4) wird mit compar. und superlativ zus. gesetzt? ich kenne gar keine beispiele, es sei denn mit uralten super- lativen, die wieder positivisch geworden (goth. fruma = primus) oder mit comparativen, die zu subst. geworden (ahd. heriro, herro, herre; jungiro, nhd. jünger) also nicht mehr hierher gehören, oder mit scheinbaren, un- organischen superl. (nhd. selbst f. selb). Die sprache leidet also keine composition mit fühlbaren gesteigerten graden, man kann nicht sagen beßer-mann, best-mann; kleiner- heit, kleinst-heit wie gut-mann, klein-heit. Das altn. bestu-menn (optimates) da bestu die schwache pluralflexion zeigt, ist höchstens uneigentlich zus. gesetzt und so mag es sich auch mit dem aus dem deutschen recht, aber in keiner alten form bekannten ausdruck best-haupt ver- halten.
5) das schwindende ableitungs-i bei adj. zweiter decl. veranlaßt im mhd. rückumlaut, z. b. gruon-speht; kuon- heit, truop-heit, schon-heit etc. Nhd. aber grün-specht, trüb-heit, schön-heit.
6) bei einer anzahl erster wörter läßt sich schwer ent- scheiden, ob sie von adj. oder subst. herrühren, z. b. in giwona-heit kann giwon (suetus) und giwona (consuetudo), in traut-scaf traut (fidus) oder traut (amicus) zu grunde liegen; dem goth. ubil-tojis das adj. ubils oder das subst. ubilo u. a. m.
7) schwanken des zweiten worts, d. h. des subst. in die schwache form (s. 542. anm. 9.) ist auch hier bei den altn. -leikr und -leiki sichtbar. Die wahrnehmung s. 543. mag aber durch ein ags. beispiel bestätigt werden. Jud. 11. stehet ohne artikel: faege frum-garas, mit artikel Cädm. 27. se frum-gara; Cädm. 38. tha frum-garan. Verdäch- tige lesarten oder aufgegebne unterscheidung scheinen demnach Cädm. 28. se frum-gar; 31. frum-garan; 55. frod frum-gara; 77. tha frum-garas.
8) abstract werdende zweite wörter: -heit, -schaft, -thum, -tag, altn. -leikr. Unter den ersten wörtern kann man dem ala-, fruma-, fulla- eine gewisse allge- meinheit zuschreiben.
9) verschiedne zweite wörter, der form nach starke substantiva, bekommen, ohne zutretende ableitung, adjec- tivische bedeutung. Dahin gehören vorzüglich benen- nungen, welche a) von beschreibung der äußerlichen lei- besgestalt genommen sind: lang-bart, grau-bart, lang-
III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
4) wird mit compar. und ſuperlativ zuſ. geſetzt? ich kenne gar keine beiſpiele, es ſei denn mit uralten ſuper- lativen, die wieder poſitiviſch geworden (goth. fruma = primus) oder mit comparativen, die zu ſubſt. geworden (ahd. hêriro, hêrro, hërre; jungiro, nhd. jünger) alſo nicht mehr hierher gehören, oder mit ſcheinbaren, un- organiſchen ſuperl. (nhd. ſelbſt f. ſelb). Die ſprache leidet alſo keine compoſition mit fühlbaren geſteigerten graden, man kann nicht ſagen beßer-mann, beſt-mann; kleiner- heit, kleinſt-heit wie gut-mann, klein-heit. Das altn. beſtu-menn (optimates) da beſtu die ſchwache pluralflexion zeigt, iſt höchſtens uneigentlich zuſ. geſetzt und ſo mag es ſich auch mit dem aus dem deutſchen recht, aber in keiner alten form bekannten ausdruck beſt-haupt ver- halten.
5) das ſchwindende ableitungs-i bei adj. zweiter decl. veranlaßt im mhd. rückumlaut, z. b. gruon-ſpëht; kuon- heit, truop-heit, ſchôn-heit etc. Nhd. aber grün-ſpecht, trüb-heit, ſchön-heit.
6) bei einer anzahl erſter wörter läßt ſich ſchwer ent- ſcheiden, ob ſie von adj. oder ſubſt. herrühren, z. b. in giwona-heit kann giwon (ſuetus) und giwona (conſuetudo), in trût-ſcaf trût (fidus) oder trût (amicus) zu grunde liegen; dem goth. ubil-tôjis das adj. ubils oder das ſubſt. ubilô u. a. m.
