stets als ein gegebenes gegenübertritt. Wer das Gegentheil behaup- ten wollte, müsste sich der Aufgabe unterziehen, die Nothwendig- keit der drei Dimensionen des Raumes aus den reinen Denkgesetzen abzuleiten, eine Aufgabe, deren Lösung sich sogleich als unmöglich darstellt. -- Wollte nun jemand, obgleich er dies zugeben müsste, dennoch der Geometrie zu Liebe den Namen der Mathematik auch auf sie ausdehnen; so könnten wir uns dies zwar gefallen lassen, wenn er uns auch auf der andern Seite unsern Namen der For- menlehre oder irgend einen gleichgeltenden will stehen lassen; doch aber müssten wir ihn im Voraus darauf hinweisen, dass dann jener Name, weil er das differenteste in sich schliesst, auch nothwendig mit der Zeit als überflüssig werde verworfen werden. Die Stel- lung der Geometrie zur Formenlehre hängt von dem Verhältniss ab, in welchem die Anschauung des Raumes zum reinen Denken steht. Wenn gleich wir nun sagten, es trete jene Anschauung dem Denken als selbstständig gegebenes gegenüber, so ist damit doch nicht behauptet, dass die Anschauung des Raumes uns erst aus der Betrachtung der räumlichen Dinge würde; sondern sie ist eine Grundanschauung, die mit dem Geöffnetsein unseres Sinnes für die sinnliche Welt uns mitgegeben ist, und die uns eben so ursprünglich anhaftet, wie der Leib der Seele. Auf gleiche Weise verhält es sich mit der Zeit und mit der auf die Anschauungen der Zeit und des Raumes gegründeten Bewegung, weshalb man auch die reine Bewegungslehre (Phorometrie) mit gleichem Rechte wie die Geometrie den mathematischen Wissenschaften beigezählt hat. Aus der Anschauung der Bewegung fliesst vermittelst des Gegensatzes von Ursache und Wirkung der Begriff der bewegenden Kraft, so dass also Geometrie, Phorometrie und Mechanik als Anwendungen der Formenlehre auf die Grundanschauungen der sinnlichen Welt erscheinen.
B. Ableitung des Begriffs der Ausdehnungslehre.
4. Jedes durch das Denken gewordene (vergl. Nr. 3) kann auf zwiefache Weise geworden sein, entweder durch einen einfachen Akt des Erzeugens, oder durch einen zwiefachen Akt des Setzens
Einleitung.
stets als ein gegebenes gegenübertritt. Wer das Gegentheil behaup- ten wollte, müsste sich der Aufgabe unterziehen, die Nothwendig- keit der drei Dimensionen des Raumes aus den reinen Denkgesetzen abzuleiten, eine Aufgabe, deren Lösung sich sogleich als unmöglich darstellt. — Wollte nun jemand, obgleich er dies zugeben müsste, dennoch der Geometrie zu Liebe den Namen der Mathematik auch auf sie ausdehnen; so könnten wir uns dies zwar gefallen lassen, wenn er uns auch auf der andern Seite unsern Namen der For- menlehre oder irgend einen gleichgeltenden will stehen lassen; doch aber müssten wir ihn im Voraus darauf hinweisen, dass dann jener Name, weil er das differenteste in sich schliesst, auch nothwendig mit der Zeit als überflüssig werde verworfen werden. Die Stel- lung der Geometrie zur Formenlehre hängt von dem Verhältniss ab, in welchem die Anschauung des Raumes zum reinen Denken steht. Wenn gleich wir nun sagten, es trete jene Anschauung dem Denken als selbstständig gegebenes gegenüber, so ist damit doch nicht behauptet, dass die Anschauung des Raumes uns erst aus der Betrachtung der räumlichen Dinge würde; sondern sie ist eine Grundanschauung, die mit dem Geöffnetsein unseres Sinnes für die sinnliche Welt uns mitgegeben ist, und die uns eben so ursprünglich anhaftet, wie der Leib der Seele. Auf gleiche Weise verhält es sich mit der Zeit und mit der auf die Anschauungen der Zeit und des Raumes gegründeten Bewegung, weshalb man auch die reine Bewegungslehre (Phorometrie) mit gleichem Rechte wie die Geometrie den mathematischen Wissenschaften beigezählt hat. Aus der Anschauung der Bewegung fliesst vermittelst des Gegensatzes von Ursache und Wirkung der Begriff der bewegenden Kraft, so dass also Geometrie, Phorometrie und Mechanik als Anwendungen der Formenlehre auf die Grundanschauungen der sinnlichen Welt erscheinen.
B. Ableitung des Begriffs der Ausdehnungslehre.
4. Jedes durch das Denken gewordene (vergl. Nr. 3) kann auf zwiefache Weise geworden sein, entweder durch einen einfachen Akt des Erzeugens, oder durch einen zwiefachen Akt des Setzens
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[XXI/0025]
Einleitung.
stets als ein gegebenes gegenübertritt. Wer das Gegentheil behaup-
ten wollte, müsste sich der Aufgabe unterziehen, die Nothwendig-
keit der drei Dimensionen des Raumes aus den reinen Denkgesetzen
abzuleiten, eine Aufgabe, deren Lösung sich sogleich als unmöglich
darstellt. — Wollte nun jemand, obgleich er dies zugeben müsste,
dennoch der Geometrie zu Liebe den Namen der Mathematik auch
auf sie ausdehnen; so könnten wir uns dies zwar gefallen lassen,
wenn er uns auch auf der andern Seite unsern Namen der For-
menlehre oder irgend einen gleichgeltenden will stehen lassen; doch
aber müssten wir ihn im Voraus darauf hinweisen, dass dann jener
Name, weil er das differenteste in sich schliesst, auch nothwendig
mit der Zeit als überflüssig werde verworfen werden. Die Stel-
lung der Geometrie zur Formenlehre hängt von dem Verhältniss
ab, in welchem die Anschauung des Raumes zum reinen Denken
steht. Wenn gleich wir nun sagten, es trete jene Anschauung
dem Denken als selbstständig gegebenes gegenüber, so ist damit
doch nicht behauptet, dass die Anschauung des Raumes uns erst
aus der Betrachtung der räumlichen Dinge würde; sondern sie ist
eine Grundanschauung, die mit dem Geöffnetsein unseres Sinnes
für die sinnliche Welt uns mitgegeben ist, und die uns eben so
ursprünglich anhaftet, wie der Leib der Seele. Auf gleiche Weise
verhält es sich mit der Zeit und mit der auf die Anschauungen
der Zeit und des Raumes gegründeten Bewegung, weshalb man auch
die reine Bewegungslehre (Phorometrie) mit gleichem Rechte wie
die Geometrie den mathematischen Wissenschaften beigezählt hat.
Aus der Anschauung der Bewegung fliesst vermittelst des Gegensatzes
von Ursache und Wirkung der Begriff der bewegenden Kraft, so
dass also Geometrie, Phorometrie und Mechanik als Anwendungen
der Formenlehre auf die Grundanschauungen der sinnlichen Welt
erscheinen.
B. Ableitung des Begriffs der Ausdehnungslehre.
4. Jedes durch das Denken gewordene (vergl. Nr. 3) kann
auf zwiefache Weise geworden sein, entweder durch einen einfachen
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Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. XXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/25>, abgerufen am 23.11.2024.
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