Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. consonantische ableitungen. P. B.
vairpan in die lage bringen, legen, sternere; dim-pan =
dim-apan (nr. 368.) fordert ein oben s. 55. nicht aufge-
stelltes dim-an (tenebrescere) wovon dem-ar (tenebrae)
dim-ster (tenebrosus), da sich dampf, nebel, finsternis be-
rühren, vgl. serb. tama (nebula, caligo); stim-pan (nr. 586.)
zu stim-an (nr. 322.), das stumpfe ist das verstümmelte,
gehemmte etc.

b) aus vergleichung urverwandter sprachen, welche
labialmedia statt der goth. ten. und ahd. asp. in diesen
wörtern haben: cann-abis, hen-ep, han-of; litth. gel-beti
(auxiliari), hel-pan, hel-fan; ich wage tur-ba zu thaur-p,
dor-of, kaum aber die (rauschende) har-fe, ags. hear-pe, altn.
har-pa zu kor-ubas, kur-bas zu halten. Wo goth. oder
sächs. tenuis lat. ten. begegnet liegt spätere unmittelbare
entlehnung unter; so in sinapi (gothisch Marc. 4, 31.) viel-
leicht auch in scirpus vgl. mit scilf.

Das ahd. mf in mft entspricht zuweilen gothischem
mf (nicht mp), z. b. in fimfto (decimus) durft (necessitas)
semfti (facilis) welche daher nicht unter die p-ableitun-
gen gehören.


ableitungen mit B (ahd. P).

mcistentheils ausgestorben, doch erkennbarer, als die mit
-p, welche nur noch im ahd. den ableitungsvocal zeigten.
Hier aber steht er bisweilen auch im gothischen.

1) der Gothe bildet adverbia auf -aba, -uba, denen
nichts in den übrigen dialecten entspricht, näheres cap. V.

2) feminina und neutra auf -ubni, schwankend in
-ufni (1, 604. 606). Auch diese ableitung mangelt den
andern deutschen sprachen, sie ist mehrfach und würde
ahd. -up-ani, op-ani lauten? oder wäre sie vielmehr
composition, ubni f. obni (wie auch sonst u und o schwan-
ken 1, 40. 855.) aus objan (exercere) ahd. uopan zu er-
klären? zumahl die syntax eine häufige abstracte con-
struction dieses verbi lehren wird. Inzwischen fehlt ge-
rade objan im gothischen, das auch sonst ableitungen mit
-ub zu hegen scheint.

3) es findet sich zwar nur das einzige sil-ub-r, ahd.
sil-up-ar (assim. silipar oder silapar); mit ausgestoßnem vo-
cal ags. seolfer, altn. silfr.

4) in den goth. formeln lb, rb, mb (nb und sb gibt
es nicht) ist der ableitungsvocal a ausgeworfen; beispiele:
ul-bandus (camelus), hal-bs (dimidius), sal-bo, sil-ba (ipse),

III. conſonantiſche ableitungen. P. B.
vaírpan in die lage bringen, legen, ſternere; dim-pan =
dim-apan (nr. 368.) fordert ein oben ſ. 55. nicht aufge-
ſtelltes dim-an (tenebreſcere) wovon dëm-ar (tenebrae)
dim-ſter (tenebroſus), da ſich dampf, nebel, finſternis be-
rühren, vgl. ſerb. tama (nebula, caligo); ſtim-pan (nr. 586.)
zu ſtim-an (nr. 322.), das ſtumpfe iſt das verſtümmelte,
gehemmte etc.

β) aus vergleichung urverwandter ſprachen, welche
labialmedia ſtatt der goth. ten. und ahd. aſp. in dieſen
wörtern haben: cann-abis, hen-ep, han-of; litth. gel-beti
(auxiliari), hël-pan, hël-fan; ich wage tur-ba zu þaúr-p,
dor-of, kaum aber die (rauſchende) har-fe, agſ. hëar-pe, altn.
har-pa zu κορ-ύβας, κύρ-βας zu halten. Wo goth. oder
ſächſ. tenuis lat. ten. begegnet liegt ſpätere unmittelbare
entlehnung unter; ſo in ſinapi (gothiſch Marc. 4, 31.) viel-
leicht auch in ſcirpus vgl. mit ſcilf.

Das ahd. mf in mft entſpricht zuweilen gothiſchem
mf (nicht mp), z. b. in fimfto (decimus) durft (neceſſitas)
ſemfti (facilis) welche daher nicht unter die p-ableitun-
gen gehören.


ableitungen mit B (ahd. P).

mciſtentheils ausgeſtorben, doch erkennbarer, als die mit
-p, welche nur noch im ahd. den ableitungsvocal zeigten.
Hier aber ſteht er bisweilen auch im gothiſchen.

1) der Gothe bildet adverbia auf -aba, -uba, denen
nichts in den übrigen dialecten entſpricht, näheres cap. V.

