Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

II. bildung des particip. praeteriti.
kurz- und langsilbigen weg, vgl. taldr, tamdr, brendr,
deildr. Man merke a) kurzsilbigen läßt die Edda im
nom. masc. und neutr. noch häufig i: talidhr, hulidhr, du-
lidhr, tamidhr, baridhr, varidhr, thakidhr, lagidhr, ta-
lit, varit etc. wobei nur der unumlaut auffällt; sind es
überbleibsel aus einer früheren zeit, die (gleich dem
goth.) noch keinen umlaut kannte? denn organisch ist
hier i und dasselbe, welches im inf. telja, berja aus
talja, barja zeugt; um so vielmehr sollte es telidhr, be-
ridhr, dylidhr zeugen. b) im nom. neutr. kurzsilbiger
hat sich das i auch noch heute bewahrt: talit, hulit,
stunit, tamit, barit, varit etc. die sich zum masc., wie
kallat zu kalladhr verhalten, d. h. f. talidht, kalladht
stehen (s. 737.); da nun das part. praet. starker conj. im
neutr. gleichfalls auf -it (f. -int) ausgeht, begreift sich,
warum viele schwache verba erster conj. aus solchem
neutr. unorganische formen -in, umgekehrt part. starker
conj. formen -d entwickelten (oben s. 307.). Rask stellt
für solche zweiformige part. eine mischdeclination auf
(§. 194. 248.); ich zweifle, daß sich aus alten denkmäh-
lern ein galda (incantatam) göldum (incantato) oder ein
talinn (numeratus) talins (numerati) ergebe st. der orga-
nischen formen galna, gölnum und talidhrr, talidhs. All-
mählig aber reißt die doppelform ein. g) langsilbigen, de-
ren neutrum bloßes -t, kein -it besitzt, fehlt alle ver-
suchung zu dieser doppelform, vgl. brendr, brent; raumdr,
raumt; hvattr, hvatt; gladdr, gladt. -- 6) mittelh. tragen
sich folgende abänderungen der früheren einrichtung zu:
a) kurzsilbige syncopieren das ableitungs -e nicht nur
in erster, sondern auch zweiter conj. nothwendig nach
l und r: gewelt, geschelt, gebert, gespürt; gespilt, ge-
zilt, gewert, gespart; nach andern cons. meistentheils,
das part. geht hier ganz analog dem praet. ind., nament-
lich auch in den formen geleit, geseit (s. 947.) gereit,
gekleit f. geklaget (s. 959.) gekleit f. gekleidet (s. 961.).
b) langsilbige zweiter conj. behalten in der regel ihr e,
als: geheret, gewaget, gemachet, geminnet, geseller etc.
inzwischen steht ausnahmsweise gemaht f. gemachet
Flore 9c troj. 60a 116a 169a altd. w. 2, 89; gewaht f. ge-
wachet Ben. 144; anderwärts gemert f. gemeret etc. Bei
zutretender flexion wird die syncope zuläßiger, z. b. ge-
herte Parc. 52a 78c. g) bei langsilb. erster conj. ist zwar
immer noch der unflectierte fall von dem flectierten zu
unterscheiden und a) für letzteren kürzung zu behaup-
ten, folglich mit rückuml. und cons. bestimmung des

II. bildung des particip. praeteriti.
kurz- und langſilbigen weg, vgl. taldr, tamdr, brendr,
deildr. Man merke α) kurzſilbigen läßt die Edda im
nom. maſc. und neutr. noch häufig i: talidhr, hulidhr, du-
lidhr, tamidhr, baridhr, varidhr, þakidhr, lagidhr, ta-
lit, varit etc. wobei nur der unumlaut auffällt; ſind es
überbleibſel aus einer früheren zeit, die (gleich dem
goth.) noch keinen umlaut kannte? denn organiſch iſt
hier i und dasſelbe, welches im inf. telja, berja aus
talja, barja zeugt; um ſo vielmehr ſollte es telidhr, be-
ridhr, dylidhr zeugen. β) im nom. neutr. kurzſilbiger
hat ſich das i auch noch heute bewahrt: talit, hulit,
ſtunit, tamit, barit, varit etc. die ſich zum maſc., wie
kallat zu kalladhr verhalten, d. h. f. talidht, kalladht
ſtehen (ſ. 737.); da nun das part. praet. ſtarker conj. im
neutr. gleichfalls auf -it (f. -int) ausgeht, begreift ſich,
warum viele ſchwache verba erſter conj. aus ſolchem
neutr. unorganiſche formen -in, umgekehrt part. ſtarker
conj. formen -d entwickelten (oben ſ. 307.). Raſk ſtellt
für ſolche zweiformige part. eine miſchdeclination auf
(§. 194. 248.); ich zweifle, daß ſich aus alten denkmäh-
lern ein galda (incantatam) göldum (incantato) oder ein
talinn (numeratus) talins (numerati) ergebe ſt. der orga-
niſchen formen galna, gölnum und talidhrr, talidhs. All-
mählig aber reißt die doppelform ein. γ) langſilbigen, de-
ren neutrum bloßes -t, kein -it beſitzt, fehlt alle ver-
ſuchung zu dieſer doppelform, vgl. brendr, brent; rûmdr,
rûmt; hvattr, hvatt; gladdr, gladt. — 6) mittelh. tragen
ſich folgende abänderungen der früheren einrichtung zu:
α) kurzſilbige ſyncopieren das ableitungs -e nicht nur
in erſter, ſondern auch zweiter conj. nothwendig nach
l und r: gewelt, geſchelt, gebert, geſpürt; geſpilt, ge-
zilt, gewërt, geſpart; nach andern conſ. meiſtentheils,
das part. geht hier ganz analog dem praet. ind., nament-
lich auch in den formen geleit, geſeit (ſ. 947.) gereit,
gekleit f. geklaget (ſ. 959.) gekleit f. gekleidet (ſ. 961.).
