Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Allgemeine Formenlehre. § 7

§ 7. Durch das analytische Verfahren gelangt man zur in-
differenten und zur analytischen Form. Die erstere erhält man
durch die analytische Verknüpfung zweier gleicher Formen, also
a * a stellt die indifferente Form dar, und zwar ist dieselbe unab-
hängig von dem Werthe a. In der That ist a * a = b * b; denn
b * b stellt die Form dar, welche mit b synthetisch verknüpft b
giebt, eine solche Form ist a * a, da b * (a * a) = b * a * a = b ist.
In dem Umfange nun, in welchem zugleich das Ergebniss der ana-
lytischen Verknüpfung eindeutig ist, muss daher auch a * a gleich
b * b gesetzt werden. Da somit die indifferente Form unter der
gemachten Voraussetzung immer nur Einen Werth darstellt, so er-
giebt sich daraus die Nothwendigkeit, sie durch ein eigenes Zeichen
zu fixiren. Wir wählen dazu für den Augenblick das Zeichen ,
und bezeichnen die Form ( * a) mit (* a), und nennen (* a) die
rein analytische Form, und zwar wenn die synthetische Verknüpfung
die Addition war, die negative Form. Dass (a * ) und (a * )
gleich a, dass ferner * (* a) gleich * a, und * (* a) gleich * a ist,
ergiebt sich direkt, indem man nur die so eben dargestellten voll-
ständigen Ausdrücke diesen Formen zu substituiren hat, um so-
gleich die Richtigkeit dieser Gleichungen zu übersehen *) Die
analytische Form zur Addition nannten wir ins Besondere die nega-
tive Form, und die indifferente in Bezug auf die Addition und
Subtraktion nennen wir Null.

§ 8. Wir haben bisher den Begriff der Addition rein formell
gefasst, indem wir ihn durch das Gelten gewisser Verknüpfungsge-

*) Es ist ein vergebliches Unternehmen, wenn man z. B. bei der Addition
und Subtraktion in der Arithmetik, nachdem man die hierher gehörenden Ge-
setze für positive Zahlen nachgewiesen hat, sie hinterher noch besonders für
negative Zahlen beweisen will. Indem man nämlich die negative Zahl als solche
definirt, die zu a addirt Null giebt, so meint man hier mit dem Addiren (indem
der Begriff desselben zunächst nur für positive Zahlen aufgestellt ist) entweder
dieselbe Verknüpfungsweise, für welche die Grundgesetze, die den allgemeinen
Begriff der Addition bestimmen, gelten, oder eine andere. Im ersteren Falle
ist der Nachweis unnöthig, da die weiteren Gesetze dann für die negativen
Zahlen schon mit bewiesen sind; im letzteren Falle ist er unmöglich, wenn der
Begriff der Addition solcher Zahlen nicht etwa noch anderweitig bestimmt wer-
den sollte. Eben so verhält es sich mit den Brüchen im Gegensatze gegen die
ganzen Zahlen.
Allgemeine Formenlehre. § 7

§ 7. Durch das analytische Verfahren gelangt man zur in-
differenten und zur analytischen Form. Die erstere erhält man
durch die analytische Verknüpfung zweier gleicher Formen, also
a ◡ a stellt die indifferente Form dar, und zwar ist dieselbe unab-
hängig von dem Werthe a. In der That ist a ◡ a = b ◡ b; denn
b ◡ b stellt die Form dar, welche mit b synthetisch verknüpft b
giebt, eine solche Form ist a ◡ a, da b ◠ (a ◡ a) = b ◠ a ◡ a = b ist.
In dem Umfange nun, in welchem zugleich das Ergebniss der ana-
lytischen Verknüpfung eindeutig ist, muss daher auch a ◡ a gleich
b ◡ b gesetzt werden. Da somit die indifferente Form unter der
gemachten Voraussetzung immer nur Einen Werth darstellt, so er-
giebt sich daraus die Nothwendigkeit, sie durch ein eigenes Zeichen
zu fixiren. Wir wählen dazu für den Augenblick das Zeichen ∾,
und bezeichnen die Form (∾ ◡ a) mit (◡ a), und nennen (◡ a) die
rein analytische Form, und zwar wenn die synthetische Verknüpfung
die Addition war, die negative Form. Dass (a ◠ ∾) und (a ◡ ∾)
gleich a, dass ferner ◠ (◡ a) gleich ◡ a, und ◡ (◡ a) gleich ◠ a ist,
ergiebt sich direkt, indem man nur die so eben dargestellten voll-
ständigen Ausdrücke diesen Formen zu substituiren hat, um so-
gleich die Richtigkeit dieser Gleichungen zu übersehen *) Die
analytische Form zur Addition nannten wir ins Besondere die nega-
tive Form, und die indifferente in Bezug auf die Addition und
Subtraktion nennen wir Null.

