auguſts Durchlauchtem Nahmen hoͤren,</l><lb/> <l>Der Arbeits-Leute Fleiß durch kein Gepolter ſtoͤren.</l> </lg><lb/> <lg n="34"> <l>Hierauf erſchien ein Weib, in reich-geſtickter Tracht,</l><lb/> <l>Und hatte ſich daher ſo ſpaͤt herzu gemacht,</l><lb/> <l>Jhr gieng der Ueberfluß von Sachſenland zur Seiten,</l><lb/> <l>Zur Rechten trug Mercur die groͤßten Koſtbarkeiten.</l><lb/> <l>Sie redete nicht viel, doch that ſie deſto mehr,</l><lb/> <l>Auguſtus, war ihr Wort, bereichert mich ſo ſehr,</l><lb/> <l>Weil mich ſein Churſchwerdt ſchuͤtzt, ſo kan ich mehr erwerben,</l><lb/> <l>Als Kayſer Jndiens von ihren Vaͤtern erben.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wie-</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [527/0555]
Von dogmatiſchen Poeſien.
Der Friede nahte ſich in lieblicher Geſtalt,
Und rief: Das Land Auguſts iſt ſtets mein Aufenthalt!
Der Nahme Friederichs, den man vor Jhn erkohren,
Hat niemahls weniger als hier ſein Recht verlohren.
Die Ruhe kroͤnt das Volck, begluͤckt und ziert den Staat,
Hier preſſt der Buͤrger Blut kein wuͤtender Soldat:
Die Palmen ſproſſen ſtets bey Sachſens Rautenzweigen,
Drum muß Bellona hier von Wuth und Flammen ſchweigen.
Hier wohnt der Unterthan in voller Sicherheit,
Ein ehrenvoller Greis vergißt der alten Zeit,
Da Deutſchland uͤberall, in dreyßig rauhen Jahren,
Die Wuth des harten Mars ohn unterlaß erfahren.
Der Landmann baut ſein Feld, der Wintzer ſeinen Berg,
Der Kuͤnſtler treibt begluͤckt und ſchluͤßt ſein Tagewerck,
Die Jugend liebt und lacht, und ſchertzet mit Vergnuͤgen,
Und ſucht der Nymphen Hertz nach Wunſche zu beſiegen.
Die Sorgfalt vor das Ertz in mancher Silber-Grufft,
Erſchien zu allerletzt aus ihrer finſtern Klufft.
Ein ſchwartzer Berghabit ließ ihren Zweck erkennen,
Sie ſprach: Erlaubt auch mir vor Ruhm-Begier zu brennen.
Auguſtus liebt auch mich, er ſorget vor den Schacht,
Dadurch er Sachſen ſchmuͤckt und jaͤhrlich reicher macht,
Wie mancher Marmorbruch, nuͤtzt allbereit im Bauen,
Den ſeiner Aufſicht Winck verordnet anzuhauen?
So manche Wand ſich nur in hohlen Bergen zeigt,
So manche Leiter man in tiefe Gruͤnde ſteigt,
So mancher Knappe ſchon in Freyberg eingefahren,
So wenig hat man hier des Koͤnigs Ruhm zu ſparen.
Kein Wunder! macht ihn doch der Steiger froher Mund
Jn duncklen Schachten gar den Erden-Geiſtern kund;
Die, wenn ſie von Auguſts Durchlauchtem Nahmen hoͤren,
Der Arbeits-Leute Fleiß durch kein Gepolter ſtoͤren.
Hierauf erſchien ein Weib, in reich-geſtickter Tracht,
Und hatte ſich daher ſo ſpaͤt herzu gemacht,
Jhr gieng der Ueberfluß von Sachſenland zur Seiten,
Zur Rechten trug Mercur die groͤßten Koſtbarkeiten.
Sie redete nicht viel, doch that ſie deſto mehr,
Auguſtus, war ihr Wort, bereichert mich ſo ſehr,
Weil mich ſein Churſchwerdt ſchuͤtzt, ſo kan ich mehr erwerben,
Als Kayſer Jndiens von ihren Vaͤtern erben.
Wie-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |