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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. subst. eigentl. comp. -- subst. mit adj.
ziehen, vgl. -grau und -fahl (apfel-grau, äppel-fealo)
u. a. m.

7) es bedarf genauerer untersuchung, als oben s. 423.
424. darauf gewendet worden ist, wofür das in vielen
mhd. zusammensetzungen überhaupt nach langsilbigen
ersten wörtern haftende e zu halten sei? Nach kurzen
silben scheint es unbezweifelt compositionsvocal, z. b. in
rede-lich, tege-lich, lobe-sam, huge-sam etc. Nach lan-
gen könnte es oft aus ableitenden i erklärt werden, z. b.
in ende-lich, ende-haft, sünde-haft (suntja) minne-weise,
minne-lich (minnja); wie aber, wo kein solches i denk-
bar ist, in herze-lich, herze-baere, riuwe-sam, krone-baere
und allen ähnlichen, deren erstes wort starkes fem. erster
decl. oder schw. fem. und neutr. war? Gebliebener comp.
vocal vermag es nicht zu sein, da er nach langsilbigen
masc. und neutr. starker decl. überall fehlt (kamps-baere,
mort-baere, muot-sam). Ich halte dieses mhd. e nach
langen silben in den meisten fällen für unorganisch, ein-
geführt entw. nach analogie des compositionsvocals, der
an kurzen silben fortdauert, oder mit fehlerhafter rück-
sicht auf den flexionsvocal, welchen uneigentliche com-
posita mit sich führen. Uneigentliche composition ange-
nommen ist das e im einzelnen untadelhaft, z. b. in min-
ne-weise vielleicht minne der gen. wie lobes in lobes-weise.
Nhd. sind solche e meist verschwunden (sünd-haft, herz-
haft, herz-lich, end-lich) wie in den verlängerten ehdem
kurzsilbigen höf-lich, täg-lich, red-lich) und freilich auch
oft in der flexion (herz, frau).

8) in diesem abschnitt habe ich mehr beispiele aus der
gemeinen volksmundart beigebracht, als ich sonst pflege.
Die gebildete schriftsprache verschmäht allmählig den
reichthum ursprünglich höchst poetischer adjective für die
begriffe von farbe, licht, dunkel, geschmack etc. oder
verwendet sie nur noch sparsam. Es kam mir darauf
an zu zeigen, daß sie dem volk mit dem alten epos ge-
mein sind, denn das volk ersinnt nichts von neuem, son-
dern bewahrt treuverworren das ihm überlieferte. Wie
in oft noch dunkeln verbindungen ferne dialecte zus.
treffen ist beachtenswerth.

9) weibliche, mit der ableitung -ei aus den adj. gebil-
dete subst. belegen zugleich das componierte adj. selbst,
z. b. meßhaftei, namahaftei, scamahaftei, situhaftei die adj.
meßhaft -- getilos. Ebenso beurtheile man abgeleitete
verba, z. b. viuwer-niuwen. Es ist nämlich nicht meß,

III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj.
ziehen, vgl. -grau und -fahl (apfel-grau, äppel-fëalo)
u. a. m.

7) es bedarf genauerer unterſuchung, als oben ſ. 423.
424. darauf gewendet worden iſt, wofür das in vielen
mhd. zuſammenſetzungen überhaupt nach langſilbigen
erſten wörtern haftende e zu halten ſei? Nach kurzen
ſilben ſcheint es unbezweifelt compoſitionsvocal, z. b. in
rede-lich, tege-lich, lobe-ſam, huge-ſam etc. Nach lan-
gen könnte es oft aus ableitenden i erklärt werden, z. b.
in ende-lich, ende-haft, ſünde-haft (ſuntja) minne-wîſe,
minne-lich (minnja); wie aber, wo kein ſolches i denk-
bar iſt, in hërze-lich, hërze-bære, riuwe-ſam, krône-bære
und allen ähnlichen, deren erſtes wort ſtarkes fem. erſter
decl. oder ſchw. fem. und neutr. war? Gebliebener comp.
vocal vermag es nicht zu ſein, da er nach langſilbigen
maſc. und neutr. ſtarker decl. überall fehlt (kampſ-bære,
mort-bære, muot-ſam). Ich halte dieſes mhd. e nach
langen ſilben in den meiſten fällen für unorganiſch, ein-
geführt entw. nach analogie des compoſitionsvocals, der
an kurzen ſilben fortdauert, oder mit fehlerhafter rück-
ſicht auf den flexionsvocal, welchen uneigentliche com-
poſita mit ſich führen. Uneigentliche compoſition ange-
nommen iſt das e im einzelnen untadelhaft, z. b. in min-
ne-wîſe vielleicht minne der gen. wie lobes in lobes-wîſe.
Nhd. ſind ſolche e meiſt verſchwunden (ſünd-haft, herz-
haft, herz-lich, end-lich) wie in den verlängerten ehdem
kurzſilbigen höf-lich, täg-lich, red-lich) und freilich auch
oft in der flexion (herz, frau).