2) feminina und neutra auf -ubni, ſchwankend in
-ufni (1, 604. 606). Auch dieſe ableitung mangelt den
andern deutſchen ſprachen, ſie iſt mehrfach und würde
ahd. -up-ani, op-ani lauten? oder wäre ſie vielmehr
compoſition, ubni f. ôbni (wie auch ſonſt u und ô ſchwan-
ken 1, 40. 855.) aus ôbjan (exercere) ahd. uopan zu er-
klären? zumahl die ſyntax eine häufige abſtracte con-
ſtruction dieſes verbi lehren wird. Inzwiſchen fehlt ge-
rade ôbjan im gothiſchen, das auch ſonſt ableitungen mit
-ub zu hegen ſcheint.

3) es findet ſich zwar nur das einzige ſil-ub-r, ahd.
ſil-up-ar (aſſim. ſilipar oder ſilapar); mit ausgeſtoßnem vo-
cal agſ. ſëolfer, altn. ſilfr.

4) in den goth. formeln lb, rb, mb (nb und ſb gibt
es nicht) iſt der ableitungsvocal a ausgeworfen; beiſpiele:
ul-bandus (camelus), hal-bs (dimidius), ſal-bô, ſil-ba (ipſe),

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0202" n="184"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. P. B.</hi></hi></fw><lb/>
vaírpan in die lage bringen, legen, &#x017F;ternere; dim-pan =<lb/>
dim-apan (nr. 368.) fordert ein oben &#x017F;. 55. nicht aufge-<lb/>
&#x017F;telltes dim-an (tenebre&#x017F;cere) wovon dëm-ar (tenebrae)<lb/>
dim-&#x017F;ter (tenebro&#x017F;us), da &#x017F;ich dampf, nebel, fin&#x017F;ternis be-<lb/>
rühren, vgl. &#x017F;erb. tama (nebula, caligo); &#x017F;tim-pan (nr. 586.)<lb/>
zu &#x017F;tim-an (nr. 322.), das &#x017F;tumpfe i&#x017F;t das ver&#x017F;tümmelte,<lb/>
gehemmte etc.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) aus vergleichung urverwandter &#x017F;prachen, welche<lb/>
labialmedia &#x017F;tatt der goth. ten. und ahd. a&#x017F;p. in die&#x017F;en<lb/>
wörtern haben<hi rendition="#i">:</hi> cann-abis, hen-ep, han-of; litth. gel-beti<lb/>
(auxiliari), hël-pan, hël-fan; ich wage tur-ba zu þaúr-p,<lb/>
dor-of, kaum aber die (rau&#x017F;chende) har-fe, ag&#x017F;. hëar-pe, altn.<lb/>
har-pa zu <hi rendition="#i">&#x03BA;&#x03BF;&#x03C1;-&#x03CD;&#x03B2;&#x03B1;&#x03C2;, &#x03BA;&#x03CD;&#x03C1;-&#x03B2;&#x03B1;&#x03C2;</hi> zu halten. Wo goth. oder<lb/>
&#x017F;äch&#x017F;. tenuis lat. ten. begegnet liegt &#x017F;pätere unmittelbare<lb/>
entlehnung unter; &#x017F;o in &#x017F;inapi (gothi&#x017F;ch Marc. 4, 31.) viel-<lb/>
leicht auch in &#x017F;cirpus vgl. mit &#x017F;cilf.</p><lb/>
              <p>Das ahd. mf in mft ent&#x017F;pricht zuweilen gothi&#x017F;chem<lb/>
mf (nicht mp), z. b. in fimfto (decimus) durft (nece&#x017F;&#x017F;itas)<lb/>
&#x017F;emfti (facilis) welche daher nicht unter die p-ableitun-<lb/>
gen gehören.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#i">ableitungen mit B</hi> (ahd. P).</head><lb/>
              <p>mci&#x017F;tentheils ausge&#x017F;torben, doch erkennbarer, als die mit<lb/>
-p, welche nur noch im ahd. den ableitungsvocal zeigten.<lb/>
Hier aber &#x017F;teht er bisweilen auch im gothi&#x017F;chen.</p><lb/>
              <p>1) der Gothe bildet adverbia auf <hi rendition="#i">-aba</hi>, <hi rendition="#i">-uba</hi>, denen<lb/>
nichts in den übrigen dialecten ent&#x017F;pricht, näheres cap. V.</p><lb/>
              <p>2) feminina und neutra auf <hi rendition="#i">-ubni</hi>, &#x017F;chwankend in<lb/><hi rendition="#i">-ufni</hi> (1, 604. 606). Auch die&#x017F;e ableitung mangelt den<lb/>
andern deut&#x017F;chen &#x017F;prachen, &#x017F;ie i&#x017F;t mehrfach und würde<lb/>
ahd. -up-ani, op-ani lauten? oder wäre &#x017F;ie vielmehr<lb/>