β) langſilbige zweiter conj. behalten in der regel ihr e,
als: gehêret, gewâget, gemachet, geminnet, geſeller etc.
inzwiſchen ſteht ausnahmsweiſe gemaht f. gemachet
Flore 9c troj. 60a 116a 169a altd. w. 2, 89; gewaht f. ge-
wachet Ben. 144; anderwärts gemêrt f. gemêret etc. Bei
zutretender flexion wird die ſyncope zuläßiger, z. b. ge-
hêrte Parc. 52a 78c. γ) bei langſilb. erſter conj. iſt zwar
immer noch der unflectierte fall von dem flectierten zu
unterſcheiden und a) für letzteren kürzung zu behaup-
ten, folglich mit rückuml. und conſ. beſtimmung des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f1038" n="1012"/><fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">bildung des particip. praeteriti.</hi></fw><lb/>
kurz- und lang&#x017F;ilbigen weg, vgl. taldr, tamdr, brendr,<lb/>
deildr. Man merke <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) kurz&#x017F;ilbigen läßt die Edda im<lb/>
nom. ma&#x017F;c. und neutr. noch häufig i: talidhr, hulidhr, du-<lb/>
lidhr, tamidhr, baridhr, varidhr, þakidhr, lagidhr, ta-<lb/>
lit, varit etc. wobei nur der unumlaut auffällt; &#x017F;ind es<lb/>
überbleib&#x017F;el aus einer früheren zeit, die (gleich dem<lb/>
goth.) noch keinen umlaut kannte? denn organi&#x017F;ch i&#x017F;t<lb/>
hier i und das&#x017F;elbe, welches im inf. telja, berja aus<lb/>
talja, barja zeugt; um &#x017F;o vielmehr &#x017F;ollte es telidhr, be-<lb/>
ridhr, dylidhr zeugen. <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) im nom. neutr. kurz&#x017F;ilbiger<lb/>
hat &#x017F;ich das i auch noch heute bewahrt: talit, hulit,<lb/>
&#x017F;tunit, tamit, barit, varit etc. die &#x017F;ich zum ma&#x017F;c., wie<lb/>
kallat zu kalladhr verhalten, d. h. f. talidht, kalladht<lb/>
&#x017F;tehen (&#x017F;. 737.); da nun das part. praet. &#x017F;tarker conj. im<lb/>
neutr. gleichfalls auf -it (f. -int) ausgeht, begreift &#x017F;ich,<lb/>
warum viele &#x017F;chwache verba er&#x017F;ter conj. aus &#x017F;olchem<lb/>
neutr. unorgani&#x017F;che formen -in, umgekehrt part. &#x017F;tarker<lb/>
conj. formen -d entwickelten (oben &#x017F;. 307.). Ra&#x017F;k &#x017F;tellt<lb/>
für &#x017F;olche zweiformige part. eine mi&#x017F;chdeclination auf<lb/>
(§. 194. 248.); ich zweifle, daß &#x017F;ich aus alten denkmäh-<lb/>
lern ein galda (incantatam) göldum (incantato) oder ein<lb/>
talinn (numeratus) talins (numerati) ergebe &#x017F;t. der orga-<lb/>
ni&#x017F;chen formen galna, gölnum und talidhrr, talidhs. All-<lb/>
mählig aber reißt die doppelform ein. <hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>) lang&#x017F;ilbigen, de-<lb/>
ren neutrum bloßes -t, kein -it be&#x017F;itzt, fehlt alle ver-<lb/>
&#x017F;uchung zu die&#x017F;er doppelform, vgl. brendr, brent; rûmdr,<lb/>
rûmt; hvattr, hvatt; gladdr, gladt. &#x2014; 6) mittelh. tragen<lb/>
&#x017F;ich folgende abänderungen der früheren einrichtung zu:<lb/><hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) kurz&#x017F;ilbige &#x017F;yncopieren das ableitungs -e nicht nur<lb/>
in er&#x017F;ter, &#x017F;ondern auch zweiter conj. nothwendig nach<lb/>
l und r: gewelt, ge&#x017F;chelt, gebert, ge&#x017F;pürt; ge&#x017F;pilt, ge-<lb/>
zilt, gewërt, ge&#x017F;part; nach andern con&#x017F;. mei&#x017F;tentheils,<lb/>
das part. geht hier ganz analog dem praet. ind., nament-<lb/>
lich auch in den formen geleit, ge&#x017F;eit (&#x017F;. 947.) gereit,<lb/>
gekleit f. geklaget (&#x017F;. 959.) gekleit f. gekleidet (&#x017F;. 961.).<lb/><hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) lang&#x017F;ilbige zweiter conj. behalten in der regel ihr e,<lb/>
als: gehêret, gewâget, gemachet, geminnet, ge&#x017F;eller etc.<lb/>
