Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 103 Mitte eines Punktvereins. -- Schwerpunkt.

§ 103. In Bezug auf die Statik stellen wir sogleich das Haupt-
gesetz auf, nämlich
"Wenn die Punkte eines Vereins von parallelen Kräften gezo-
gen werden, welche den Gewichten jener Punkte proportional,
aber von veränderlicher Richtung sind, so ist das Gesammt-
moment jener Kräfte in Bezug auf die Mitte jenes Vereins null,
in Bezug auf jeden andern Punkt gleich dem Moment der an
der Mitte angebrachten Gesammtkraft."

Der Beweis ist höchst einfach, ist nämlich s die Mitte des Ver-
eins aa, bb, ...., und sind ap, bp, ... die Kräfte, durch welche
die Punkte a, b etc. gezogen werden, so hat man das Gesammt-
moment in Bezug auf s gleich
a[sa] . p + b [sb] . p .....
= (a[sa] + b [sb] + ....) . p = o,

da der erste Faktor nach dem vorigen § null ist. Für jeden an-
dern Punkt r hat man das Moment gleich
(a[ra] + b[rb] + ....) . p,
und da der erste Faktor gleich (a + b + ...) [rs] ist, gleich
[rs] . (a + b + ...) . p,
d. h. gleich dem Moment der an s angebrachten Gesammtkraft.
Es ist bekannt genug, dass von der ersteren Eigenschaft die Mitte,
wenn die Gewichte als physische Gewichte aufgefasst werden, der
Schwerpunkt heisst. Da die physischen Gewichte immer als po-
sitiv erscheinen, so hat der zweite Fall hier keine direkte Anwen-
dung. Denkt man sich aber einen in eine Flüssigkeit getauchten
Körper, welcher von dieser Flüssigkeit rings umgeben ist, und
rechnet man die Kraft, mit welcher jedes Theilchen durch sein
physisches Gewicht nach unten, und die, mit welcher es durch den
Druck der Flüssigkeit (welcher dem physischen Gewichte der ver-
drängten Flüssigkeit gleich ist) nach oben getrieben wird, zusam-
men, und betrachtet die Gesammtkraft als mathematisches Gewicht
des betreffenden Theilchens, so hat man ebenso wohl positive als
negative Gewichte. Wenn ins Besondere der Körper in der Flüssig-
keit schwebt, so ist die Summe jener Gewichte null, und statt des
mit einem Gewicht behafteten Schwerpunktes tritt nun eine be-
stimmte Strecke als Summe des Punktvereines auf, welchen der in
der Flüssigkeit schwebende Körper darstellt. Diese Strecke kann

§ 103 Mitte eines Punktvereins. — Schwerpunkt.

§ 103. In Bezug auf die Statik stellen wir sogleich das Haupt-
gesetz auf, nämlich
„Wenn die Punkte eines Vereins von parallelen Kräften gezo-
gen werden, welche den Gewichten jener Punkte proportional,
aber von veränderlicher Richtung sind, so ist das Gesammt-
moment jener Kräfte in Bezug auf die Mitte jenes Vereins null,
in Bezug auf jeden andern Punkt gleich dem Moment der an
der Mitte angebrachten Gesammtkraft.“

Der Beweis ist höchst einfach, ist nämlich σ die Mitte des Ver-
eins aα, bβ, ...., und sind ap, bp, ... die Kräfte, durch welche
die Punkte α, β etc. gezogen werden, so hat man das Gesammt-
moment in Bezug auf σ gleich
a[σα] . p + b [σβ] . p .....
= (a[σα] + b [σβ] + ....) . p = o,

