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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. althochdeutsche consonanten. gutturales.
unterschied von ia, iu (d. h. ja, ju) gut ausgedrückt
wurde (oben s. 104.). Übergänge des i in j laßen sich
nachweisen, z. b. das neuh je (unquam) entspringt aus
ie und theoretisch kann angenommen werden, daß alle
im inlaut verschluckten j frühere i gewesen, z. b. horen
(audire), vorher horjen deutet auf ein ursprüngliches
hor-i-an, wie denn auch in der flexion das inlautende
j auslautend i oder ei wird. Andrerseits sind schon
(s. 104. 109.) verschiedene beispiele vorgekommen, daß
silben zusammenrücken und manchem entsprungenen ia
ein älteres ja, diesem dann wieder ein noch älteres i-a
ei-a unterliege. In dieser hinsicht ist nun j: i = v (w):u
und der labialordnung p. b. f. v. u. scheint die gutturale
k. g. ch. j. i. parallel. die übergänge des j in g gleichen
denen des v in b. Nachzuweisen aber wäre 1) warum
die lingualreihe keinen vocal als letzte basis zeige?
2) wie die unverkennbare analogie der lingualreihe t. d.
th. s. mit der gutturalen k. g. ch. h. und selbst der la-
bialen p. b. f. v. jenem parallelismus widerspreche oder
damit auszugleichen sey? kurz, warum die gutturales
eine doppelte unterlage, nämlich j und h besitzen? Hier-
auf könnte ich ein und das andere antworten, was mir
noch nicht genügt *); die untersuchung ist allgemeiner
und ich wende mich hier zu der besonderen betrach-
tung des j zurück.

1) j als anlaut, nur in wenigen wörtern: ja. jamar. jar.
jagon. jehan. jener. jesan (fermentescere, später jeren)
jetan (sarrire) joh (et) john (jugum) johhalmo (lorum)
ju (jam) jung. jugund. juchalon (scalpere) juchido (pru-
rigo) vermuthlich noch verschiedene ortsnamen, z. b.
jaßa (Neug. n° 155. 226.) **) jaßaha (fluß zw. Hessen
und Franken, heute joß genanut) etc. fremde eigen-
namen verstehen sich von selbst. Man merke nun,
daß einige, namentlich K. O. T. vor e und i das j in
g wandeln, also: gehan, gener, getan schreiben, so-
bald aber in denselben wörtern der ablaut a oder a
entspringt, das j zurücknehmen, daher in der conju-
gation: gehan, ih gihu, gihis, gihit; praet. jah, pl.
jahun; vgl. oben s. 173. 183. die verwandlung des sc und g
*) Der spirant h scheint allerdings allgemeiner als s und v
und jede lautreihe zu durchdringen. Ankommen wird es
auf eine tiefere ergründung des verhältnisses zwischen th
und z; ph und bh (v); ch, gh und hh.
**) Doch nicht das nord, jata (praesepe)?

I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
unterſchied von iá, iú (d. h. ja, ju) gut ausgedrückt
wurde (oben ſ. 104.). Übergänge des i in j laßen ſich
nachweiſen, z. b. das neuh je (unquam) entſpringt aus
ie und theoretiſch kann angenommen werden, daß alle
im inlaut verſchluckten j frühere i geweſen, z. b. hôren
(audire), vorher hôrjen deutet auf ein urſprüngliches
hôr-i-an, wie denn auch in der flexion das inlautende
j auslautend i oder î wird. Andrerſeits ſind ſchon
(ſ. 104. 109.) verſchiedene beiſpiele vorgekommen, daß
ſilben zuſammenrücken und manchem entſprungenen ia
ein älteres ja, dieſem dann wieder ein noch älteres i-a
î-a unterliege. In dieſer hinſicht iſt nun j: i = v (w):u
und der labialordnung p. b. f. v. u. ſcheint die gutturale
k. g. ch. j. i. parallel. die übergänge des j in g gleichen
denen des v in b. Nachzuweiſen aber wäre 1) warum
die lingualreihe keinen vocal als letzte baſis zeige?
2) wie die unverkennbare analogie der lingualreihe t. d.
th. ſ. mit der gutturalen k. g. ch. h. und ſelbſt der la-
bialen p. b. f. v. jenem paralleliſmus widerſpreche oder
damit auszugleichen ſey? kurz, warum die gutturales
eine doppelte unterlage, nämlich j und h beſitzen? Hier-
auf könnte ich ein und das andere antworten, was mir
noch nicht genügt *); die unterſuchung iſt allgemeiner
und ich wende mich hier zu der beſonderen betrach-
tung des j zurück.

