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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. partikelcomposition. -- part. mit nom.
mit-arbeiter, mit-reisender und nach analogie von miti-
slaf würde miti-slafo kaum verschieden sein von ki-
slafo (sugkoitos) mhd. gelten ge-reise und mite-reise
gleichviel. Man halte epan-alt zu ki-altro, epan-leih zu
ka-leih, epan-hloßo zu ki-hloßo; sin-hivan (conjuges) zu
gi-heileih; für gi-sindo setzt O. V. 9, 18. saman-sindo. Ge-
gensatz ist ab-, vgl. ab-har (depilis) mit ge-har (gleichsam
com-pilis). In den übrigen fällen schwächerer bedeutung
wechselt ge- mit be-, z. b. gi-zengi, bi-tengi; ge-sceid,
be-scheid; ge-derbe, be-derbe, ags. ge-leafa, engl. be-lief;
es ist, wie be- und ver- zuweilen inhaltsleer geworden,
ursprunglich nicht gewesen. -- b) manche wörter, zum
zeichen seiner gelinden bedentung (s. 725.), pflegen es
dann gar nicht von sich zu laßen: g-rob, g-leich, ge-
mein, g-lied, ge-mach, ge-sund, ge-wis, ge-meit, ge-
ve etc. Wo es lebendiger ist, scheint es immer trenn-
barer. -- c) auf der andern seite erhellt seine geheime
potenz immer noch daraus, daß es nicht gleichgültig
allen wörtern vorgeschoben werden darf. Sinnliche wör-
ter namentlich vertragen kein gelindes, sondern nur ein
stärkeres, die bedeutung modificierendes. Z. b. kein farb-
adjectivum, niemand sagt ge-schwarz, ge-weiß. Bei den
collectivis nr. 2. tritt je sinnlicher das nomen ist, desto
lebhafter der begriff hervor, vgl. ge-hünde, ge-videre.
d) man könnte annehmen wollen, daß nicht die partikel
selbst jenen stärkeren oder schwächeren sinn wirke, der
vielmehr von dem ableitungsprincip herrühre. Allerdings
entspringen bisweilen adj. aus subst. durch die bloße ver-
wandlung substantivischer in adjectivische flexion, ohne
zutritt der partikel, und wenigstens bei eigentlicher zus.
setzung erscheint diese nicht nothwendig, vgl. z. b.
-farvs, -hairts, -mods (s. 656. 657. 663.) wiewohl sie
ausgeworfen sein könnte, wie sie auch nach un-
auszufallen pflegt, z. b. in un-hiuri hrab. 960a st. un-ga-
hiuri; vgl. or-rauno mons. 328. mit or-ki-rauno jun.
196; not-stallo mit not-gi-stallo etc. Allein abgesehen
von solcher unterdrückung hängen die begriffe unter 1
und 2 doch wohl wesentlich mit dem ge- zusammen.
Theils zeugt das ableitende -i in unzähligen fällen ohne
vortritt der partikel weder collectiva noch sociativa,
theils mangelt es den letzteren sogar häufig. Ebensowe-
nig kann die schwache form den gesellschaftsbegriff be-
wirken, da sie ebenfalls zuweilen unterbleibt, oder man
müste das starkformige ags. ge-sid für unorganisch erklä-
ren, in welchem allem scheine nach die bloße partikel

III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
mit-arbeiter, mit-reiſender und nach analogie von miti-
ſlâf würde miti-ſlâfo kaum verſchieden ſein von ki-
ſlâfo (σύγκοιτος) mhd. gelten ge-reiſe und mite-reiſe
gleichviel. Man halte ëpan-alt zu ki-altro, ëpan-lîh zu
ka-lîh, ëpan-hloƷo zu ki-hloƷo; ſin-hivan (conjuges) zu
gi-hîleih; für gi-ſindo ſetzt O. V. 9, 18. ſaman-ſindo. Ge-
genſatz iſt ab-, vgl. ab-hâr (depilis) mit ge-hâr (gleichſam
com-pilis). In den übrigen fällen ſchwächerer bedeutung
wechſelt ge- mit be-, z. b. gi-zengi, bi-tengi; ge-ſceid,
be-ſcheid; ge-derbe, be-derbe, agſ. ge-leáfa, engl. be-lief;
es iſt, wie be- und ver- zuweilen inhaltsleer geworden,
urſprunglich nicht geweſen. — b) manche wörter, zum
zeichen ſeiner gelinden bedentung (ſ. 725.), pflegen es
dann gar nicht von ſich zu laßen: g-rob, g-leich, ge-
mein, g-lied, ge-mach, ge-ſund, ge-wis, ge-meit, ge-
vê etc. Wo es lebendiger iſt, ſcheint es immer trenn-
barer. — c) auf der andern ſeite erhellt ſeine geheime
potenz immer noch daraus, daß es nicht gleichgültig
allen wörtern vorgeſchoben werden darf. Sinnliche wör-
ter namentlich vertragen kein gelindes, ſondern nur ein
ſtärkeres, die bedeutung modificierendes. Z. b. kein farb-
adjectivum, niemand ſagt ge-ſchwarz, ge-weiß. Bei den
collectivis nr. 2. tritt je ſinnlicher das nomen iſt, deſto
lebhafter der begriff hervor, vgl. ge-hünde, ge-videre.
d) man könnte annehmen wollen, daß nicht die partikel
ſelbſt jenen ſtärkeren oder ſchwächeren ſinn wirke, der
vielmehr von dem ableitungsprincip herrühre. Allerdings
entſpringen bisweilen adj. aus ſubſt. durch die bloße ver-
wandlung ſubſtantiviſcher in adjectiviſche flexion, ohne
zutritt der partikel, und wenigſtens bei eigentlicher zuſ.
ſetzung erſcheint dieſe nicht nothwendig, vgl. z. b.
-farvs, -haírts, -môds (ſ. 656. 657. 663.) wiewohl ſie
ausgeworfen ſein könnte, wie ſie auch nach un-
auszufallen pflegt, z. b. in un-hiuri hrab. 960a ſt. un-ga-
hiuri; vgl. ôr-rûno monſ. 328. mit ôr-ki-rûno jun.
196; nôt-ſtallo mit nôt-gi-ſtallo etc. Allein abgeſehen
von ſolcher unterdrückung hängen die begriffe unter 1
und 2 doch wohl weſentlich mit dem ge- zuſammen.
Theils zeugt das ableitende -i in unzähligen fällen ohne
vortritt der partikel weder collectiva noch ſociativa,
theils mangelt es den letzteren ſogar häufig. Ebenſowe-
nig kann die ſchwache form den geſellſchaftsbegriff be-
wirken, da ſie ebenfalls zuweilen unterbleibt, oder man
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ren, in welchem allem ſcheine nach die bloße partikel