§ 8. Wir haben bisher den Begriff der Addition rein formell
gefasst, indem wir ihn durch das Gelten gewisser Verknüpfungsge-

*) Es ist ein vergebliches Unternehmen, wenn man z. B. bei der Addition
und Subtraktion in der Arithmetik, nachdem man die hierher gehörenden Ge-
setze für positive Zahlen nachgewiesen hat, sie hinterher noch besonders für
negative Zahlen beweisen will. Indem man nämlich die negative Zahl als solche
definirt, die zu a addirt Null giebt, so meint man hier mit dem Addiren (indem
der Begriff desselben zunächst nur für positive Zahlen aufgestellt ist) entweder
dieselbe Verknüpfungsweise, für welche die Grundgesetze, die den allgemeinen
Begriff der Addition bestimmen, gelten, oder eine andere. Im ersteren Falle
ist der Nachweis unnöthig, da die weiteren Gesetze dann für die negativen
Zahlen schon mit bewiesen sind; im letzteren Falle ist er unmöglich, wenn der
Begriff der Addition solcher Zahlen nicht etwa noch anderweitig bestimmt wer-
den sollte. Eben so verhält es sich mit den Brüchen im Gegensatze gegen die
ganzen Zahlen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0044" n="8"/>
        <fw place="top" type="header">Allgemeine Formenlehre. § 7</fw><lb/>
        <p>§ 7. Durch das analytische Verfahren gelangt man zur in-<lb/>
differenten und zur analytischen Form. Die erstere erhält man<lb/>
durch die analytische Verknüpfung zweier gleicher Formen, also<lb/>
a &#x25E1; a stellt die indifferente Form dar, und zwar ist dieselbe unab-<lb/>
hängig von dem Werthe a. In der That ist a &#x25E1; a = b &#x25E1; b; denn<lb/>
b &#x25E1; b stellt die Form dar, welche mit b synthetisch verknüpft b<lb/>
giebt, eine solche Form ist a &#x25E1; a, da b &#x25E0; (a &#x25E1; a) = b &#x25E0; a &#x25E1; a = b ist.<lb/>
In dem Umfange nun, in welchem zugleich das Ergebniss der ana-<lb/>
lytischen Verknüpfung eindeutig ist, muss daher auch a &#x25E1; a gleich<lb/>
b &#x25E1; b gesetzt werden. Da somit die indifferente Form unter der<lb/>
gemachten Voraussetzung immer nur Einen Werth darstellt, so er-<lb/>
giebt sich daraus die Nothwendigkeit, sie durch ein eigenes Zeichen<lb/>
zu fixiren. Wir wählen dazu für den Augenblick das Zeichen &#x223E;,<lb/>
und bezeichnen die Form (&#x223E; &#x25E1; a) mit (&#x25E1; a), und nennen (&#x25E1; a) die<lb/>
rein analytische Form, und zwar wenn die synthetische Verknüpfung<lb/>
die Addition war, die negative Form. Dass (a &#x25E0; &#x223E;) und (a &#x25E1; &#x223E;)<lb/>
gleich a, dass ferner &#x25E0; (&#x25E1; a) gleich &#x25E1; a, und &#x25E1; (&#x25E1; a) gleich &#x25E0; a ist,<lb/>
ergiebt sich direkt, indem man nur die so eben dargestellten voll-<lb/>
ständigen Ausdrücke diesen Formen zu substituiren hat, um so-<lb/>
gleich die Richtigkeit dieser Gleichungen zu übersehen <note place="foot" n="*)">Es ist ein vergebliches Unternehmen, wenn man z. B. bei der Addition<lb/>
und Subtraktion in der Arithmetik, nachdem man die hierher gehörenden Ge-<lb/>
setze für positive Zahlen nachgewiesen hat, sie hinterher noch besonders für<lb/>
negative Zahlen beweisen will. Indem man nämlich die negative Zahl als solche<lb/>
definirt, die zu a addirt Null giebt, so meint man hier mit dem Addiren (indem<lb/>
der Begriff desselben zunächst nur für positive Zahlen aufgestellt ist) entweder<lb/>
dieselbe Verknüpfungsweise, für welche die Grundgesetze, die den allgemeinen<lb/>
Begriff der Addition bestimmen, gelten, oder eine andere. Im ersteren Falle<lb/>