1) j als anlaut, nur in wenigen wörtern: jâ. jâmar. jâr.
jagôn. jëhan. jënêr. jëſan (fermenteſcere, ſpäter jëren)
jëtan (ſarrire) joh (et) john (jugum) johhalmo (lorum)
ju (jam) jung. jugund. juchalôn (ſcalpere) juchido (pru-
rigo) vermuthlich noch verſchiedene ortsnamen, z. b.
jaƷƷa (Neug. n° 155. 226.) **) jaƷaha (fluß zw. Heſſen
und Franken, heute joß genanut) etc. fremde eigen-
namen verſtehen ſich von ſelbſt. Man merke nun,
daß einige, namentlich K. O. T. vor ë und i das j in
g wandeln, alſo: gëhan, gënêr, gëtan ſchreiben, ſo-
bald aber in denſelben wörtern der ablaut a oder â
entſpringt, das j zurücknehmen, daher in der conju-
gation: gehan, ih gihu, gihis, gihit; praet. jah, pl.
jâhun; vgl. oben ſ. 173. 183. die verwandlung des ſc und g
*) Der ſpirant h ſcheint allerdings allgemeiner als ſ und v
und jede lautreihe zu durchdringen. Ankommen wird es
auf eine tiefere ergründung des verhältniſſes zwiſchen th
und z; ph und bh (v); ch, gh und hh.
**) Doch nicht das nord, jata (praeſepe)?
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[187/0213] I. althochdeutſche conſonanten. gutturales. unterſchied von iá, iú (d. h. ja, ju) gut ausgedrückt wurde (oben ſ. 104.). Übergänge des i in j laßen ſich nachweiſen, z. b. das neuh je (unquam) entſpringt aus ie und theoretiſch kann angenommen werden, daß alle im inlaut verſchluckten j frühere i geweſen, z. b. hôren (audire), vorher hôrjen deutet auf ein urſprüngliches hôr-i-an, wie denn auch in der flexion das inlautende j auslautend i oder î wird. Andrerſeits ſind ſchon (ſ. 104. 109.) verſchiedene beiſpiele vorgekommen, daß ſilben zuſammenrücken und manchem entſprungenen ia ein älteres ja, dieſem dann wieder ein noch älteres i-a î-a unterliege. In dieſer hinſicht iſt nun j: i = v (w):u und der labialordnung p. b. f. v. u. ſcheint die gutturale k. g. ch. j. i. parallel. die übergänge des j in g gleichen denen des v in b. Nachzuweiſen aber wäre 1) warum die lingualreihe keinen vocal als letzte baſis zeige? 2) wie die unverkennbare analogie der lingualreihe t. d. th. ſ. mit der gutturalen k. g. ch. h. und ſelbſt der la- bialen p. b. f. v. jenem paralleliſmus widerſpreche oder damit auszugleichen ſey? kurz, warum die gutturales eine doppelte unterlage, nämlich j und h beſitzen? Hier- auf könnte ich ein und das andere antworten, was mir noch nicht genügt *); die unterſuchung iſt allgemeiner und ich wende mich hier zu der beſonderen betrach- tung des j zurück. 1) j als anlaut, nur in wenigen wörtern: jâ. jâmar. jâr. jagôn. jëhan. jënêr. jëſan (fermenteſcere, ſpäter jëren) jëtan (ſarrire) joh (et) john (jugum) johhalmo (lorum) ju (jam) jung. jugund. juchalôn (ſcalpere) juchido (pru- rigo) vermuthlich noch verſchiedene ortsnamen, z. b. jaƷƷa (Neug. n° 155. 226.) **) jaƷaha (fluß zw. Heſſen und Franken, heute joß genanut) etc. fremde eigen- namen verſtehen ſich von ſelbſt. Man merke nun, daß einige, namentlich K. O. T. vor ë und i das j in g wandeln, alſo: gëhan, gënêr, gëtan ſchreiben, ſo- bald aber in denſelben wörtern der ablaut a oder â entſpringt, das j zurücknehmen, daher in der conju- gation: gehan, ih gihu, gihis, gihit; praet. jah, pl. jâhun; vgl. oben ſ. 173. 183. die verwandlung des ſc und g *) Der ſpirant h ſcheint allerdings allgemeiner als ſ und v und jede lautreihe zu durchdringen. Ankommen wird es auf eine tiefere ergründung des verhältniſſes zwiſchen th und z; ph und bh (v); ch, gh und hh. **) Doch nicht das nord, jata (praeſepe)?

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/213>, abgerufen am 11.05.2024.