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[749/0767] III. partikelcompoſition. — part. mit nom. mit-arbeiter, mit-reiſender und nach analogie von miti- ſlâf würde miti-ſlâfo kaum verſchieden ſein von ki- ſlâfo (σύγκοιτος) mhd. gelten ge-reiſe und mite-reiſe gleichviel. Man halte ëpan-alt zu ki-altro, ëpan-lîh zu ka-lîh, ëpan-hloƷo zu ki-hloƷo; ſin-hivan (conjuges) zu gi-hîleih; für gi-ſindo ſetzt O. V. 9, 18. ſaman-ſindo. Ge- genſatz iſt ab-, vgl. ab-hâr (depilis) mit ge-hâr (gleichſam com-pilis). In den übrigen fällen ſchwächerer bedeutung wechſelt ge- mit be-, z. b. gi-zengi, bi-tengi; ge-ſceid, be-ſcheid; ge-derbe, be-derbe, agſ. ge-leáfa, engl. be-lief; es iſt, wie be- und ver- zuweilen inhaltsleer geworden, urſprunglich nicht geweſen. — b) manche wörter, zum zeichen ſeiner gelinden bedentung (ſ. 725.), pflegen es dann gar nicht von ſich zu laßen: g-rob, g-leich, ge- mein, g-lied, ge-mach, ge-ſund, ge-wis, ge-meit, ge- vê etc. Wo es lebendiger iſt, ſcheint es immer trenn- barer. — c) auf der andern ſeite erhellt ſeine geheime potenz immer noch daraus, daß es nicht gleichgültig allen wörtern vorgeſchoben werden darf. Sinnliche wör- ter namentlich vertragen kein gelindes, ſondern nur ein ſtärkeres, die bedeutung modificierendes. Z. b. kein farb- adjectivum, niemand ſagt ge-ſchwarz, ge-weiß. Bei den collectivis nr. 2. tritt je ſinnlicher das nomen iſt, deſto lebhafter der begriff hervor, vgl. ge-hünde, ge-videre. d) man könnte annehmen wollen, daß nicht die partikel ſelbſt jenen ſtärkeren oder ſchwächeren ſinn wirke, der vielmehr von dem ableitungsprincip herrühre. Allerdings entſpringen bisweilen adj. aus ſubſt. durch die bloße ver- wandlung ſubſtantiviſcher in adjectiviſche flexion, ohne zutritt der partikel, und wenigſtens bei eigentlicher zuſ. ſetzung erſcheint dieſe nicht nothwendig, vgl. z. b. -farvs, -haírts, -môds (ſ. 656. 657. 663.) wiewohl ſie ausgeworfen ſein könnte, wie ſie auch nach un- auszufallen pflegt, z. b. in un-hiuri hrab. 960a ſt. un-ga- hiuri; vgl. ôr-rûno monſ. 328. mit ôr-ki-rûno jun. 196; nôt-ſtallo mit nôt-gi-ſtallo etc. Allein abgeſehen von ſolcher unterdrückung hängen die begriffe unter 1 und 2 doch wohl weſentlich mit dem ge- zuſammen. Theils zeugt das ableitende -i in unzähligen fällen ohne vortritt der partikel weder collectiva noch ſociativa, theils mangelt es den letzteren ſogar häufig. Ebenſowe- nig kann die ſchwache form den geſellſchaftsbegriff be- wirken, da ſie ebenfalls zuweilen unterbleibt, oder man müſte das ſtarkformige agſ. ge-ſið für unorganiſch erklä- ren, in welchem allem ſcheine nach die bloße partikel

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/767>, abgerufen am 22.11.2024.