7) ſchwanken des zweiten worts, d. h. des ſubſt. in die ſchwache form (ſ. 542. anm. 9.) iſt auch hier bei den altn. -leikr und -leiki ſichtbar. Die wahrnehmung ſ. 543. mag aber durch ein agſ. beiſpiel beſtätigt werden. Jud. 11. ſtehet ohne artikel: fæge frum-gâras, mit artikel Cädm. 27. ſe frum-gâra; Cädm. 38. þa frum-gâran. Verdäch- tige lesarten oder aufgegebne unterſcheidung ſcheinen demnach Cädm. 28. ſe frum-gâr; 31. frum-gâran; 55. frôd frum-gâra; 77. þâ frum-gâras.
8) abſtract werdende zweite wörter: -heit, -ſchaft, -thum, -tag, altn. -leikr. Unter den erſten wörtern kann man dem ala-, fruma-, fulla- eine gewiſſe allge- meinheit zuſchreiben.
9) verſchiedne zweite wörter, der form nach ſtarke ſubſtantiva, bekommen, ohne zutretende ableitung, adjec- tiviſche bedeutung. Dahin gehören vorzüglich benen- nungen, welche α) von beſchreibung der äußerlichen lei- besgeſtalt genommen ſind: lang-bart, grau-bart, lang-
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III. adj. eigentl. comp. — adj. mit ſubſt.
4) wird mit compar. und ſuperlativ zuſ. geſetzt? ich
kenne gar keine beiſpiele, es ſei denn mit uralten ſuper-
lativen, die wieder poſitiviſch geworden (goth. fruma =
primus) oder mit comparativen, die zu ſubſt. geworden
(ahd. hêriro, hêrro, hërre; jungiro, nhd. jünger) alſo
nicht mehr hierher gehören, oder mit ſcheinbaren, un-
organiſchen ſuperl. (nhd. ſelbſt f. ſelb). Die ſprache leidet
alſo keine compoſition mit fühlbaren geſteigerten graden,
man kann nicht ſagen beßer-mann, beſt-mann; kleiner-
heit, kleinſt-heit wie gut-mann, klein-heit. Das altn.
beſtu-menn (optimates) da beſtu die ſchwache pluralflexion
zeigt, iſt höchſtens uneigentlich zuſ. geſetzt und ſo mag
es ſich auch mit dem aus dem deutſchen recht, aber in
keiner alten form bekannten ausdruck beſt-haupt ver-
halten.
5) das ſchwindende ableitungs-i bei adj. zweiter decl.
veranlaßt im mhd. rückumlaut, z. b. gruon-ſpëht; kuon-
heit, truop-heit, ſchôn-heit etc. Nhd. aber grün-ſpecht,
trüb-heit, ſchön-heit.
6) bei einer anzahl erſter wörter läßt ſich ſchwer ent-
ſcheiden, ob ſie von adj. oder ſubſt. herrühren, z. b. in
giwona-heit kann giwon (ſuetus) und giwona (conſuetudo),
in trût-ſcaf trût (fidus) oder trût (amicus) zu grunde
liegen; dem goth. ubil-tôjis das adj. ubils oder das ſubſt.
ubilô u. a. m.
7) ſchwanken des zweiten worts, d. h. des ſubſt. in
die ſchwache form (ſ. 542. anm. 9.) iſt auch hier bei den
altn. -leikr und -leiki ſichtbar. Die wahrnehmung ſ. 543.
mag aber durch ein agſ. beiſpiel beſtätigt werden. Jud.
11. ſtehet ohne artikel: fæge frum-gâras, mit artikel Cädm.
27. ſe frum-gâra; Cädm. 38. þa frum-gâran. Verdäch-
tige lesarten oder aufgegebne unterſcheidung ſcheinen
demnach Cädm. 28. ſe frum-gâr; 31. frum-gâran; 55.
frôd frum-gâra; 77. þâ frum-gâras.
8) abſtract werdende zweite wörter: -heit, -ſchaft,
-thum, -tag, altn. -leikr. Unter den erſten wörtern
kann man dem ala-, fruma-, fulla- eine gewiſſe allge-
meinheit zuſchreiben.
9) verſchiedne zweite wörter, der form nach ſtarke
ſubſtantiva, bekommen, ohne zutretende ableitung, adjec-
tiviſche bedeutung. Dahin gehören vorzüglich benen-
nungen, welche α) von beſchreibung der äußerlichen lei-
besgeſtalt genommen ſind: lang-bart, grau-bart, lang-
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/666>, abgerufen am 22.11.2024.
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