ist der Nachweis unnöthig, da die weiteren Gesetze dann für die negativen<lb/>
Zahlen schon mit bewiesen sind; im letzteren Falle ist er unmöglich, wenn der<lb/>
Begriff der Addition solcher Zahlen nicht etwa noch anderweitig bestimmt wer-<lb/>
den sollte. Eben so verhält es sich mit den Brüchen im Gegensatze gegen die<lb/>
ganzen Zahlen.</note> Die<lb/>
analytische Form zur Addition nannten wir ins Besondere die nega-<lb/>
tive Form, und die indifferente in Bezug auf die Addition und<lb/>
Subtraktion nennen wir Null.</p><lb/>
        <p>§ 8. Wir haben bisher den Begriff der Addition rein formell<lb/>
gefasst, indem wir ihn durch das Gelten gewisser Verknüpfungsge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0044] Allgemeine Formenlehre. § 7 § 7. Durch das analytische Verfahren gelangt man zur in- differenten und zur analytischen Form. Die erstere erhält man durch die analytische Verknüpfung zweier gleicher Formen, also a ◡ a stellt die indifferente Form dar, und zwar ist dieselbe unab- hängig von dem Werthe a. In der That ist a ◡ a = b ◡ b; denn b ◡ b stellt die Form dar, welche mit b synthetisch verknüpft b giebt, eine solche Form ist a ◡ a, da b ◠ (a ◡ a) = b ◠ a ◡ a = b ist. In dem Umfange nun, in welchem zugleich das Ergebniss der ana- lytischen Verknüpfung eindeutig ist, muss daher auch a ◡ a gleich b ◡ b gesetzt werden. Da somit die indifferente Form unter der gemachten Voraussetzung immer nur Einen Werth darstellt, so er- giebt sich daraus die Nothwendigkeit, sie durch ein eigenes Zeichen zu fixiren. Wir wählen dazu für den Augenblick das Zeichen ∾, und bezeichnen die Form (∾ ◡ a) mit (◡ a), und nennen (◡ a) die rein analytische Form, und zwar wenn die synthetische Verknüpfung die Addition war, die negative Form. Dass (a ◠ ∾) und (a ◡ ∾) gleich a, dass ferner ◠ (◡ a) gleich ◡ a, und ◡ (◡ a) gleich ◠ a ist, ergiebt sich direkt, indem man nur die so eben dargestellten voll- ständigen Ausdrücke diesen Formen zu substituiren hat, um so- gleich die Richtigkeit dieser Gleichungen zu übersehen *) Die analytische Form zur Addition nannten wir ins Besondere die nega- tive Form, und die indifferente in Bezug auf die Addition und Subtraktion nennen wir Null. § 8. Wir haben bisher den Begriff der Addition rein formell gefasst, indem wir ihn durch das Gelten gewisser Verknüpfungsge- *) Es ist ein vergebliches Unternehmen, wenn man z. B. bei der Addition und Subtraktion in der Arithmetik, nachdem man die hierher gehörenden Ge- setze für positive Zahlen nachgewiesen hat, sie hinterher noch besonders für negative Zahlen beweisen will. Indem man nämlich die negative Zahl als solche definirt, die zu a addirt Null giebt, so meint man hier mit dem Addiren (indem der Begriff desselben zunächst nur für positive Zahlen aufgestellt ist) entweder dieselbe Verknüpfungsweise, für welche die Grundgesetze, die den allgemeinen Begriff der Addition bestimmen, gelten, oder eine andere. Im ersteren Falle ist der Nachweis unnöthig, da die weiteren Gesetze dann für die negativen Zahlen schon mit bewiesen sind; im letzteren Falle ist er unmöglich, wenn der Begriff der Addition solcher Zahlen nicht etwa noch anderweitig bestimmt wer- den sollte. Eben so verhält es sich mit den Brüchen im Gegensatze gegen die ganzen Zahlen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/44
Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/44>, abgerufen am 21.11.2024.