compo&#x017F;ition, ubni f. ôbni (wie auch &#x017F;on&#x017F;t u und ô &#x017F;chwan-<lb/>
ken 1, 40. 855.) aus ôbjan (exercere) ahd. uopan zu er-<lb/>
klären? zumahl die &#x017F;yntax eine häufige ab&#x017F;tracte con-<lb/>
&#x017F;truction die&#x017F;es verbi lehren wird. Inzwi&#x017F;chen fehlt ge-<lb/>
rade ôbjan im gothi&#x017F;chen, das auch &#x017F;on&#x017F;t ableitungen mit<lb/><hi rendition="#i">-ub</hi> zu hegen &#x017F;cheint.</p><lb/>
              <p>3) es findet &#x017F;ich zwar nur das einzige &#x017F;il-ub-r, ahd.<lb/>
&#x017F;il-up-ar (a&#x017F;&#x017F;im. &#x017F;ilipar oder &#x017F;ilapar); mit ausge&#x017F;toßnem vo-<lb/>
cal ag&#x017F;. &#x017F;ëolfer, altn. &#x017F;ilfr.</p><lb/>
              <p>4) in den goth. formeln <hi rendition="#i">lb</hi>, <hi rendition="#i">rb</hi>, <hi rendition="#i">mb</hi> (nb und &#x017F;b gibt<lb/>
es nicht) i&#x017F;t der ableitungsvocal a ausgeworfen; bei&#x017F;piele:<lb/>
ul-bandus (camelus), hal-bs (dimidius), &#x017F;al-bô, &#x017F;il-ba (ip&#x017F;e),<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0202] III. conſonantiſche ableitungen. P. B. vaírpan in die lage bringen, legen, ſternere; dim-pan = dim-apan (nr. 368.) fordert ein oben ſ. 55. nicht aufge- ſtelltes dim-an (tenebreſcere) wovon dëm-ar (tenebrae) dim-ſter (tenebroſus), da ſich dampf, nebel, finſternis be- rühren, vgl. ſerb. tama (nebula, caligo); ſtim-pan (nr. 586.) zu ſtim-an (nr. 322.), das ſtumpfe iſt das verſtümmelte, gehemmte etc. β) aus vergleichung urverwandter ſprachen, welche labialmedia ſtatt der goth. ten. und ahd. aſp. in dieſen wörtern haben: cann-abis, hen-ep, han-of; litth. gel-beti (auxiliari), hël-pan, hël-fan; ich wage tur-ba zu þaúr-p, dor-of, kaum aber die (rauſchende) har-fe, agſ. hëar-pe, altn. har-pa zu κορ-ύβας, κύρ-βας zu halten. Wo goth. oder ſächſ. tenuis lat. ten. begegnet liegt ſpätere unmittelbare entlehnung unter; ſo in ſinapi (gothiſch Marc. 4, 31.) viel- leicht auch in ſcirpus vgl. mit ſcilf. Das ahd. mf in mft entſpricht zuweilen gothiſchem mf (nicht mp), z. b. in fimfto (decimus) durft (neceſſitas) ſemfti (facilis) welche daher nicht unter die p-ableitun- gen gehören. ableitungen mit B (ahd. P). mciſtentheils ausgeſtorben, doch erkennbarer, als die mit -p, welche nur noch im ahd. den ableitungsvocal zeigten. Hier aber ſteht er bisweilen auch im gothiſchen. 1) der Gothe bildet adverbia auf -aba, -uba, denen nichts in den übrigen dialecten entſpricht, näheres cap. V. 2) feminina und neutra auf -ubni, ſchwankend in -ufni (1, 604. 606). Auch dieſe ableitung mangelt den andern deutſchen ſprachen, ſie iſt mehrfach und würde ahd. -up-ani, op-ani lauten? oder wäre ſie vielmehr compoſition, ubni f. ôbni (wie auch ſonſt u und ô ſchwan- ken 1, 40. 855.) aus ôbjan (exercere) ahd. uopan zu er- klären? zumahl die ſyntax eine häufige abſtracte con- ſtruction dieſes verbi lehren wird. Inzwiſchen fehlt ge- rade ôbjan im gothiſchen, das auch ſonſt ableitungen mit -ub zu hegen ſcheint. 3) es findet ſich zwar nur das einzige ſil-ub-r, ahd. ſil-up-ar (aſſim. ſilipar oder ſilapar); mit ausgeſtoßnem vo- cal agſ. ſëolfer, altn. ſilfr. 4) in den goth. formeln lb, rb, mb (nb und ſb gibt es nicht) iſt der ableitungsvocal a ausgeworfen; beiſpiele: ul-bandus (camelus), hal-bs (dimidius), ſal-bô, ſil-ba (ipſe),

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/202
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/202>, abgerufen am 24.11.2024.