da der erste Faktor nach dem vorigen § null ist. Für jeden an-
dern Punkt ρ hat man das Moment gleich
(a[ρα] + b[ρβ] + ....) . p,
und da der erste Faktor gleich (a + b + ...) [ρσ] ist, gleich
[ρσ] . (a + b + ...) . p,
d. h. gleich dem Moment der an σ angebrachten Gesammtkraft.
Es ist bekannt genug, dass von der ersteren Eigenschaft die Mitte,
wenn die Gewichte als physische Gewichte aufgefasst werden, der
Schwerpunkt heisst. Da die physischen Gewichte immer als po-
sitiv erscheinen, so hat der zweite Fall hier keine direkte Anwen-
dung. Denkt man sich aber einen in eine Flüssigkeit getauchten
Körper, welcher von dieser Flüssigkeit rings umgeben ist, und
rechnet man die Kraft, mit welcher jedes Theilchen durch sein
physisches Gewicht nach unten, und die, mit welcher es durch den
Druck der Flüssigkeit (welcher dem physischen Gewichte der ver-
drängten Flüssigkeit gleich ist) nach oben getrieben wird, zusam-
men, und betrachtet die Gesammtkraft als mathematisches Gewicht
des betreffenden Theilchens, so hat man ebenso wohl positive als
negative Gewichte. Wenn ins Besondere der Körper in der Flüssig-
keit schwebt, so ist die Summe jener Gewichte null, und statt des
mit einem Gewicht behafteten Schwerpunktes tritt nun eine be-
stimmte Strecke als Summe des Punktvereines auf, welchen der in
der Flüssigkeit schwebende Körper darstellt. Diese Strecke kann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0179" n="143"/>
          <fw place="top" type="header">§ 103 Mitte eines Punktvereins. &#x2014; Schwerpunkt.</fw><lb/>
          <p>§ 103. In Bezug auf die Statik stellen wir sogleich das Haupt-<lb/>
gesetz auf, nämlich<lb/><cit><quote>&#x201E;Wenn die Punkte eines Vereins von parallelen Kräften gezo-<lb/>
gen werden, welche den Gewichten jener Punkte proportional,<lb/>
aber von veränderlicher Richtung sind, so ist das Gesammt-<lb/>
moment jener Kräfte in Bezug auf die Mitte jenes Vereins null,<lb/>
in Bezug auf jeden andern Punkt gleich dem Moment der an<lb/>
der Mitte angebrachten Gesammtkraft.&#x201C;</quote></cit></p><lb/>
          <p>Der Beweis ist höchst einfach, ist nämlich &#x03C3; die Mitte des Ver-<lb/>
eins <hi rendition="#fr">a</hi>&#x03B1;, <hi rendition="#fr">b</hi>&#x03B2;, ...., und sind <hi rendition="#fr">a</hi>p, <hi rendition="#fr">b</hi>p, ... die Kräfte, durch welche<lb/>
die Punkte &#x03B1;, &#x03B2; etc. gezogen werden, so hat man das Gesammt-<lb/>
moment in Bezug auf &#x03C3; gleich<lb/><cit><quote><hi rendition="#fr">a</hi>[&#x03C3;&#x03B1;] . p + <hi rendition="#fr">b</hi> [&#x03C3;&#x03B2;] . p .....<lb/>
= (<hi rendition="#fr">a</hi>[&#x03C3;&#x03B1;] + <hi rendition="#fr">b</hi> [&#x03C3;&#x03B2;] + ....) . p = o,</quote></cit><lb/>
da der erste Faktor nach dem vorigen § null ist. Für jeden an-<lb/>
dern Punkt &#x03C1; hat man das Moment gleich<lb/><hi rendition="#c">(<hi rendition="#fr">a</hi>[&#x03C1;&#x03B1;] + <hi rendition="#fr">b</hi>[&#x03C1;&#x03B2;] + ....) . p,</hi><lb/>
und da der erste Faktor gleich (<hi rendition="#fr">a + b</hi> + ...) [&#x03C1;&#x03C3;] ist, gleich<lb/><hi rendition="#c">[&#x03C1;&#x03C3;] . (<hi rendition="#fr">a + b</hi> + ...) . p,</hi><lb/>
d. h. gleich dem Moment der an &#x03C3; angebrachten Gesammtkraft.<lb/>
Es ist bekannt genug, dass von der ersteren Eigenschaft die Mitte,<lb/>
wenn die Gewichte als physische Gewichte aufgefasst werden, der<lb/>
