wollen aber geschwind aufsteigen, uns anziehen und zusammen fortgehen.
Also standen die beiden Kinder auf, zogen sich geschwind an und gingen fort. Wie nun das Wasser im Kessel kochte, ging die Kö- chin in die Schlafkammer und wollte Funde- vogel holen, um ihn hinein zu werfen. Al- lein, als sie hinein kam, und zu den Betten trat, waren die Kinder alle beide fort, so wurde ihr grausam Angst und sprach vor sich: "was will ich nun sagen, wenn der Förster heim kommt und sieht, daß die Kinder weg sind. Geschwind hintennach, daß wir sie wie- der kriegen!"
Da schickte die Köchin drei Knechte nach, die sollten laufen und die Kinder einlangen. Die Kinder aber saßen vor dem Wald, und als sie die drei Knechte von weitem laufen sa- hen, sprach Lehnchen zum Fundevogel: "ver- läßt du mich nicht, so verlaß ich dich auch nicht!" So sprach Fundevogel: "nun und nimmermehr!" Da sagte Lehnchen: "werde du zum Rosenstöckchen und ich zum Röschen drauf!" Wie nun die drei Knechte vor den Wald kamen, so war nichts da, als ein Rosen- strauch und ein Röschen oben drauf, die Kin- der aber nirgends, da sprachen sie: hier ist nichts zu machen und gingen heim, und sagten vor die Köchin, sie hätten nichts in der Welt
wollen aber geſchwind aufſteigen, uns anziehen und zuſammen fortgehen.
Alſo ſtanden die beiden Kinder auf, zogen ſich geſchwind an und gingen fort. Wie nun das Waſſer im Keſſel kochte, ging die Koͤ- chin in die Schlafkammer und wollte Funde- vogel holen, um ihn hinein zu werfen. Al- lein, als ſie hinein kam, und zu den Betten trat, waren die Kinder alle beide fort, ſo wurde ihr grauſam Angſt und ſprach vor ſich: „was will ich nun ſagen, wenn der Foͤrſter heim kommt und ſieht, daß die Kinder weg ſind. Geſchwind hintennach, daß wir ſie wie- der kriegen!“
Da ſchickte die Koͤchin drei Knechte nach, die ſollten laufen und die Kinder einlangen. Die Kinder aber ſaßen vor dem Wald, und als ſie die drei Knechte von weitem laufen ſa- hen, ſprach Lehnchen zum Fundevogel: „ver- laͤßt du mich nicht, ſo verlaß ich dich auch nicht!“ So ſprach Fundevogel: „nun und nimmermehr!“ Da ſagte Lehnchen: „werde du zum Roſenſtoͤckchen und ich zum Roͤschen drauf!“ Wie nun die drei Knechte vor den Wald kamen, ſo war nichts da, als ein Roſen- ſtrauch und ein Roͤschen oben drauf, die Kin- der aber nirgends, da ſprachen ſie: hier iſt nichts zu machen und gingen heim, und ſagten vor die Koͤchin, ſie haͤtten nichts in der Welt
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wollen aber geſchwind aufſteigen, uns anziehen
und zuſammen fortgehen.
Alſo ſtanden die beiden Kinder auf, zogen
ſich geſchwind an und gingen fort. Wie nun
das Waſſer im Keſſel kochte, ging die Koͤ-
chin in die Schlafkammer und wollte Funde-
vogel holen, um ihn hinein zu werfen. Al-
lein, als ſie hinein kam, und zu den Betten
trat, waren die Kinder alle beide fort, ſo
wurde ihr grauſam Angſt und ſprach vor ſich:
„was will ich nun ſagen, wenn der Foͤrſter
heim kommt und ſieht, daß die Kinder weg
ſind. Geſchwind hintennach, daß wir ſie wie-
der kriegen!“
Da ſchickte die Koͤchin drei Knechte nach,
die ſollten laufen und die Kinder einlangen.
Die Kinder aber ſaßen vor dem Wald, und
als ſie die drei Knechte von weitem laufen ſa-
hen, ſprach Lehnchen zum Fundevogel: „ver-
laͤßt du mich nicht, ſo verlaß ich dich auch
nicht!“ So ſprach Fundevogel: „nun und
nimmermehr!“ Da ſagte Lehnchen: „werde
du zum Roſenſtoͤckchen und ich zum Roͤschen
drauf!“ Wie nun die drei Knechte vor den
Wald kamen, ſo war nichts da, als ein Roſen-
ſtrauch und ein Roͤschen oben drauf, die Kin-
der aber nirgends, da ſprachen ſie: hier iſt
nichts zu machen und gingen heim, und ſagten
vor die Koͤchin, ſie haͤtten nichts in der Welt
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/265>, abgerufen am 22.11.2024.
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