bis dein Gemahl verwandelt wird" -- "Das geschieht erst in sechs Wochen, doch wenn du es aushalten kannst, steck dich in den Baum, der inwendig hohl ist, ich will dir alle Tage Essen hinunter reichen. Reinald kroch in den Baum, die Prinzessin ließ ihm alle Tage Essen hinunter, und wenn der Adler wegflog, kam er herauf zu ihr. Nach sechs Wochen geschah die Umwandlung, da erwachte Reinald wieder in einem Bett, wie bei seinem Schwager Bär, nur daß alles noch prächtiger war, und er lebte sieben Tage bei dem Adlerprinz in aller Freude. Am siebenten Abend nahmen sie Abschied, der Adler gab ihm drei Adlerfedern und sprach: wenn du in Noth bist, so reib daran, und ich will dir zu Hülfe kommen." Dann gab er ihm Diener mit, ihm den Weg zu zeigen, als aber der Morgen kam, waren sie auf einmal fort, und Reinald in einer furchtbaren Wildniß auf einer hohen Felsenwand allein.
Reinald blickte um sich her, da sah er in der Ferne den Spiegel einer großen See, auf dem eben die ersten Sonnenstrahlen glänzten. Er dachte an seine dritte Schwester, und daß sie dort seyn werde. Da fing er an hinabzu- steigen, und arbeitete sich durch die Büsche und zwischen den Felsen durch; drei Tage verbrachte er damit, und verlor oft den See aus den Augen, aber am vierten Morgen gelangte er
bis dein Gemahl verwandelt wird“ — „Das geſchieht erſt in ſechs Wochen, doch wenn du es aushalten kannſt, ſteck dich in den Baum, der inwendig hohl iſt, ich will dir alle Tage Eſſen hinunter reichen. Reinald kroch in den Baum, die Prinzeſſin ließ ihm alle Tage Eſſen hinunter, und wenn der Adler wegflog, kam er herauf zu ihr. Nach ſechs Wochen geſchah die Umwandlung, da erwachte Reinald wieder in einem Bett, wie bei ſeinem Schwager Baͤr, nur daß alles noch praͤchtiger war, und er lebte ſieben Tage bei dem Adlerprinz in aller Freude. Am ſiebenten Abend nahmen ſie Abſchied, der Adler gab ihm drei Adlerfedern und ſprach: wenn du in Noth biſt, ſo reib daran, und ich will dir zu Huͤlfe kommen.“ Dann gab er ihm Diener mit, ihm den Weg zu zeigen, als aber der Morgen kam, waren ſie auf einmal fort, und Reinald in einer furchtbaren Wildniß auf einer hohen Felſenwand allein.
Reinald blickte um ſich her, da ſah er in der Ferne den Spiegel einer großen See, auf dem eben die erſten Sonnenſtrahlen glaͤnzten. Er dachte an ſeine dritte Schweſter, und daß ſie dort ſeyn werde. Da fing er an hinabzu- ſteigen, und arbeitete ſich durch die Buͤſche und zwiſchen den Felſen durch; drei Tage verbrachte er damit, und verlor oft den See aus den Augen, aber am vierten Morgen gelangte er
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bis dein Gemahl verwandelt wird“ — „Das
geſchieht erſt in ſechs Wochen, doch wenn du
es aushalten kannſt, ſteck dich in den Baum,
der inwendig hohl iſt, ich will dir alle Tage
Eſſen hinunter reichen. Reinald kroch in den
Baum, die Prinzeſſin ließ ihm alle Tage Eſſen
hinunter, und wenn der Adler wegflog, kam er
herauf zu ihr. Nach ſechs Wochen geſchah die
Umwandlung, da erwachte Reinald wieder in
einem Bett, wie bei ſeinem Schwager Baͤr,
nur daß alles noch praͤchtiger war, und er lebte
ſieben Tage bei dem Adlerprinz in aller Freude.
Am ſiebenten Abend nahmen ſie Abſchied, der
Adler gab ihm drei Adlerfedern und ſprach:
wenn du in Noth biſt, ſo reib daran, und ich
will dir zu Huͤlfe kommen.“ Dann gab er ihm
Diener mit, ihm den Weg zu zeigen, als aber
der Morgen kam, waren ſie auf einmal fort,
und Reinald in einer furchtbaren Wildniß auf
einer hohen Felſenwand allein.
Reinald blickte um ſich her, da ſah er in
der Ferne den Spiegel einer großen See, auf
dem eben die erſten Sonnenſtrahlen glaͤnzten.
Er dachte an ſeine dritte Schweſter, und daß
ſie dort ſeyn werde. Da fing er an hinabzu-
ſteigen, und arbeitete ſich durch die Buͤſche und
zwiſchen den Felſen durch; drei Tage verbrachte
er damit, und verlor oft den See aus den
Augen, aber am vierten Morgen gelangte er
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/411>, abgerufen am 24.11.2024.
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