Schwerpunkt heisst. Da die physischen Gewichte immer als po-<lb/>
sitiv erscheinen, so hat der zweite Fall hier keine direkte Anwen-<lb/>
dung. Denkt man sich aber einen in eine Flüssigkeit getauchten<lb/>
Körper, welcher von dieser Flüssigkeit rings umgeben ist, und<lb/>
rechnet man die Kraft, mit welcher jedes Theilchen durch sein<lb/>
physisches Gewicht nach unten, und die, mit welcher es durch den<lb/>
Druck der Flüssigkeit (welcher dem physischen Gewichte der ver-<lb/>
drängten Flüssigkeit gleich ist) nach oben getrieben wird, zusam-<lb/>
men, und betrachtet die Gesammtkraft als mathematisches Gewicht<lb/>
des betreffenden Theilchens, so hat man ebenso wohl positive als<lb/>
negative Gewichte. Wenn ins Besondere der Körper in der Flüssig-<lb/>
keit schwebt, so ist die Summe jener Gewichte null, und statt des<lb/>
mit einem Gewicht behafteten Schwerpunktes tritt nun eine be-<lb/>
stimmte Strecke als Summe des Punktvereines auf, welchen der in<lb/>
der Flüssigkeit schwebende Körper darstellt. Diese Strecke kann<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0179] § 103 Mitte eines Punktvereins. — Schwerpunkt. § 103. In Bezug auf die Statik stellen wir sogleich das Haupt- gesetz auf, nämlich „Wenn die Punkte eines Vereins von parallelen Kräften gezo- gen werden, welche den Gewichten jener Punkte proportional, aber von veränderlicher Richtung sind, so ist das Gesammt- moment jener Kräfte in Bezug auf die Mitte jenes Vereins null, in Bezug auf jeden andern Punkt gleich dem Moment der an der Mitte angebrachten Gesammtkraft.“ Der Beweis ist höchst einfach, ist nämlich σ die Mitte des Ver- eins aα, bβ, ...., und sind ap, bp, ... die Kräfte, durch welche die Punkte α, β etc. gezogen werden, so hat man das Gesammt- moment in Bezug auf σ gleich a[σα] . p + b [σβ] . p ..... = (a[σα] + b [σβ] + ....) . p = o, da der erste Faktor nach dem vorigen § null ist. Für jeden an- dern Punkt ρ hat man das Moment gleich (a[ρα] + b[ρβ] + ....) . p, und da der erste Faktor gleich (a + b + ...) [ρσ] ist, gleich [ρσ] . (a + b + ...) . p, d. h. gleich dem Moment der an σ angebrachten Gesammtkraft. Es ist bekannt genug, dass von der ersteren Eigenschaft die Mitte, wenn die Gewichte als physische Gewichte aufgefasst werden, der Schwerpunkt heisst. Da die physischen Gewichte immer als po- sitiv erscheinen, so hat der zweite Fall hier keine direkte Anwen- dung. Denkt man sich aber einen in eine Flüssigkeit getauchten Körper, welcher von dieser Flüssigkeit rings umgeben ist, und rechnet man die Kraft, mit welcher jedes Theilchen durch sein physisches Gewicht nach unten, und die, mit welcher es durch den Druck der Flüssigkeit (welcher dem physischen Gewichte der ver- drängten Flüssigkeit gleich ist) nach oben getrieben wird, zusam- men, und betrachtet die Gesammtkraft als mathematisches Gewicht des betreffenden Theilchens, so hat man ebenso wohl positive als negative Gewichte. Wenn ins Besondere der Körper in der Flüssig- keit schwebt, so ist die Summe jener Gewichte null, und statt des mit einem Gewicht behafteten Schwerpunktes tritt nun eine be- stimmte Strecke als Summe des Punktvereines auf, welchen der in der Flüssigkeit schwebende Körper darstellt. Diese Strecke kann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/179
Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/179>, abgerufen am 21.11.2024.