8) in dieſem abſchnitt habe ich mehr beiſpiele aus der
gemeinen volksmundart beigebracht, als ich ſonſt pflege.
Die gebildete ſchriftſprache verſchmäht allmählig den
reichthum urſprünglich höchſt poetiſcher adjective für die
begriffe von farbe, licht, dunkel, geſchmack etc. oder
verwendet ſie nur noch ſparſam. Es kam mir darauf
an zu zeigen, daß ſie dem volk mit dem alten epos ge-
mein ſind, denn das volk erſinnt nichts von neuem, ſon-
dern bewahrt treuverworren das ihm überlieferte. Wie
in oft noch dunkeln verbindungen ferne dialecte zuſ.
treffen iſt beachtenswerth.

9) weibliche, mit der ableitung -î aus den adj. gebil-
dete ſubſt. belegen zugleich das componierte adj. ſelbſt,
z. b. mëƷhaftî, namahaftî, ſcamahaftî, ſituhaftî die adj.
mëƷhaft — getilôs. Ebenſo beurtheile man abgeleitete
verba, z. b. viuwer-niuwen. Es iſt nämlich nicht mëƷ,

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[580/0598] III. ſubſt. eigentl. comp. — ſubſt. mit adj. ziehen, vgl. -grau und -fahl (apfel-grau, äppel-fëalo) u. a. m. 7) es bedarf genauerer unterſuchung, als oben ſ. 423. 424. darauf gewendet worden iſt, wofür das in vielen mhd. zuſammenſetzungen überhaupt nach langſilbigen erſten wörtern haftende e zu halten ſei? Nach kurzen ſilben ſcheint es unbezweifelt compoſitionsvocal, z. b. in rede-lich, tege-lich, lobe-ſam, huge-ſam etc. Nach lan- gen könnte es oft aus ableitenden i erklärt werden, z. b. in ende-lich, ende-haft, ſünde-haft (ſuntja) minne-wîſe, minne-lich (minnja); wie aber, wo kein ſolches i denk- bar iſt, in hërze-lich, hërze-bære, riuwe-ſam, krône-bære und allen ähnlichen, deren erſtes wort ſtarkes fem. erſter decl. oder ſchw. fem. und neutr. war? Gebliebener comp. vocal vermag es nicht zu ſein, da er nach langſilbigen maſc. und neutr. ſtarker decl. überall fehlt (kampſ-bære, mort-bære, muot-ſam). Ich halte dieſes mhd. e nach langen ſilben in den meiſten fällen für unorganiſch, ein- geführt entw. nach analogie des compoſitionsvocals, der an kurzen ſilben fortdauert, oder mit fehlerhafter rück- ſicht auf den flexionsvocal, welchen uneigentliche com- poſita mit ſich führen. Uneigentliche compoſition ange- nommen iſt das e im einzelnen untadelhaft, z. b. in min- ne-wîſe vielleicht minne der gen. wie lobes in lobes-wîſe. Nhd. ſind ſolche e meiſt verſchwunden (ſünd-haft, herz- haft, herz-lich, end-lich) wie in den verlängerten ehdem kurzſilbigen höf-lich, täg-lich, red-lich) und freilich auch oft in der flexion (herz, frau). 8) in dieſem abſchnitt habe ich mehr beiſpiele aus der gemeinen volksmundart beigebracht, als ich ſonſt pflege. Die gebildete ſchriftſprache verſchmäht allmählig den reichthum urſprünglich höchſt poetiſcher adjective für die begriffe von farbe, licht, dunkel, geſchmack etc. oder verwendet ſie nur noch ſparſam. Es kam mir darauf an zu zeigen, daß ſie dem volk mit dem alten epos ge- mein ſind, denn das volk erſinnt nichts von neuem, ſon- dern bewahrt treuverworren das ihm überlieferte. Wie in oft noch dunkeln verbindungen ferne dialecte zuſ. treffen iſt beachtenswerth. 9) weibliche, mit der ableitung -î aus den adj. gebil- dete ſubſt. belegen zugleich das componierte adj. ſelbſt, z. b. mëƷhaftî, namahaftî, ſcamahaftî, ſituhaftî die adj. mëƷhaft — getilôs. Ebenſo beurtheile man abgeleitete verba, z. b. viuwer-niuwen. Es iſt nämlich nicht mëƷ,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/598>, abgerufen am 22.11.2024.