inzwi&#x017F;chen &#x017F;teht ausnahmswei&#x017F;e gemaht f. gemachet<lb/>
Flore 9<hi rendition="#sup">c</hi> troj. 60<hi rendition="#sup">a</hi> 116<hi rendition="#sup">a</hi> 169<hi rendition="#sup">a</hi> altd. w. 2, 89; gewaht f. ge-<lb/>
wachet Ben. 144; anderwärts gemêrt f. gemêret etc. Bei<lb/>
zutretender flexion wird die &#x017F;yncope zuläßiger, z. b. ge-<lb/>
hêrte Parc. 52<hi rendition="#sup">a</hi> 78<hi rendition="#sup">c</hi>. <hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>) bei lang&#x017F;ilb. er&#x017F;ter conj. i&#x017F;t zwar<lb/>
immer noch der unflectierte fall von dem flectierten zu<lb/>
unter&#x017F;cheiden und a) für letzteren kürzung zu behaup-<lb/>
ten, folglich mit rückuml. und con&#x017F;. be&#x017F;timmung des<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1012/1038] II. bildung des particip. praeteriti. kurz- und langſilbigen weg, vgl. taldr, tamdr, brendr, deildr. Man merke α) kurzſilbigen läßt die Edda im nom. maſc. und neutr. noch häufig i: talidhr, hulidhr, du- lidhr, tamidhr, baridhr, varidhr, þakidhr, lagidhr, ta- lit, varit etc. wobei nur der unumlaut auffällt; ſind es überbleibſel aus einer früheren zeit, die (gleich dem goth.) noch keinen umlaut kannte? denn organiſch iſt hier i und dasſelbe, welches im inf. telja, berja aus talja, barja zeugt; um ſo vielmehr ſollte es telidhr, be- ridhr, dylidhr zeugen. β) im nom. neutr. kurzſilbiger hat ſich das i auch noch heute bewahrt: talit, hulit, ſtunit, tamit, barit, varit etc. die ſich zum maſc., wie kallat zu kalladhr verhalten, d. h. f. talidht, kalladht ſtehen (ſ. 737.); da nun das part. praet. ſtarker conj. im neutr. gleichfalls auf -it (f. -int) ausgeht, begreift ſich, warum viele ſchwache verba erſter conj. aus ſolchem neutr. unorganiſche formen -in, umgekehrt part. ſtarker conj. formen -d entwickelten (oben ſ. 307.). Raſk ſtellt für ſolche zweiformige part. eine miſchdeclination auf (§. 194. 248.); ich zweifle, daß ſich aus alten denkmäh- lern ein galda (incantatam) göldum (incantato) oder ein talinn (numeratus) talins (numerati) ergebe ſt. der orga- niſchen formen galna, gölnum und talidhrr, talidhs. All- mählig aber reißt die doppelform ein. γ) langſilbigen, de- ren neutrum bloßes -t, kein -it beſitzt, fehlt alle ver- ſuchung zu dieſer doppelform, vgl. brendr, brent; rûmdr, rûmt; hvattr, hvatt; gladdr, gladt. — 6) mittelh. tragen ſich folgende abänderungen der früheren einrichtung zu: α) kurzſilbige ſyncopieren das ableitungs -e nicht nur in erſter, ſondern auch zweiter conj. nothwendig nach l und r: gewelt, geſchelt, gebert, geſpürt; geſpilt, ge- zilt, gewërt, geſpart; nach andern conſ. meiſtentheils, das part. geht hier ganz analog dem praet. ind., nament- lich auch in den formen geleit, geſeit (ſ. 947.) gereit, gekleit f. geklaget (ſ. 959.) gekleit f. gekleidet (ſ. 961.). β) langſilbige zweiter conj. behalten in der regel ihr e, als: gehêret, gewâget, gemachet, geminnet, geſeller etc. inzwiſchen ſteht ausnahmsweiſe gemaht f. gemachet Flore 9c troj. 60a 116a 169a altd. w. 2, 89; gewaht f. ge- wachet Ben. 144; anderwärts gemêrt f. gemêret etc. Bei zutretender flexion wird die ſyncope zuläßiger, z. b. ge- hêrte Parc. 52a 78c. γ) bei langſilb. erſter conj. iſt zwar immer noch der unflectierte fall von dem flectierten zu unterſcheiden und a) für letzteren kürzung zu behaup- ten, folglich mit rückuml. und conſ. beſtimmung des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/1038
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 1012. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/1038>, abgerufen am 24.11.2024.